Am Sonntag (12. 3.) herrscht bleierne Stille. Wo den ganzen Vortag die Dieselmotoren der Einsatzfahrzeuge knatterten, sich mehr als 50 Helferinnen und Helfer Informationen zuriefen und Passanten gute Wünsche murmelten, ist 24 Stunden später nahezu alles geräuschlos. Nur das Rauschen der ungewohnt großen Wassermassen im Bachbett der Horne ist zu vernehmen. Selbst die Enten scheinen zu schweigen angesichts des Dramas, das am Freitag gegen 22.30 Uhr seinen Anfang nahm. Und das auch am Sonntagabend noch nicht abgeschlossen ist.
Wo ist Ingo H.? Seit Freitagabend (10. 3.) treibt die Menschen in Werne die Frage um. Seitdem der 59-Jährige aus Werne in die Horne gefallen ist - vor den Augen seiner Enkelin. Noch ist offen, wie genau es zu dem schicksalshaften Sturz gekommen ist. Fest steht: Der Fußweg entlang des Baches, der quer die Werner Innenstadt durchfließt. war matschig. Und der Bach selbst, der sonst eher unauffällig dahin plätschert, hatte sich nach dem Dauerregen der Vortage in einen breiten, wilden Wasserlauf verwandelt. Seine Fließgeschwindigkeit werden die Strömungsretter der DLRG des Kreises Unna - Experten für die Rettung und Bergung von Menschen im Wildwasser - später mit drei Meter pro Sekunde angeben. Ihr Opa, gab die minderjährige Enkelin an, sei schnell von dem eiskalten Wasser fortgerissen worden.

Die Rettungsmaßnahmen liefen augenblicklich an, nachdem das Mädchen zu seiner Familie gelaufen war und das Unglaubliche berichtet hatte. Tobias Tenk, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Werne, schildert den Einsatz so: „Am Freitagabend wurde um 22.37 Uhr der Löschzug 1 Stadtmitte sowie der Löschzug 3 aus Stockum der Freiwilligen Feuerwehr Werne mit dem Stichwort „TH_Wasser – vermutlich Person in der Horne, Brücke Hansaring“ zur Goerdelerstraße in Werne alarmiert.“ Bis 2 Uhr in der Nacht waren Retter anschließend im Einsatz und machten die Nacht zum Tage - mit Handscheinwerfern und Scheinwerfern von den fest verbauten Lichtmasten auf den Einsatzfahrzeugen.
Nächtliche Suche mit Licht
Sowohl im Nahbereich der Unfallstelle als auch im weiteren Verlauf bis zur Mündung in die Lippe unterhalb der Kamener Straße, kurz vor der Stadtgrenze zu Bergkamen-Rünthe, suchten sie in den Kegeln der künstlichen Lichtquellen alles Stück für Stück ab. Das Team des Schnelleinsatzbootes vom Löschzug 3 aus Stockum suchte den Mündungsbereich der Lippe und den ersten noch befahrbaren Bereich der Horne ab. Wärmebildkameras waren im Einsatz - unter anderem auch im Polizeihubschrauber, der den Wasserlauf von oben abflog, während Berufstaucher der Feuerwehr Hamm sich von unten auf die Suche machten. Alles erfolglos.
Derweil waren auch Einsatzkräfte ganz anderer Art aktiv: Notfallseelsorger, die Angehörigen und Helfern beizustehen versuchten, um das Unfassbare auszuhalten: dass eine plötzlich entfesselte Naturgewalt ein Leben jäh durchkreuzt.

Am Samstagmorgen ging es sofort mit der Suche weiter - mit noch größerer Unterstützung. Seit dem frühen Samstagmorgen nahmen zusätzlich zu den ehrenamtlich Aktiven des Löschzugs 1 auch die Drohnengruppe der Feuerwehr Werne sowie die Kollegen der Löschgruppen aus Langern und Holthausen an der fieberhaften Suche teil: mehr als 50 Menschen, die das etwas mehr als einen Kilometer lange Stück Bachlauf zwischen Unfallstelle und Mündung akribisch absuchten. Unter ihnen auch Taucher der Berufsfeuerwehr Dortmund und die Strömungsretter der DLRG. Das ging so bis etwa 17 Uhr. Dann stimmten sich Polizei und Feuerwehr ab, die Maßnahmen zu beenden.
Am Sonntag keine weitere Suche
Würde die Suche am Sonntag weitergehen? Diese Frage beantwortete Daniel Meyer, der Einsatzleiter der Freiwilligen Feuerwehr Werne, am Sonntagmorgen eindeutig. „Wir haben alles am Wasser, im Wasser und an besonderen neuralgischen Punkten abgesucht“. Damit sei das, was er und seine Leute leisten könnten, abgeschlossen. „Und im weiteren Bereich der Lippe ist eine Suche nicht zielführend“, ergänzt die Sprecherin der Leitstelle der Kreispolizeibehörde. In dieser Einschätzung hatten die Strömungsretter der DLRG, die um die besonderen Strömungen des Flusses wissen, die Beamtinnen und Beamten bestärkt.
Die Polizei hatte bereits am Samstag ein Foto des Vermissten veröffentlicht: eine Hilfe bei der Vermisstensuche. Denn auch wenn es als unwahrscheinlich gilt: Ingo H. könne auch woanders sein, „wovon wir aber nicht wirklich ausgehen“, so die Polizeisprecherin. Zu Redaktionsschluss am Sonntag gegen 19 Uhr, hatte sich die Situation nicht geändert. „Nein“, sagte der Sprecher der Leitstelle der Kreispolizeibehörde Unna, „es gibt nichts Neues.“
Ein Sturz in eiskaltes Wasser ist lebensbedrohlich. Je kälter das Wasser ist, desto massiver und schneller reagiert der Körper. Ein Kälteschock kann schon innerhalb weniger Minuten einsetzen.

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