Der Klimawandel hat so manchen verbalen Superlativ hervorgebracht. Und was sagen die Werner Politiker dazu? © Pixabay

Klimanotstand

Das Klima zwischen Notstand, Krise und Offensive - und was die Werner Politik davon hält

Wenn’s ums Klima geht, sind Verbalkeulen à la „Krise“ oder „Notstand“ nicht weit entfernt. Die Werner Politik war bisher zurückhaltend. Doch das Thema könnte bald stärker in den Fokus rücken.

Werne

, 08.09.2019 / Lesedauer: 4 min

Es ist gut vier Monate her, dass die Stadt Konstanz als erste Kommune in Deutschland den sogenannten „Klimanotstand“ ausgerufen hat. Seither sind dem Beispiel viele Städte gefolgt - darunter Bielefeld, Münster, Düsseldorf oder Saarbrücken. Allein in NRW sind es inzwischen fast 30 Kommunen.

Auch in Wernes Nachbarstadt Ascheberg hatte das Thema bereits für rege Diskussionen gesorgt. Ein entsprechender Ratsantrag der Grünen war jedoch abgelehnt worden.

Aber wie ist die Lage eigentlich in der Lippestadt? Das Wort „Klimanotstand“ scheint bislang zumindest noch niemandem aus den politischen Reihen so recht über die Lippen gekommen zu sein. Dabei hätte es schon vor der Sommerpause Zeit genug dazu gegeben.

Ab September könnte sich das jedoch ändern. Dann starten die Ausschusssitzungen - und das Klima dürfte stärker als bislang auf die Agenda rücken.

„Das wird bei uns im kommenden Halbjahr auf jeden Fall eine größere Rolle spielen. Es ist ja auch ein Identitätsthema für uns“, sagt Grünen-Ratsherr Benedikt Striepens im Gespräch mit unserer Redaktion.

Seine Partei hatte zuletzt im Ausschuss für Planung, Umwelt und Verkehr „Pflanzen statt Kiesflächen“ gefordert - konkret die Vorschrift, dass „Vorgärten vollflächig mit Vegetation zu begrünen sind und Schotterflächen, Pflasterungen nur für Zufahrten/Stellplätze, Zuwege und Mülltonnenstandplätze zulässig sind“. Der Antrag stieß allerdings nicht bei allen Parteien auf Gegenliebe.

Den Ausdruck „Klimanotstand“ nimmt Striepens nur ungern in den Mund: „Das wäre schon ziemlich plakativ. Ich denke, man sollte einfach schauen, was man vor Ort durchsetzen kann. Da geht es zunächst mal um kleinere Maßnahmen.“

Ökologische Baustoffe und Parents for Future

Ökologische Baustoffe könnten beispielsweise stärker in den Blick rücken. Genauso wie die innerstädtischen Grünflächen und der Vogelschutz, etwa im Bereich der Lippeauen. Auch die Parents-for-Future-Aktionen in Werne wolle man in Zukunft mehr unterstützen.

Das alles klingt eher nach einem vorsichtigen Vorstoß als nach der großen Verbalkeule, wie sie in manch anderer Stadt geschwungen wird. Dabei scheint das Konzept doch eigentlich recht griffig: Wer den Klimanotstand ausruft, der erkennt damit zunächst einmal an, dass es eine „Klimakrise“ gibt - und legt sich selbst die „Verpflichtung“ auf, etwas dagegen zu unternehmen, damit die Lage nicht noch schlimmer wird als sie ohnehin schon ist.

„Wir stellen uns jetzt nicht hin und rufen, dass wir die Welt retten wollen.“ Benedikt Striepens Grünen-Ratsmitglied

Grundsätzlich ist es den Kommunen dann selbst überlassen, inwiefern sie dieser Aufgabe nachkommen, denn rechtlich verbindlich ist die Sache bislang keineswegs.

Der Maßnahmenkatalog ist dennoch bunt. Er reicht vom Aufstocken der finanziellen Mittel zum Ausbau von Radwegen über die Anschaffung von E-Fahrzeugen für die Stadtverwaltung bis hin zu groß angelegten Baumpflanzaktionen.

Klimaschutz genießt höchste Priorität

Ein wichtiger Grundgedanke gilt im Prinzip jedoch für alle Kommunen, die mitziehen: Entscheidungen über künftige Maßnahmen und Projekte - zum Beispiel Bauvorhaben - sollen stärker als bisher im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf das Klima betrachtet werden. Der Klimaschutz genießt bei den Entscheidungen oberste Priorität.

Die Kehrseite des Ganzen: Das Ausrufen des Klimanotstands hat für die Kommunen, die mitziehen, auch einen faden Beigeschmack. Denn schnell wurden die Vorwürfe laut, es handle sich um bloße Symbolpolitik. Wer verkündet, dann aber nicht liefert, steht schnell in der Kritik.

Mitglieder der Parents-for-Future-Gruppe um Martina Haase (v.l.), Margaretha Winkelmann, Sabine Bußkamp, Andreas Drohmann und Jörg Höll sammelten in der Werner Innenstadt Unterschriften für einen Bürgerantrag zum Ausrufen des Klimanotstands. © Felix Püschner

Auch Striepens sieht diese Problematik: „Wenn eine Partei sagt, ‚wir setzen nun zwei oder drei Dinge um und sind dann mit dem Thema durch‘, dann ist das natürlich Symbolpolitik. Da muss dann schon etwas mehr kommen. Wir wollen uns in Werne auf jeden Fall lieber an machbaren Dingen orientieren und nicht laut rufen, dass wir die Welt retten wollen.“

Zudem sei es fraglich, ob die Kommunen, die einen solchen „Notstand“ ausrufen, dann wirklich auch jedes einzelne künftige Projekt genauestens in Bezug auf die Klimafolgen untersuchen.

„Wenn wir das strikt durchziehen, dann müssten wir Sim-Jü wohl abschaffen. Das will ja keiner.“ Reinhard Stalz UWW-Ratsherr

UWW-Fraktionsvorsitzender Reinhard Stalz stößt ins gleich Horn. Bei einem „Notstand“ würde man sich Verpflichtungen auferlegen, die die Planung und Umsetzung von Bauvorhaben und Co. erheblich erschweren würden. „Wenn wir das strikt durchziehen, dann müssten wir Sim-Jü unter Emissions-Gesichtspunkten wohl abschaffen. Das will ja keiner“, so Stalz.

Dennoch wird in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Planung, Umwelt und Verkehr ein Antrag auf dem Tisch liegen, in dem die UWW immerhin zu einer „Klimaoffensive“ aufruft. Demzufolge solle der Rat der Stadt „die Eindämmung der Klimakrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität anerkennen“.

„Klimaoffensive“ statt Notstand

Zudem müssten auch in Werne weitere Maßnahmen und Planungen ergriffen werden, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, heißt es in dem Antrag. Und schließlich sollten „ab sofort die Auswirkungen auf das Klima bei jeglichen Entscheidungen berücksichtigt“ und Lösungen bevorzugt werden, „die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken“.

In diesem Zusammenhang fordert die UWW weiter, der Bürgermeister müsse „dem Rat und der Öffentlichkeit regelmäßig über Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Reduktion der Emissionen Bericht erstatten“.

Ökologische Mobilität im Fokus der UWW

Das erinnert zwar stark an die Bedingungen eines „Notstands“, soll laut Stalz aber nur eine Art „Light-Variante“ und keine „knallharte“ Version sein. „Wir müssen natürlich realistisch bleiben“, sagt Stalz. Aber man müsse eben auch handeln und dürfe nicht einfach nur drüber reden: „Nehmen wir das Beispiel Dachbegrünung. Da haben wir viel drüber gesprochen. Aber bis heute ist noch nichts passiert.“

Was zukünftige Maßnahmen zur Klimaverbesserung betrifft, gebe es in seiner Partei schon Überlegungen, die er im Detail allerdings noch nicht nennen wolle, da noch nichts spruchreif sei. Nur so viel: „Die ökologische Mobilität wird wichtig sein. Da spielen der Innenstadtverkehr und der ÖPNV eine wichtige Rolle. Genauso wie die Radwege. Und dabei werden wir uns unter anderem auch mit dem ADFC zusammensetzen. Das sind schließlich die Experten, wenn es um dieses Thema geht.“

Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.

Jetzt kostenfrei registrieren

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.

E-Mail erneut senden

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Sie sind bereits RN+ Abonnent?
Jetzt einloggen