Der Name „Werne an der Lippe“, der vor ein paar Jahren als Ortseingangsschild vom Heimatverein Werne vorgeschlagen, dann aber vom Rat abgelehnt wurde, zeigt die Bedeutung, die dieser Fluss für unsere Geschichte hat. Die Römer fuhren vor 200 Jahren auf ihm, um das „freie“ Germanien zu erobern, was ihnen allerdings nicht gelang. Sie benutzen die Lippe als „Straße“ durch das fast undurchdringliche Wald- und Sumpfgebiet.
Im frühen Mittelalter siedelten die ersten germanischen Stämme entlang der Lippe, denn dort gab es Wasser, Fischfang und manchmal auch Furten oder Brücken, um auf die andere Seite zu gelangen. Der Fluss, einer der längsten in Nordrhein-Westfalen, war noch gänzlich unberührt von den menschlichen Einflüssen und Veränderungen, denen er vor allem in den letzten zwei Jahrhunderten ausgesetzt war und bis heute ist - unter anderem mit Begradigungen und Stauwehren, um die es zur Zeit große Diskussionen gibt.
So geschah es „in pago dregini in villa quae dicitur werina“ (im Dreingau, in der Siedlung, die Werne genannt wurde) im Jahre 803 n. Chr., dass Liudger, der erste Bischof von Münster (der später heiliggesprochene Ludgerus) an der Stelle, wo heute die Werner Christophorus-Kirche steht, eine kleine Kapelle errichten ließ, um die gerade zum Christentum gekehrten Brukterer, ein Teilstamm der Sachsen, in ihrem neuen Glauben zu stärken.

Aus diesem Grunde gehörte Werne zum Stift Münster, das sich in späteren Jahrhunderten noch bis fast zur Nordsee ausdehnen sollte, bis zum Jahre 1803, also 1000 Jahre lang. Die Lippe, die zu jener Zeit wahrscheinlich wesentlich näher an der Stadt Werne lag, bildete von Anfang an die Grenze zwischen dem Oberstift Münster, einem geistlichen Territorium mit dem Bischof, später Fürstbischof, an der Spitze und der weltlichen Grafschaft Mark.
Im Jahre 1253 wurde die Lippe bzw. die Christophorusbrücke, der einzige Übergang weit und breit, ganz in der Nähe von Werne zu einem überregionalen Treffpunkt der Bürgermeister von Münster, Dortmund, Soest und Lippstadt. Dort wurde der sogenannte Werner Bund geschlossen, eines der ersten westfälischen Städtebündnisse und der Vorläufer der westfälischen Hanse.
In diesem Vertrag, dessen Original im Stadtarchiv Dortmund lagert, wurde festgelegt, dass die vier Städte sich gegenseitig gegen das Raubrittertum wehren sollten und sich unterstützen, wenn sie in arge Bedrängnis kämen. Dieser Bund, auch wenn andere Städte dazukamen oder austraten, blieb bis zum Ende des Mittelalters in Kraft.

Wie im Werner Bürgerbuch und in den Archivalien nachzulesen ist, kam es bereits im 13. und 14. Jahrhundert zu Grenzstreitigkeiten zwischen den Bischöfen Gerhard und Everhard mit den mächtigen Grafen von der Marck um die Ortschaften an der südlichen Grenze des Oberstifts, zum Beispiel Lünen und Werne, so dass 1302 Befestigungsanlagen notwendig wurden. Und so veranlasste Bischof Otto von Ritberg die erste Mauer um den Werner Kirchhof herum. Endlich im Jahre 1383 wurde Werne dann mit einem Zaun und Graben umgeben und es erhielt vom Bischof Heinrich von Münster das sogenannte Wigbold-Recht, eine Art minderen Stadtrechts.
Steinerne Mauer kostete eine stolze Summe
Im Jahre 1400 merkte man dann, dass diese Art von Befestigung die Grafen von der Marck keineswegs abhielt, über die Lippe zu setzen und Werne zu überfallen. Sie kamen mitten im Sommer und branntschatzten und plünderten, den Kirchhof, die Spycker (Speicher) und vieles mehr, wie es im Bürgerbuch heißt. Daraufhin ermunterte Bischof Otto IV. den Werner Stadtrat, endlich mit einer steinernen Mauer zu beginnen. Dieser Bau dauerte von 1415 bis 1502 und kostete laut Bürgerbuch 2374 Mark, eine immens hohe Summe für den Stadtsäckel. Nach Fertigstellung von Mauer, doppeltem Wall- und Grabensystem hatte Werne einige Zeit Ruhe an der südlichen Grenze zur Lippe.
Doch im 30-jährigen Krieg (1618-48) mit bezahlten Söldnern, Gewehren und Kanonen nützten die Befestigungsanlagen nichts mehr und wurden im Laufe des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen und die Steine an den Meistbietenden verkauft. Die Lippe spielte nun als Grenze kaum noch eine Rolle. Erst als die Industrialisierung kam und mit ihr der Aufschwung des Ruhrgebietes, trat die Lippe als Transportweg wieder in Erscheinung.
Über diese interessante Phase der Begradigungen für die Schifffahrt, den Bau eines fast parallel laufenden Kanals (Datteln-Hamm-Kanal) und die Ansiedlung von Kraftwerken an der Lippe im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts berichten wir im dritten Teil unserer kleinen Serie rund um die Lippe.
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