
© Felix Püschner
Krieg und Flucht in einer Kaffeemühle? Das hat es mit der Ausstellung in der MSS auf sich
Marga-Spiegel-Sekundarschule
In einem Schaufenster in der Marga-Spiegel-Sekundarschule sind derzeit Objekte aus dem Stadtmuseum zu sehen. Was nach heiler Welt ausschaut, hat aber eine ganz bittere Vorgeschichte.
Arien (15) und Hewa (15) stehen vor einem Schaufenster in der Marga-Spiegel-Sekundarschule. In einem Holzkasten sind Exponate des Werner Stadtmuseums zu sehen. Mit solchen Ausstellungsstücken verbindet man häufig positive Geschichten.
Arien und Ewa, die einst in Syrien lebten, tun das nicht. Zumindest nicht ausnahmslos. Sie haben die Objekte selbst ausgesucht - auch weil sie bestimmte Erlebnisse und Erinnerungen mit ihnen verbinden. Weil diese Gegenstände eine besondere Bedeutung für sie haben.
„Mama hat uns immer Musik vorgespielt, wenn meine Geschwister und ich krank waren. Musik bedeutet mir viel“, sagt Arien. Sie hat sich deswegen für ein Symphonium, eine Art Spieluhr, entschieden. Hewas Wahl ist hingegen auf eine alte Kaffeemühle gefallen - weil die Kaffeekultur Menschen verbindet, wie sie erklärt.
Kaffee trinke man schließlich überall gerne - auch in geselliger Runde, fast schon wie bei einem kleinen Ritual. Da gebe es keinen Unterschied zwischen den Völkern und Kulturen. Alles friedlich also.
Das, was die beiden 15-Jährigen da so erzählen, als sie am Schaufenster stehen, klingt eigentlich recht harmonisch, beinahe schon idyllisch. Als Arien dann jedoch einen Moment darüber nachdenkt, wie das damals in Syrien war, als ihre Mutter ihnen Musik vorgespielt hat, da senkt die Schülerin langsam den Kopf.

Die Schüler des DAZ-Kurses der Klassen 6 bis 9 der Marga-Spiegel-Sekundarschule haben gemeinsam mit dem Stadtmuseum und der Tischlerei Hols ein besonderes Projekt auf die Beine gestellt. © Felix Püschner
„Ich will da nicht wieder hin zurück. Auch nicht, wenn irgendwann wieder Frieden ist. Das war alles viel zu schlimm...“. Dann stockt sie und Raid Alahmad, der als Übersetzer an ihrer Seite sitzt, schiebt kurz und knapp ein Wort hinterher: „Trauma“
Ariens und Hewas Geschichten stimmen nachdenklich. Auch wenn man ähnliche Erzählungen schon oft gehört hat, seit die als „Flüchtlingswelle“ oder „Flüchtlingsstrom“ bezeichnete Zuwanderung von Menschen aus Krisengebieten nach Deutschland zugenommen hat.
Die Hürden des Familiennachzugs
Erzählungen von zerbombten Heimatstädten. Von Familienmitgliedern, die man auf der Flucht nach Deutschland verloren, aber inzwischen wiedergefunden hat. Dass manche von ihnen nicht mehr am Leben sind, andere allerdings schon - jedoch noch immer in der Heimat ausharren müssen. Darunter sind auch zwei von Hewas Schwestern.
„Wir haben noch Kontakt. Sie leben noch. Manchmal geht es ihnen gut, manchmal schlecht“, sagt die 15-Jährige. Als ihr Vater sie, ihre Mutter und die dritte Schwester per Antrag auf Familiennachzug nach Deutschland holte, durften die beiden nicht mit, da sie bereits älter als 18 waren.
Ganz schön schwere Kost. Und doch passt sie irgendwie in eine kleine alte Kaffeemühle.
- Die Ausstellung „Geschichte unterwegs“ gibt es nicht nur in der Marga-Spiegel-Sekundarschule sondern auch bei Rewe Symalla im Horne-Center zu sehen.
- 12 Schüler mit Migrationshintergrund aus dem Deutsch-als-Zweitsprache-Kurs der 6. bis 9. Klasse der Marga-Spiegel-Sekundarschule haben sich an dem Projekt beteiligt.
- Bei der Gestaltung der Schaukästen wurden sie von der Tischlerei Hols unterstützt.
- Gefördert wurde die Aktion vom Land und dem Kommunalen Integrationszentrum des Kreises Unna.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
