Otto von Bismarck am Taufstein Kirche St. Christophorus in Werne.

Otto von Bismarck am Taufstein Kirche St. Christophorus. © Schwarze/ dpa/ Montage Püschner

Kulturkampf in Werne: „Bismarck hat sich am Weihwasser die Finger verbrannt“

rnWerner Stadtgeschichte

Der Streit zwischen Otto von Bismarck und Papst Pius IX. hat in Werne bis heute Spuren hinterlassen. In der Kirche St. Christophorus ist der Kulturkampf sogar noch recht präsent.

von Karl-Heinz Schwarze

Werne

, 16.08.2022, 15:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Vikar Bernhard Spithöver wird 1875 mit Gefängniswagen und berittenem Polizisten ausgewiesen, verurteilt wegen gesetzwidrigen Verhaltens. Sein Vergehen hat darin bestanden, dass er Messen gelesen, Beichte gehört und gepredigt hat. Zudem werden Kirchenbücher, Siegel und das Vermögen der Pfarrdechanei Werne beschlag­nahmt, das Pfarrhaus wird verschlossen. Das Kapuzinerkloster wird wie alle Klöster aufgelöst, die Mönche werden vertrieben. Die Werner Katholiken sind empört. Es kommt zu revolutionären Straßenaufläufen.

Dies alles sind Aktionen des Kulturkampfes, einer Auseinandersetzung zwischen Berlin und Rom, zwischen Reichskanzler Otto von Bismarck und Papst Pius IX.. Die Kleinstadt Werne war in besonderer Weise davon betroffen. Fünf Kunstwerke in der St. Christophoruskirche haben einen deutlichen Bezug zu diesen Ereignissen.

Kampfmaßnahmen bewirken seelischen Notstand

Für die gläubigen Katholiken bewirken die Kampfmaßnahmen der Behörden einen seelischen Notstand. Denn so wie in Werne droht in zahlreichen Gemeinden die Befürchtung, dass die Gläubigen ohne priesterlichen Segen sterben müssten. Acht Bischöfe sitzen im Gefängnis, drei sind ins Exil geflohen.

Menschen verfolgen einen Lichtbildvortrag in der Kirche St. Christophorus.

Karl-Heinz Schwarze hielt einen passenden Lichtbildervortrag zum Thema in der Kirche St. Christophorus. Die gut 20 Teilnehmer wurden eingebunden und sollten die Emotionen der Gläubigen vor 147 Jahren nachempfinden, indem sie die Lieder sangen, die damals die Geschlossenheit der Gläubigen im Kulturkampf verstärkten. Kantor Dr. Wensing unterstützte den Gesang auf der Orgel. © Karl-Heinz Schwarze

989 Pfarreien sind in Preußen unbesetzt, das sind 25 Prozent. 225 Priester sind eingekerkert. In der Citadelle Wesel sitzen 42 Geistliche in Festungshaft. Hunderttausende von Gläubigen sind völlig ohne jegliche Seelsorge. Sterbende bleiben ohne die Tröstungen der katholischen Kirche, Tote ohne kirchliches Begräbnis.

Das Standbild des Heiligen Christophorus wird in dieser Bedrängnis zum wichtigsten Fürbitter. Ein Blick auf ihn und ein Gebet könnten, so glauben die tiefreligiösen Katholiken, vor einem plötzlichen Tod schützen. Ein solch „unseliger“ Tod ohne die Sterbesakramente ihrer Kirche bedeuteten dauerhafte Strafen im Fegefeuer. Daher haben überle­bensgroße Christophorus-Standbilder wie in der Werner Pfarrkirche und im Dom zu Münster während des Kulturkampfs eine besondere Anziehungskraft.

Viel Zuspruch für die Herz-Jesu-Bruderschaft

Das große Fenster rechts neben dem Chor ist dem Heiligen Herzen Jesu gewidmet. Die Herz-Jesu-Bruderschaft, eine spirituelle Gemeinschaft, die sich dem Gebet und christlicher Erziehung verpflichtet fühlt, fand im Kulturkampf auch in Werne sehr regen Zulauf. Die Bruderschaft verpflichtete ihre Mitglieder zu dem Gebet, Gott möge die Kirchenverfolgung beenden. Dies sah das Innenministerium in Berlin als „staatsgefährlich“ an und betrieb das Verbot der Bruderschaft.

Ein Kirchenfenster, auf dem Jesus zu sehen ist.

Dieses Kirchenfenster in St. Christophorus zeigt den Pantokrator. © Karl-Heinz Schwarze

Der Taufstein in der Kirche wird zu einem sehr wichtigen Symbol in dieser Zeit. „Großer Gott wir loben dich“ stärkte bei jeder Gelegenheit die Zuversicht im Kampf gegen stattliche Allmacht und war Ausdruck der Geschlossenheit aller Katholiken. Das Lied „Ein Haus voll Glorie schauet“, das die Institution der Kirche rühmt, ist 1875 bewusst als Gegensatz zur Glorifizierung der Monarchien, des Deutschen Kaiserreiches und des preußischen Königreiches, geschaffen worden.

Kompromissfrieden zwischen Bismarck und dem Papst

Nach jahrelangen Verhandlungen kommt es schließlich 1887 zu einem Kompromissfrieden zwischen Bismarck und dem neuen Papst, Leo XIII. Die Katholiken deuten das Ende des Kampfes aber als ihren Sieg. Der Volksmund dichtet: „Bismarck hat sich am Weihwasser die Finger verbrannt“. Im Nachhinein verarbeiten sie die tiefen Verletzungen in religiösen Kunstwerken.

Das Bild eines römischen Legionärs.

Ein römischer Legionär auf dem Kreuzweg in der St. Christophoruskirche. © Karl-Heinz Schwarze

In Werne ist das ein Legionär in den Kreuzwegbildern, der deutliche Ähnlichkeiten aufweist zu einem Bild Reichskanzler Otto von Bismarcks, behelmt wie ein Kürassieroffizier. Dieser Legionär weist mit ausgestrecktem Arm Christus den Weg zur Hinrichtungsstätte. In mehreren anderen Kreuzwegbildern in westfälischen Kirchen hilft Pius IX. Christus das Kreuz tragen.

In der Werner Pfarrkirche St. Christophorus werden 1897 Chorfenster eingesetzt, die im Nazarener Stil gestaltet sind. Die „Nazarener“, eine deutsche Künstlergruppe in Rom, wollten die christliche Kunst im Sinne Pius IX. erneuern. Das Motiv im zentralen Chorfenster zeigt Christus als Pantokrator, als Allherrscher, über allen Königen der Welt. Christus segnet als Weltenherrscher die Kirchenbesucher. Dieses Bild entspricht dem Siegesgefühl der treuen Gläubigen.

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