Kyritzer Bürgermeisterin über Werne und ihre Heimat

Zum Jahrestag der Städtepartnerschaft

Werne an der Lippe und Kyritz an der Knatter sind Partnerstädte – seit 25 Jahren. Zur kommunalen Silberhochzeit und dazu noch 25 Jahren Deutscher Einheit hat Redakteurin Sylvia vom Hofe mit Kyritz' Bürgermeisterin Nora Görke gesprochen: über – über Solebad, Soli und aktuelle Herausforderungen mit Flüchtlingen.

WERNE

, 14.09.2015, 13:39 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der 3. Oktober ist der offizielle deutsche Feiertag. Dabei war damals gar nicht viel los: Die DDR trat dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei. Wären der 9. Oktober 1989, als 70.000 Menschen gewaltfrei gegen die SED protestierten oder der 9. November, als die Mauer fiel, nicht die besseren Termine?

Schon, aber ich habe mich damit abgefunden. Wichtig ist nur, dass die jüngeren Leute nicht vergessen, was alles passiert ist – auch wenn die anderen Termine keine offiziellen Feiertage sind.

Wo waren Sie, als die Mauer fiel?

Ich war Mitglied des Neuen Forums und weiß noch ganz genau, wie ich abends spät von einer Veranstaltung nach Hause kam, den Fernseher einstellte und weinte.

Nachdem Anfang der 1980er-Jahre die Versuche der Stadt Werne gescheitert waren, eine Partnerschaft mit einer Stadt in Ostdeutschland zu schließen, klappte es Ende 1989 – mit welchen Folgen?

Wir haben davon sehr profitiert beim Aufbau neuer Verwaltungsstrukturen. Das war Aufbauhilfe im besten Sinne. Meine Kollegin Daniela Bading hat zum Beispiel bei der Werner Stadtverwaltung ihre Ausbildung gemacht. Andere haben auch dort gelernt.

Ganz spontan: Woran denken Sie als erstes, wenn Sie Werne hören?

(lacht) An Sim-Jü. Wenn ich nicht selber dabei bin, was ich gerne tue, dann rede ich mit den Kollegen über die Traditionsveranstaltung, die ja viel mehr ist als eine Kirmes. Einige von uns – ob aus dem Rathaus oder aus den Vereinen - fahren jedes Jahr dorthin.

Und was ist mit dem Solebad?

Klar, kenne ich das auch. Aber Sie hatten ja danach gefragt, woran ich zuerst denke.

Wahrscheinlich haben Sie den Ärger um das Solebad verfolgt: erst die Entscheidung, es für den Umbau zu schließen, dann die unerwartete Kostenexplosion und jetzt die Sorge, wann denn das Bad wieder öffnet und woher das Geld kommen soll. Haben Sie in Kyritz auch ein kommunales  Bad?

Ja, ein Strandbad am Kyritzer See. Die Wohnungsbaugesellschaft betreibt es für uns. Auch wenn die Kosten vergleichsweise gering ausfallen: Auch wir müssen immer Geld hineinstecken.

Bleiben wir beim Geldhineinstecken, nur dass wir uns nach der Sole jetzt dem Soli zuwenden:  Wie hat Kyritz den westlichen Solidaritätszuschlag genutzt?

Der Soli hat einen großen Anteil daran, dass Kyritz jetzt so attraktiv aussieht. Sicher, die Substanz war da. Aber wenn man sich alte Fotos ansieht, erkennt man sofort, wie grau alles war und wie marode.

FOTOSTRECKE
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So sieht es in Wernes Partnerstadt Kyritz aus

Werne an der Lippe und Kyritz an der Knatter sind Partnerstädte – seit 25 Jahren. Aber wie sieht es im kleinen brandenburgischen Städtchen mit seinen nur knapp 10.000 Einwohnern aus? Unsere Fotostrecke vermittelt zumindest einen kleinen Eindruck davon.
14.09.2015
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Die Marienkirche: in ihr wird der Festakt stattfinden zur deutschen Einheit.© juergen hohmuth
Wasserfrende freuen sich auf den Besuch von Kyritz.© Foto: Stadt Kyritz
Viele hostorische Häuser schmücken den Ortskern.© Foto: Stadt Kyritz
Dem Raubritter Bassewitz ist dieser Brunnen gewidmet.© Foto: Stadt Kyritz
Die Kyriter Seenlanschaft begeistert.© Foto: Stadt Kyritz
Lädt zum Verweilen ein: der Stadtkern.© Foto: Stadt Kyritz
Ein schönes Ziel: die Insel© Foto: Stadt Kyritz
Der Bassewitzbrunnen erinnert an den einstigen belagerer.© Foto: Stadt Kyritz
Ein Blick auf die historische Altstadt.© juergen hohmuth
Die Anlegestelle für die Fähre ist ein beliebter Treffpunkt.© Foto: Stadt Kyritz
Der langgestreckte Marktplatz lädt zum verweilen ein.© Foto: Stadt Kyritz
Der historische Ortskern von oben.© juergen hohmuth
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Wenn Sie jemandem, der noch nie in Kyritz war, Ihre Stadt beschreiben. Was sagen Sie dann?

Kyritz ist eine hübsche, kleine Stadt mit einer bemerkenswert schönen Altstadt, vielen Fachwerkhäusern und – für eine Kleinstadt von 9200 Einwohnern – mit viel Einzelhandel. Worüber ich mich gerade ganz aktuell freue: dass wir mitten in der historischen Innenstadt eine Kita bauen, weil wir eine derart große Nachfrage haben.

Ist der Tourismus ein starker Wirtschaftsfaktor?

Seen, Wald und Altstadt sind attraktiv. Das sehen auch viele Gäste so, die zu uns kommen. Doch man kann noch mehr daran arbeiten, um das touristische Profil zu schärfen – etwa durch eine Gestaltung des Seeumfelds. Das ist Ziel des Tourismusvereins, dessen Vorsitzende ich bin.

In welchen Branchen arbeiten die Kyritzer?

Wie haben ein großes Krankenhaus, das jetzt auch noch gerade erweitert wird. Außerdem ein Finanzamt. Weil Kyritz landwirtschaftlich geprägt ist, gibt es immer noch eine Stärkefabrik, die Kartoffeln verarbeitet. Darüber hinaus haben wir metallverarbeitende Betriebe. Ein ganz guter Mix.

Der Strom der Flüchtlinge stellt alle deutschen Kommunen vor Herausforderungen. Werne hat zurzeit 270 Flüchtlinge unterzubringen – Tendenz steigend. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Zugegeben, bei uns ist die Zahl der Flüchtlingen zurzeit noch verschwindend gering: keine 20. Aber wir rechnen noch in diesem Jahr mit großen Zuweisungen.

Tun sich ostdeutsche Städte damit schwerer?

Leider scheint das oft so, vielleicht weil früher Kontakte zu Ausländern fehlten. Das darf aber nichts entschuldigen. Denn Ostdeutsche sollten doch eine besondere Verpflichtung darin sehen, Flüchtlinge gut aufzunehmen, weil fast jeder jemanden kennt, der damals in die BRD geflohen ist.

Heidenau in Sachsen hat eine unrühmliche Rolle gespielt wegen der ausländerfeindlichen Krawalle dort. Haben Sie Kontakt zu ihrem Bürgermeisterkollegen dort? Er ist schließlich ein Kyritzer.

Ist er das? Das wusste ich nicht.

Doch, Jürgen Opitz ist in den 1970er-Jahren aus Kyritz nach Sachsen gezogen.

… interessant. Da muss ich mal hier nachfragen.

Werne und Kyritz feiern ihre Partnerschaft sowohl am 19. September in Werne als auch im 3. Oktober in Kyritz. Sie sind in beiden Fällen dabei?

Selbstverständlich. Ich freue mich schon sehr darauf, Freunde und Bekannte etwa vom Internationalen Club in Werne wiederzusehen. Aber natürlich freue ich mich auch auf den 3. Oktober. Der Festakt bei uns findet in der Marienkirche statt – das ist auch ein Zeichen dafür, welche Rolle die Kirche in der Wende gespielt hat. Dass Wernes ehemaliger Bürgermeister Willi Lülf, der die Partnerschaft wesentlich geprägt hat, unsere Ehrenbürgerschaft annehmen wird, ist mir dabei eine besondere Freude.