Es passiert nicht oft, dass ein Konzert, eine Ausstellung oder eine Vernissage um 11:55 Uhr beginnt, oder dass sie an einem so ungewöhnlichen Ort stattfindet wie auf den Treppen der Sparkasse. Alles den Umständen geschuldet: Es ist fünf vor zwölf für den Kunstverein Werne. Seit der Pandemie steht der übliche Präsentations-Ort im Stadthaus nicht mehr für Ausstellungen zur Verfügung, das bürgerschaftliche Engagement nimmt ab.
Man vermisst den konstruktiven Dialog mit der Stadt; schon mehrere Projekte stehen in der Warteschleife, weil keine Räume zur Verfügung stehen. Zuletzt fand der Kunstverein Zuflucht in der Tiefgarage der Sparkasse, allerdings nicht dauerhaft. Hubertus Waterhues und Sabine Krebber eröffneten am Samstagmittag ihr Projekt „fünfvorzwölf“. Es ist ein Hilferuf, eine Aktion, die auf sich aufmerksam machen möchte – und zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für die Unentbehrlichkeit der Kunst.
Verhüllender Streifzug durch Werne
Waterhues, der Vorsitzende des Kunstvereins, zeigt sich enttäuscht: Seit Jahren und Jahrzehnten trage man mit Ausstellungen und Kunstprojekten zum kulturellen Leben in der Stadt bei, aber auf einmal schienen schriftliche Vereinbarungen nicht mehr zu gelten. Der Verein sieht sich der Möglichkeit beraubt, Künstlern ein Podium zu geben. Waterhues räumt ein, dass es seit der Ankündigung der Aktion Solidaritätsbekundungen gegeben habe, auch aus anderen Städten: So habe das Oberlandesgericht Hamm den Raum für eine Installation angeboten. Man fühle sich aber lokal verbunden und wolle in Werne wirken, so Waterhues.
Besonders habe er bedauert, dass die Inhaber vor leerstehenden Brachen in Werne nicht auf den Verein zugekommen seien, denn dort gebe es die Möglichkeit, die Kunst im öffentlichen Raum wahrnehmen zu lassen. Auch Krebber, die für das Anwerben und die künstlerische Auswahl der Projekte verantwortlich ist, bedankte sich bei der Sparkassenförderung für die Unterstützung - aber die temporäre Installation in der Tiefgarage erlaube keine größeren und längeren Ausstellungen, fünf Ausstellungen stünden in der Warteschleife, von Malereien bis zu Plastiken. Der Aufschrei zeigte indes Wirkung: Die Absprachen mit der Stadt für das nächste Jahr seien in den Startlöchern.

Aber bis dahin dauert es noch - und die Vereinbarung, so lässt Waterhues durchblicken, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in trockenen Tüchern. Man will ein Zeichen setzen: „Wenn der Kunstverein weg soll, dann nimmt er euch vorher noch die Kunst weg“, ruft er von den Treppen der Sparkasse herunter. Er spielt auf die „Kunstwege“ an, die der Verein in der Vergangenheit organisiert hat, in deren Rahmen Künstler ihre Exponate in den Schaufenstern der Innenstadt ausgestellt haben.
Jetzt geht es in die andere Richtung: Mit schwarzem Stoff und braunen Kordeln umhüllen Waterhues und Krebber erst die Sparschwein-Skulptur vor der Sparkasse, das erinnert etwas an den Aktionskünstler Christo, den man aber bewusst nicht imitieren wolle, so die beiden Organisatoren. Das schreiende Mädchen der Skulpturengruppe bleibt unverhüllt. Waterhues sagt augenzwinkernd, so habe er sich auch des Öfteren gefühlt, als die Verhandlungen mit der Stadt nicht vorangingen. Von der Sparkasse aus geht es auf einen künstlerischen und verhüllenden Rundgang durch die Stadt.

Kein Kunstwerk ist entbehrlich
Dabei hat jedes Einpacken seine eigene Sinngebung. Zusammen mit dem Brunnen auf der Bonenstraße verhüllen die beiden auch die Tierskulpturen: An wen er wohl beim eitlen Pfau und beim Angsthasen auf dem Brunnen denke, fragt Waterhues vielsagend, zeigt bei der Kirchenmaus aber auf Martin Abdinghoff, den Vorsitzenden der Sparkassenstiftung - seinetwegen sei man oft nicht mehr ganz so arm gewesen. Vom Brunnen auf dem Moormannplatz verhüllte man symbolisch nur die Erklärungstafel: Kunst sei schön, bedürfe aber des Dialogs und der Erklärung, sagen die beiden.
Vor der Partnerschaftsuhr wird es politisch: Die packe er nicht ein, sagt Waterhues, man brauche „das Ausstrecken von Händen, nicht Fäusten, den Dialog, den Frieden“. Eine klare Haltung im Angesicht von Kriegen und Krisen in der Welt, die Opfer seien immer Menschen, so Waterhues leidenschaftlich. Wie wichtig es ist, dies frei sagen zu dürfen, verdeutlichen die beiden Organisatoren auf dem Marktplatz, wo sie den Marktschreier in ihren schwarzen Stoff einwickeln. Von allen Symbolen zieht sich eine Botschaft durch die Aktion: Kunst in Werne soll etwas für alle sein.
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