Die Römer an der Lippe So viel Geschichte steckt in dem Fluss bei Werne

Von Heidelore Fertig-Möller
Die Römer an der Lippe: So viel Geschichte steckt in dem Fluss bei Werne
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Die Lippe - oder besser gesagt: die von der RAG geplante Einleitung von ungefiltertem Grubenwasser - sorgte zuletzt für negative Schlagzeile. Wie kann man mit einem so wichtigen und bedeutsamen Gewässer nur so umgehen, fragt sich manch ein Umweltfreund. Doch die Lippe ist nicht nur in dieser Hinsicht etwas ganz Besonderes, wie ein Blick in die Historie zeigt.

Schon in der Jungsteinzeit, also ab etwa 5.000 Jahre vor Christus, war die Lippe mit ihren Nebenflüssen eng mit der Kultur der Menschen in diesem Raum verbunden, nicht nur als Jagd- und Fischereirevier, sondern als Verkehrsweg, Grenzlinie, Wasserversorgung und vieles mehr. Flüsse wurden auch von jeher als Kultplätze und Opferstätten angesehen.

Deshalb sind viele Gebrauchsgegenstände und Kultobjekte in den Flüssen, etwa Lippe, in den letzten Jahrzehnten gefunden worden. So zum Beispiel Geweihäxte, eine seltene Feuerstein-Sichel und zwei Schädelkalotten, entdeckt in der Nähe des Gerstein-Werkes in Stockum. Diese sind auch im Kellergewölbe des Werner Stadtmuseums am Kirchhof zu sehen – einige dieser Fundobjekte konnten in den letzten Jahren durch die finanzielle Unterstützung des Museumsfördervereins genauer datiert werden.

Diese Geweihäxte und Knochenhammer fand man in Werne.
Diese Geweihäxte und Knochenhammer fand man in Werne. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Zur Römerzeit dienten die Flüsse, vor allem auch die Lippe, als Verkehrs- und Transportwege zur Eroberung des freien Germaniens bis zur Elbe. Bis 12 v. Chr. sahen die Römer den Rhein als Grenze an und gründeten dort sowohl Städte als auch Militärlager, zum Beispiel beim heutigen Xanten, Neuss oder Nijmwegen. Zahlreiche Überfälle von germanischen Kriegern, vor allem aus dem Stamm der Sugambrer, veranlassten die Römer, ihr Herrschaftsgebiet bis zur Elbe, die dann Grenzfluss werden sollte, vorzuschieben.

Da sie wussten, dass das Feindesland zum größten Teil aus Wald und Sumpf ohne jegliche Straßen oder Wege bestand, kamen nur die Flüsse als militärische Nachschubbasen in Betracht – die Elbe lag schließlich ca. 600 km vom Rhein entfernt. Vom Militärlager Vetera I im heutigen Birten bei Xanten, ganz in der Nähe der Mündung der Lippe, startete Drusus, der Stiefsohn des römischen Kaisers Augustus, seine Militäroffensive, um die Sugambrer, die in unserem Raum lebten, zu unterwerfen. Um 11 v. Chr. errichtete er eines der ersten römischen Militärlager im heutigen Bergkamen-Oberaden.

Militärlager in Oberaden als Garnisonsstandort

Bereits im zweiten Jahr seiner Feldzüge ließ der römische Feldherr eine Flotte entlang des Rheines und die Nordseeküste bis zur Wesermündung hinauffahren. Wenige Jahre nach dem ersten Einmarsch von Drusus schien Germanien unter römischer Kontrolle zu sein, wenn auch nur punktuell. Das 56 Hektar große Militärlager in Oberaden, das wohl für 2 bis 3 Legionen (eine Legion bestand meist aus 5000 bis 6000 Soldaten) konzipiert war, kann man heute in seiner ganze Größe umrunden - Informationstafeln weisen auf die Bedeutung dieses Römerlagers hin.

Es wurde aber bereits drei Jahre später, 8 oder 7 v. Chr., also vor 2030 Jahren, wieder aufgegeben – es war kein Steinlager, sondern größtenteils aus Holz und Lehm errichtet, und man erbaute dann etwas weiter flussabwärts ein Lager beim heutigen Haltern. Dieses war kein reiner Garnisonsstandort, wie vorher Oberaden, sondern sollte eher als Verwaltungszentrum der neu entstehenden Provinz Germanien fungieren mit großzügigen Büro- und Dienstgebäuden für höhere Offiziere und einem prachtvollen Domizil für den Kommandeur.

Eine "Schädelkalotte" aus Werne
Eine „Schädelkalotte“ aus Werne © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Es wird angenommen, dass dort auch Tiberius, ebenfalls Stiefsohn des Augustus, zeitweise untergebracht war und ab 6 n. Chr. der römische Statthalter Publius Quinctilius Varus. In den Jahren 1 bis 4 nach Chr. kam es wieder zu Aufständen, die durch die Römer niedergeschlagen wurden - gleichzeitig legte man ein weiteres Lager in der Nähe der Lippequelle beim heutigen Anreppen an. Es lag am Ende der schiffbaren Lippe und man fand dort bei archäologischen Ausgrabungen eine hohe Anzahl von Getreidespeichern.

So diente Anreppen wohl als Versorgungsstützpunkt für das weitere Vordringen der Römer Richtung Elbe. Da jedem Legionär eine tägliche Essensration von 900 bis 1000 Gramm Getreide, meistens Weizen, zustand, dass sie selber zu Brei oder Brot verarbeiten mussten, und auch die Offiziere auf Wein, Olivenöl und Fischsauce nicht verzichten wollten, musste alles auf Lastkähnen, transportiert in Amphoren und Holzfässern, aus Italien oder Gallien herangeschafft werden.

Diese Feuerstein-Sichel wurde ebenfalls in Werne gefunden.
Diese Feuerstein-Sichel wurde ebenfalls in Werne gefunden. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Im Jahre 9 n. Chr. bei der Schlacht der drei römischen Legionen unter Varus im sogenannten Teutoburger Wald, wahrscheinlich in der Nähe von Kalkriese im heutigen Niedersachsen, siegten die vereinigten germanischen Stämme unter Arminius und so zog Kaiser Augustus die Konsequenz und gab das militärische Unterfangen, das Römische Reiches bis zur Elbe vorzuschieben, auf. Er baute nun den Rhein als östliche Grenze aus, so dass die noch heute existierenden Städte, unter anderem Xanten, Köln, Bonn, Koblenz und Mainz, entstanden.

Auch wir in Werne besitzen im Museum einige Überbleibsel dieses römischen Vordringens in Form von römischen Münzen, die wahrscheinlich durch Händler oder Soldaten bis in den Werner Raum gelangt sind. Sie stammen größtenteils aus dem ersten, zweiten und dritten nachchristlichen Jahrhundert und wurden bei Ausschachtungsarbeiten oder auf Äckern hier in der Umgebung gefunden, denn friedliches Zusammentreffen zwischen Römern und Germanen gab es sicherlich immer wieder in den darauffolgenden Jahrhunderten diesseits und jenseits der Lippe.

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