Samantha Cibulski (13) im Homeschooling: Die Schülerin der Marga-Spiegel-Sekundarschule in Werne wäre deutlich lieber im Klassenzimmer. © Kathrin Cibulski
Digitalisierung an Werner Schulen
Genervt vom Homeschooling: „Wir würden lieber in der Schule sitzen“
Inzwischen konnte Familie Cibulski - wie viele andere - reichlich Erfahrungen im Homeschooling machen. Dass es trotzdem immer noch alles andere als gut läuft, dafür gibt es auch in Werne viele Gründe.
Seit Monaten sind Samantha Cibulski (13) und ihr Bruder Collin (12) bereits im Homeschooling. Beide wohnen in Bergkamen, besuchen allerdings die Marga-Spiegel-Sekundarschule (MSS) in Werne. Ihr Schulweg ist aktuell also deutlich kürzer - aber das ist letztlich der einzige Vorteil, den die beiden und ihre Mutter Kathrin (38) in dem digitalen Distanzunterricht sehen. Statt zur Bushaltestelle geht’s morgens nun halt direkt an den Schreibtisch. So viel zu den positiven Aspekten.
„Wir können jetzt länger schlafen. Aber wir würden viel lieber zur Schule fahren. Dann könnten wir unsere Freunde endlich mal wieder live sehen“, sagt Samantha. Ihr Bruder nickt: „In der Schule kann man auch viel besser lernen als im Homeschooling.“
Manchmal machen nur wenig Schüler mit
Warum das so ist, dafür gibt es viele Gründe. Zum Beispiel die Art und Weise, in der die täglichen Videokonferenzen ablaufen. „Da machen dann aus der ganzen Klasse manchmal nur vier oder fünf Schüler mit“, erklärt Collin. Der Rest logge sich morgens ein und lege sich dann wieder ins Bett oder zocke Videospiele. Das sei zumindest die Vermutung, die einer seiner Lehrer bereits geäußert habe. Auch das Arbeiten in Kleingruppen, worauf man an der MSS auch in Zeiten der Pandemie großen Wert lege, löse dieses Problem nicht wirklich.
Kathrin Cibulski (38) mit Collin und Samantha. Sie meinen: Das Homeschooling ist kein adäquater Ersatz für den analogen Unterricht. © Felix Püschner
„Ich lerne eigentlich lieber alleine. Dann werde ich wenigstens nicht so gestört“, sagt Collin. Seine Mutter hat ebenfalls schon so einiges vom Unterrichtsalltag mitbekommen. Und das sei „nicht immer feierlich“. Bei manchen Schülern sei einfach noch nicht angekommen, dass es sich um echten Unterricht handelt. Da gebe es einige Störenfriede, die auch vor Beleidigungen in Chats nicht zurückschrecken.
Und wenn die Eltern nicht gleichzeitig mit ihren Kindern zuhause sind, dann fehle eben die Kontrollinstanz. „Ich bin gerade Mutter und Lehrerin zugleich. Da kann es auch schon mal ein bisschen Zoff geben. Im Großen und Ganzen machen meine Kinder das aber ganz gut“, sagt Cibulski.
Lehrer der MSS machen guten Job
Einen guten Job machen aus Sicht der Familie aber auch die Lehrer der MSS. Die seien „echt top“ und bemühten sich, einen strukturierten Unterricht zu geben. Dass das nicht immer funktioniert, liege eher an der Technik und an besagten Unruhestiftern. „Am Laptop oder Tablet zu sitzen ist schon etwas anderes, als im Präsenzunterricht, wo der Lehrer vorne steht und den Schülern sagt, was sie machen sollen“, betont Cibulski.
Das Zeugnis für die Lehrkräfte sieht im Falle der Familie aus Bergkamen deutlich besser aus als das, das die Werner Schüler und Eltern ihnen im Rahmen unserer großen Umfrage zum Stand der Digitalisierung an Schulen in unserer Region ausgestellt haben. Den digitalen Unterricht ihrer Lehrer bewerteten die Werner Teilnehmer auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 10 (hervorragend) durchschnittlich mit 4. Collin legt sich hingegen auf eine 8 fest, Samantha sogar auf eine stolze 9,5. Besser geht‘s kaum.
Aber heißt das auch, dass der digitale Unterricht ein vollwertiger Ersatz für den normalen Unterricht sein kann? Bei dieser Frage fiel die Bewertung der Umfrageteilnehmer auf der Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (voll und ganz) durchschnittlich mit einer 4,5 aus. Samantha sieht das völlig anders: „Eher minus 1“, schießt es aus der 13-Jährigen heraus.
Lehrer an der MSS bemühen sich - dennoch gibt es Probleme
Denn trotz aller Bemühungen von Schule und Lehrkräften gibt es eben eine ganze Reihe von unerfreulichen Dingen. Dazu gehört unter anderem die Technik. Bei vielen Schülern und Lehrern sei beispielsweise das W-Lan schlecht. Gerade bei Präsentationen und Videos sei es oftmals überlastet. Zudem bringe die ein oder andere App durchaus ihre Tücken mit sich. Mal erschienen plötzlich ungebetene Gäste in den Videokonferenzen, mal stellte sich heraus, dass eine nicht geschlossene App dauerhaft den Ton überträgt und somit jeder unbeabsichtigt auch außerhalb der Schulzeiten Einblicke in sein Privatleben geben kann.
Collin Cibulski hat nicht nur gute Erfahrungen mit dem digitalen Unterricht gemacht. © Kathrin Cibulski
Hinzu kommt, dass es natürlich nicht nur ein oder zwei Apps für den digitalen Unterricht gibt, sondern ein durchaus breites Repertoire. Kathrin Cibulski beginnt aufzuzählen: „Zoom, Jitsi Meet, Schoolfox, dann kommen noch Padlets hinzu...“ Im Endeffekt verliere man allmählich den Überblick. Und vermutlich geht das auch schon dem ein oder anderen Lehrer so.
Das wäre zumindest ein mögliche Erklärung dafür, dass Samantha sagt, dass sie im Homeschooling deutlich mehr Aufgaben bekommt als im Präsenzunterricht. „Wir drucken hier auch schon mal 40 Seiten aus“, sagt Kathrin Cibulski. In dem Ausmaße würde man so etwas sicherlich nicht in der Schule machen.
An einigen Stellen noch eher oldschool-mäßig unterwegs
Trotz zahlreicher Apps geht es bei den Arbeitsblättern noch eher oldschool-mäßig zu: Ausdrucken, ausfüllen, abfotografieren und per Mail zurück an den Lehrer schicken. Da scheint es noch Ausbaubedarf zu geben. Und das gilt ebenfalls für die digitale Ausstattung. Denn die Marga-Spiegel-Schule gehört noch nicht zu den Bildungseinrichtungen, die mit Tablets für die Schüler gesegnet sind. Damit steht sie jedoch freilich nicht alleine dar.
Das lässt ebenfalls ein Blick in unsere Umfrage vermuten. Denn dort gaben 72 Prozent der Teilnehmer an, ihr Kind habe kein digitales Endgerät von der Schule erhalten. Auch im Falle der Cibulskis ist das so. Man nutzt private Tablets und Laptops - und hofft, dass die noch eine Weile halten: „Wenn unsere Geräte kaputt wären, wüsste ich nicht, ob die Schule ad hoc mal eben zwei Leihgeräte für uns hätte“, sagt die 38-jährige Mutter.
Der Einsatz von digitalen Hilfsmitteln sei bis zum ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr noch Neuland gewesen, wie Samantha erklärt. So etwas habe man früher höchstens mal im Informatikunterricht genutzt. Und auch diese Einschätzung entspricht in etwa der, die wir im Rahmen unserer Umfrage bekommen haben. Da gaben 58 Prozent der Teilnehmer an, dass digitale Hilfsmittel - zu denen wir auch E-Mails, Apps, Lernsoftware und Messengerdienste gezählt haben - vor der Corona-Krise selten oder sogar nie zum Einsatz gekommen seien.
Dennoch: Wenn Familie Cibulski jetzt einen Wunsch frei hätte, dann wäre es nicht der nach einer häufigeren Verwendung digitaler Hilfsmittel. „Wir wollen einfach wieder in die Schule“, sagt Collin. Auch wenn es zunächst mal nur in Kleingruppen ginge. Seine Mutter stimmt ihm zu - und hat noch eine Ergänzung parat, die sie mit einem herzhaften Lachen vorträgt: „Ich bin auch dafür, dass Mütter nach dem Lockdown eine kostenlose Reha auf den Malediven für sechs Wochen machen dürfen. Das wär doch mal was.“
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