Lieferengpässe bei Medikamenten: Auch in den Werner Apotheken ist das Ausmaß der Lieferschwierigkeiten stark spürbar. Julia Matlachowsky, Leiterin der Apotheken am Solebad und am Steinhaus, nimmt ein Medikament aus einer sonst fast leeren Schublade. © Andrea Wellerdiek
Apotheken in Werne
Lieferengpässe bei Medikamenten: „So schlimm war es noch nie. Es ist wirklich der Wahnsinn“
Der Lieferengpass von Medikamenten sorgt für Unsicherheit und Mehrarbeit in den Werner Apotheken. „Es war noch nie so schlimm wie jetzt. Es ist wirklich der Wahnsinn“, so eine Apothekerin.
von Andrea Wellerdiek
Werne
, 26.11.2019 / Lesedauer: 3 minDie Liste wird immer länger. Mittlerweile sind es mehr als 270 Medikamente, die nicht mehr verfügbar sind. Der Lieferengpass bei Arzneimitteln hat extreme Auswirkungen auf die Apotheken in Werne, wie die stichprobenartige Nachfrage zeigt.
Antibiotikum, Antidepressiva, Antiepileptika oder Ibuprofen: Während im vergangenen Jahr aufgrund von Qualitätsproblemen bereits blutdrucksenkende Arzneimittel einer Firma vom Markt genommen wurden, fehlen in diesem Jahr nicht nur Präparate bestimmter Hersteller, sondern unzählige Medikamente auf dem gesamten Arzneimittel-Markt.
Versorgung der Patienten durch Lieferengpässe gefährdet
„Es ist wirklich schlimm, wenn therapeutisch relevante Medikamente fehlen und damit die Versorgung der Patienten gefährdet ist“, sagt Julia Matlachowsky, Leiterin der Apotheken am Solebad und am Steinhaus.
Zu Problemen führt das etwa bei Patienten mit Epilepsie. Diese Kunden auf andere Medikamente umzustellen, sei immer mit einem Risiko verbunden.
Gähnende Leere in einer Schublade in der Apotheke am Steinhaus © Andrea Wellerdiek
Therapie muss komplett neu ausgerichtet werden
Denn in der Apotheke kann der Epileptiker nicht auf ein neues Medikament eingestellt werden. „Der Patient muss noch einmal zum Arzt gehen, der vielleicht auch überlaufen ist. Wir telefonieren dann mit dem Arzt, um den Patienten mit den neuen Medikamenten zu versorgen“, erklärt Matlachowsky.
Häufig müsse die Therapie komplett neu ausgerichtet werden aufgrund des Lieferengpasses. In der Vergangenheit konnte man die Wirkstoffe mit Präparaten anderer Hersteller ausgleichen. Doch wenn auch diese nicht mehr liefern können, wird es problematisch.
Lieferschwierigkeiten beschäftigen Apotheken in Werne täglich
Täglich haben die Mitarbeiter in den Apotheken am Solebad und am Steinhaus mit den Lieferschwierigkeiten zu tun. Seit dem 25. November informieren die Verantwortlichen in den Apotheken mit einem Flyer über die Missstände.
Etwa mit jedem vierten Patient, so Matlachowsky, müsse man über neue Medikamente sprechen. Das kostet Zeit und Geld. „Dadurch entstehen höhere Kosten - zum Beispiel, wenn es nur um das Ausdrucken der neuen Rezepte geht“, erklärt Matlachowsky.
Erst waren es 50, dann 100. Mittlerweile sind es knapp 270 fehlende Medikamente, wie Ursula Brinkmann-Trötsch, Leiterin der Christophorus-Apotheke, zeigt. © Andrea Wellerdiek
Auch in der Christophorus-Apotheke in der Steinstraße ist das nicht anders. Bei fast jedem zweiten Kunden müssten die Medikamente umgestellt werden, so Leiterin Ursula Brinkmann-Trötsch. „Manchmal telefonieren drei Mitarbeiterinnen gleichzeitig mit Ärzten. Alle sind genervt: die Patienten, die Ärzte und wir“, sagt sie.
Jedes Vierteljahr ein neues Produkt
Mit großer Unsicherheit und Sorge kämen viele Kunden in ihre Apotheke. Manche bekämen bei jedem Kauf ihrer Medikamente vierteljährlich ein neues Produkt, erzählt Brinkmann-Trötsch.
„Viele denken, dass es an einzelnen Apotheken liegt. Aber es ist ein grundsätzliches und zunehmendes Problem“, erklärt die Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie.
Weltweite Konzentration auf bestimmte Hersteller
Laut ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) kommt es zu Lieferengpässen aufgrund der weltweiten Konzentration der Arzneimittelproduktion auf wenige Fabriken, die dadurch störungsanfällig sind. Außerdem gelten in Deutschland Regeln für die Medikamentenversorgung. Bei Rabattverträgen bekommen Kassen von Pharmafirmen Nachlässe für garantierte Mindestabnahmen.
Apotheker sind so darauf beschränkt, je nach Kasse des Patienten nur ein Medikament bestimmter Firmen abzugeben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn möchte diese Verträge nun lockern.
Die Liste wird immer länger: Fünf Seiten füllen die Arzneimittel aktuell, die aufgrund von Lieferengpässen nicht in die Apotheken gelangen. © Andrea Wellerdiek
Werner Apothekerinnen erhoffen sich politische Lösung
Eine politische Lösung erhoffen sich auch die Verantwortlichen aus den Werner Apotheken. Das Aufweichen der Rabattverträge könnte helfen, meint Ursula Brinkmann-Trötsch.
Das Grundproblem sieht Julia Matlachowsky im Kostendruck der Branche. „Es würde helfen, wenn wir wieder mehr Geld für Arzneimittel ausgeben würden und Deutschland wieder zu einem attraktiven Markt werden würde, um besser beliefert zu werden.“
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