Backsteine vom Pütt und Hilfe von der Kaiserin So entwickelte sich die evangelische Gemeinde in Werne

Von Heidelore Fertig-Möller
Mit Unterstützung der Kaiserin: So entwickelte sich die evangelische Gemeinde
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Wie man im Kalender nachlesen kann, ist am nächsten Sonntag (26. November) Totensonntag. Es ist immer der letzte Sonntag vor der Adventszeit und wird vor allem in der evangelischen Kirche als stiller Feiertag begangen, an dem der Verstorbenen gedacht wird und an dem auf dem Friedhof die Gräber geschmückt werden, so wie bei den Katholiken an Allerheiligen / Allerseelen zu Beginn des Novembers.

Ein guter Anlass, um einmal in die Geschichte der evangelischen Gemeinde in Werne zu blicken, die noch nicht so alt ist und keinesfalls an die über 1200-jährige der Katholiken in Werne heranreicht. Gerade einmal 200 Jahre ist es her, dass die ersten Evangelischen nach Werne kamen und das meist noch nicht einmal freiwillig.

Da Werne, als 1803 das Oberstift Münster aufgelöst und zunächst preußisch wurde, dann französisch und schließlich 1815 endgültig an Preußen fiel, um jene Zeit ausschließlich katholische Einwohner hatte, außer sieben Judenfamilien, wie es in einen Urkunde heißt, versuchte man in Berlin, evangelische Staatsbeamte in das katholische Münsterland zu versetzen.

Geburtenverhältnis lag bei 648 zu 1

So erging es auch dem Vater von Antonie Jüngst, unserer Ehrenbürgerin, Wilhelm Jüngst, der als preußischer Steuereinnehmer von Berlin nach Werne beordert wurde und dort seine katholische Ehefrau Franziska Waldeyer kennenlernte, sie heiratete und zwölf Kinder bekam, die allerdings alle im katholischen Glauben erzogen wurden.

1821 standen 15 evangelische Einwohner 1555 katholische in Werne entgegen – bis 1845 gab es in Werne-Stadt nur eine einzige evangelische Geburt gegenüber 648 katholisch getauften Kinder. Die wenigen evangelischen Christen trafen sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Gastwirtschaft Heinrich Rohe nahe des Kapuzinerklosters zu ihren Gottesdiensten und Versammlungen. Die offiziellen Amtshandlungen wurden damals vom Pfarrer aus Herringen vollzogen, denn dort, jenseits der Lippe, waren seit der Reformation im 16. Jahrhundert fast alle Bewohner protestantisch.

Diese von Kaiserin Auguste gestiftete Bibel ist noch heute in Gebrauch.
Als sie eine Bittschrift vom Werner Kirchbauverein erhielt, in der um die notwendige Ausstattung einer jeden evangelischen Kirche gebeten wurde, sandte die Kaiserin eine Bibel mit eigener Widmung, die noch heute in Gebrauch ist, nach Werne. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Um 1890 lebten dann doch schon 208 evangelische Christen in Werne und diese wurden von der Gemeinde in Rünthe aus verwaltet. Nach der Abteufe von Schacht I und II der Zeche Werne 1899 kamen in den darauffolgenden Jahren Tausende von Bergleuten aus Schlesien, Ostpreußen und Pommern nach Werne und die Zahl der evangelischen Christen nahm immer mehr zu.

So wurde schließlich im Jahre 1900 ein Kirchbauverein gegründet und 1903 schenkte die Ur-, Urenkelin von Freiherr vom Stein, die evangelische Gräfin von Kilmannsegge zu Kappenberg, der Gemeinde ein Grundstück in unmittelbarer Nähe der Stadt Werne, wie es heißt „einige Gärten vor den Toren der Stadt“, beim ehemaligen Neutor. 1903 begannen dann die Arbeiten an der ersten evangelischen Kirche in Werne, wobei auch viele gebrannte Bausteine aus der Ziegelei der Zeche Werne kamen.

Schon ein Jahr später konnte am 17. Mai 1904 die neue evangelische Stadtkirche feierlich eingeweiht werden. Diese Kirche war eine der wenigen, deren Altarraum nicht nach Osten zeigte und deren ursprünglicher Eingang nicht zur Stadt gerichtet war, sondern nach Evenkamp, dort, wo die meist evangelischen Bergleute wohnten.

Die evangelische Stadtkirche in den 1920er Jahren
Die evangelische Stadtkirche in den 1920er Jahren © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Auguste Viktoria, die letzte deutsche Kaiserin (auch Kirchenguste genannt) verfolgte mit großem Interesse die neuen evangelischen Kirchengründungen nicht nur in der Hauptstadt Berlin, sondern vor allem auch in den katholisch geprägten preußischen Landesteilen wie Westfalen.

Als sie eine Bittschrift vom Werner Kirchbauverein erhielt, in der um die notwendige Ausstattung einer jeden evangelischen Kirche gebeten wurde, sandte sie sogleich eine Bibel mit eigener Widmung, die noch heute in Gebrauch ist, ebenso wie eine silberne Taufschale und das notwendige Abendmahlsgerät nach Werne. Diese Geschenke zählen noch heute zum wertvollsten Inventar der evangelischen Kirche, heute Martin-Luther-Kirche genannt, in Werne.

1952 kam es zur Grundsteinlegung

Erst 1925 wurde ein eigenes Presbyterium gewählt, das in einer evangelischen Gemeinde über fast alles bestimmt, was in der Gemeinde so geschieht, zum Beispiel die Wahl eines Pfarrers, die Regelung der Finanzen usw. Selbständig war Werne aber immer noch nicht. Die Kirche gehörte weiterhin zu Rünthe. Ein Jahr später wurde die Übertragung der Kirche und des Grundstückes an die Kirchengemeinde Werne offiziell genehmigt – die Zahl der evangelischen Christen betrug zu jener Zeit ca. 2000.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg von 1945 bis 1949 durch den Zuzug von Vertriebenen und Flüchtlingen die Zahl der evangelischen Christen sprunghaft an, so dass 1948 endlich ein eigener Pfarrer vom Werner Presbyterium gewählt wurde. Anfang der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde dann eine Vergrößerung der evangelischen Stadtkirche notwendig – 1952 kam es zur Grundsteinlegung und ein Jahr später konnte der Anbau, der auch eine Wohnung für den Küster bereithielt, eingeweiht werden - der Eingang wurde bei dieser Erweiterung an die Seite verlegt, wie es heute noch ist.

Zuletzt Rückgang der Mitgliederzahlen

Im Jahre 1955 konnte die evangelische Kirchengemeinde Werne endlich die volle Selbstständigkeit erringen und wurde dem Kirchenkreis Hamm zugeteilt. 1969 und 1976 errichtete man zwei weitere Gemeindezentren am Ostring und in Stockum, das 1975 zu Werne eingemeindet wurde, doch die Hauptkirche blieb immer die später in Martin-Luther umbenannte Stadtkirche vor den Toren des historischen Stadtkerns von Werne, wo auch ein großes evangelisches Gemeindezentrum im Jahre 1985 entstand.

In den 1990er Jahren gab es dann in Werne neben den drei Kirchen bzw. Gemeindezentren auch drei hauptamtliche Pfarrer, drei Pfarrhäuser, einen evangelischen Friedhof und drei evangelische Kindergärten bei ca. 8.000 Gemeindeglieder. Das ist heute nicht mehr der Fall, denn da die Zahl der Evangelischen auch in Werne gesunken ist, wurde das Gemeindezentrum in Stockum geschlossen und auch die Zahl der Pfarrerinnen und Pfarrer reduziert.

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