Von der Bergbau-Ära profitierten viele Menschen auf unterschiedliche Weise. Auch heute noch? Der ehemalige Bergmann Heinz Quittner heizt noch mit Kohle. Für seine Enkel ist das ein Abenteuer.
Lautes Kinderlachen kommt aus dem Keller von Heinz Quittner. Die Kleinen toben, spielen und sind voller Flocken. Doch die Kinder spielen nicht im weißen Schnee. Sie sind von oben bis unten schwarz und sehen aus wie ihr Opa auf der Arbeit unter Tage: voller Kohle. Denn die kommt seit Jahrzehnten in LKW-Ladungen zu ihm gefahren als Zusatz zu seinem Lohn – als sogenanntes Deputat.
„Ich habe für ein Jahr sieben Tonnen Deputatkohle bekommen. Da dachte ich mir, warum denn nicht?“, sagt der 69-jährige Werner mit einem Lächeln im Gesicht und zuckt mit den Schultern.
Quittner verzichtet auf seine Gasheizung
So ging es Jahr für Jahr seit 1982. Sein Vater hatte auf der Zeche gearbeitet und eigentlich, gesteht Heinz Quittner, wollte er selbst nie auf der Zeche arbeiten. „Als ich nicht mehr auf dem Bau gearbeitet habe, bin ich wegen des guten Geldes doch zur Zeche gegangen.“
Durch seine Arbeit auf der Zeche hatte er Zugang zur Kohle. Doch was macht man damit, wenn man Zuhause eine Gasleitung zum Heizen hat? Quittner traf eine Entscheidung: Er verzichtete auf seine Gasleitung und schaffte sich einen Kohleofen, einen Kohlekeller und alles weitere an, um mit Kohle heizen zu können.

Heizen mit Kohle ist aufwändig, doch das macht Heinz Quittner nichts aus. © Michelle Kozdon
Eine Entscheidung, die viele Bergmänner getroffen haben – auch in Werne. „Ich habe einige Kunden gehabt, die mit Kohle geheizt haben“, sagt der Werner Schornsteinfeger Matthias Röder. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Kohle war da, generell ist das Heizen mit Kohle verhältnismäßig günstig und noch heute schwören viele Kunden auf die „angenehme und wohlige Wärme“. Dafür haben Kunden auch einen hohen Aufwand in Kauf genommen.
Heinz Quittner war trotz der Umstände immer zufrieden, mit Kohle zu heizen - und ist das bis heute. Zuerst muss er dafür die Kohle im Kohleofen mit einem Porkelseisen porkeln, damit die Asche hinunterfällt. Anschließend geht er mit der Kohletröte, einem Behälter für die Kohle, in den Kohlekeller und holt damit die Kohle. Und zu guter letzt kippt er die Kohle aus der Kohletröte in den Kohleofen oben.
Zweimal am Tag aufwändig heizen
Für das Heizen mit Kohle braucht er diese speziellen Räume. Beim Verbrennen der Kohle entsteht anschließend ein weißer Rauch, der einen leichten Schwefelgeruch mit sich bringt. Durch diesen speziellen Rauch und seinen Geruch, wusste jeder seiner Nachbarn, wann Quittner wieder heizt.
Im Sommer brauche Quittner kaum Kohle, doch im Winter muss er zweimal am Tag heizen – und dafür immer wieder diese Arbeiten erledigen. „Das ist jahrelange Routine bei uns“, sagt er stolz. Zweimal im Monat braucht er im Winter neue Kohleladungen.

Heinz Quittner hat einen Vorratsraum für seine Kohle eingerichtet. © Michelle Kozdon
Ein Aufwand, der immer mehr Menschen abschreckt, weiter mit Kohle zu heizen. 7622 Kohleheizungen verzeichnet der Landesfachverband des Schornsteinfegerhandwerks in Nordrhein-Westfalen 2017. Im Vorjahr waren es noch etwa 500 Anlagen mehr. „Die Zahl ist stark rückläufig“, sagt Diplom-Ingenieur Achim Wirth vom Landesverband. „Woran das liegt, ist reine Spekulation“, sagt der Fachmann.
Ein Grund liegt allerdings auf der Hand: Mit dem Aus für die letzte noch aktive Zeche Prosper Haniel in Bottrop enden auch die Deputatlieferungen für die ehemaligen Bergmänner. Schon jetzt heizen laut Schornsteinfeger Matthias Röder nur noch zwei bis drei Haushalte ausschließlich mit Kohle. Die Ursachen: Hoher Aufwand, viel Dreck und aufwändige Wartungsarbeiten.
Vorschriften sollen Umwelt retten
Alle zwei Jahre muss Röder die Kohleheizungen in den jeweiligen Haushalten warten und kontrollieren, ob die Feinstaubwerte den Vorgaben der Bundesregierung entsprechen. Um die Umweltbelastung zu verringern, hat die Bundesregierung einen Stufenplan in Abhängigkeit von Baujahr und Bauart bis 2024 verabschiedet.
In Kombination dieser Faktoren seien schon viele von Röders Kunden umgestiegen. „Sie haben ihre Reste aus dem Keller verballert und dann im Sommer eine Alternative gesucht.“
Der Experte empfiehlt bei der Umstellung nicht nur auf einmalige Kosten zu achten, sondern eine langfristige Rechnung zu erstellen. Oft lohne sich das Heizen mit Holz oder sogenannten Holzpellets, kleinen Presslinge aus Holzspänen und Sägemehl – denn die Lagerräume hierfür sind schon vorhanden und moderne Anlagen seien ähnlich bequem wie klassische Heizungsanlagen.
Kohle aus dem Ausland bringt neue Fragezeichen
Doch für Quittner, der erst mit 32 Jahren angefangen hat, unter Tage zu arbeiten, ist eine Umstellung im Moment noch keine Alternative. Solange er die Arbeit ausführen kann, wolle er weiterhin mit Kohle heizen. „Ich denke aber, dass ich, wenn ich älter werde, auch wieder auf Gas umsteigen werde, da es einfacher ist, mit Gas zu heizen als mit Kohle“, sagt er.
Doch bis dahin möchte Quittner mit der Energiebeihilfe, die er statt der Deputatkohle ab 2019 erhält, Kohle aus dem Ausland kaufen und damit weiterheizen. Wie die Qualität aus dem europäischen Ausland zu bewerten ist, das ist für Röder noch fraglich. „Möglicherweise steigen die Feinstaubwerte der Kohleheizungen dadurch, das müssen wir bei den nächsten Untersuchungen im Auge behalten.“
So wird er es auch bei Quittner tun, damit der auch in den nächsten Jahren weiterhin seine wohlige Wärme genießen kann und die Nachbarn Bescheid wissen: Nachbar Quittner heizt wieder.
Lebt und arbeitet gerne digital - egal, ob mit Texten, Fotos oder Videos. Hat in Essen Literatur und Medienpraxis studiert, arbeitet seit 2014 bei den Ruhr Nachrichten und ist seit 2018 als Redakteur in Werne tätig.
