
© Förderverein Stadtmuseum
Der erste Weihnachtsbaum unter Tage war krumm und schief
Abschied vom Bergbau
Im letzten Teil unserer Werner Serie über den Abschied vom Bergbau befassen wir uns, passend zur Jahreszeit, mit den Weihnachtsbräuchen rund um die Zeche Werne.
Auch in den Bergarbeiterfamilien wurde Weihnachten gefeiert, in denen vor allem, wie fast überall, ein gutes Essen auf den Tisch kam. Die evangelischen Familien begannen das Christfest schon am 24. Dezember, an Heiligabend, während in den katholischen erst nach der Christmette, meist morgens am Ersten Weihnachtstag, die Geschenke verteilt wurden.
Der Tannenbaum als geschmückter Weihnachtsbaum war in Teilen von Westfalen schon Anfang des 20. Jahrhunderts in der „Guten Stube“ anzutreffen – vor allem aber hielt er Einzug in die Wohnzimmer nach dem Ersten Weltkrieg ( 1914-1918 ), als die deutschen Soldaten von der Front oder aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause zurückkehrten.

Über den Schacht III in Rünthe, der zur Zeche Werne gehörte, fand Anfang der 1950er-Jahre erstmals ein Weihnachtsbaum den Weg unter Tage. © Förderverein Stadtmuseum
In den Schützengräben, wenn sie dort mit Soldaten aus allen deutschen Landesteilen zusammenlagen, wurde oft von den Sitten und Gebräuchen von zu Hause erzählt und so war auch der geschmückte Tannenbaum zu Weihnachten oft ein Gesprächsthema.
Felix Vehring, langjähriger Bergmann auf der Zeche Werne, und nach seiner Pensionierung Vorsitzender des Heimatvereins Werne, berichtete in der Geschichtswerkstatt, die als Thema im Jahr 1999 die hundertjährige Geschichte der Zeche Werne beinhaltete und aus diesem Grund auch eine große Sonderausstellung im Museum vorbereitete, folgende kleine Episode über den ersten Weihnachtsbaum auf der Zeche Werne unter Tage:

Der frühere Vorsitzende des Heimatvereins, Felix Vehring, schrieb im Jahr 1999 die Geschichte um den ersten Weihnachtsbaum unter Tage auf der Zeche Werne auf. © Tina Nitsche (A)
„Es war im Anfang der 50er-Jahre in der Adventszeit. Auf der Schachtanlage Werne I und II und Schacht III in Rünthe wurden verbilligt Weihnachtsbäume angeboten. Zu der Zeit fuhr ich in Rünthe ein – dort wurden fast alle Bäume verkauft.
Ein einziger blieb über. Das war nicht verwunderlich, daß dieser Baum nicht verkauft wurde; denn er war so krumm und schief, so daß der Baum in keinem Baumständer eine gute Figur abgeben würde. So lag der Baum tagelang auf dem Zechenplatz. Der Wind spielte mit ihm und rollte den Baum von einer Ecke in die andere.
Eines Tages war der Baum weg. Es wird ihn wohl einer mitgenommen haben, um ihn zu Hause zu verheizen. Aber es war nicht so. Der Schachtanschläger unter Tage hatte den Baum zur 730 Meter Sohle mitgenommen. Keiner hatte etwas davon gemerkt. Aus dem Untertagemagazin besorgte er sich Messer, Bohrer, Nägel und Schießdraht.
Klammheimlich hat der Anschläger die Äste und Zweige feinsäuberlich vom Stamm getrennt und hielt dann den kurvenreichen, nackten Stamm in der Hand. Nun wurden Löcher in den Stamm gebohrt, die Äste und Zweige angeschärft, das heißt Äste und Zweige wurden angespitzt und in die Löcher eingeschoben. Der Schießdraht hielt die Äste aufrecht. Das war nun alles so fest, so daß der starke Wetterstrom unter Tage dem Baum nichts anhaben konnte.
Es war kurz vor Weihnachten, als auf einmal ein kleiner schmuckloser Weih-nachtsbaum mitten in der Strecke stand. Kumpel, die eine leere Kautabakschachtel hatten, hängten diese in den Baum. Nach und nach kam noch etwas Lametta dazu. So verbrachte dieser kleine Baum, den keiner haben wollte, das Weihnachtsfest unter Tage.
Es vergingen die Jahre und zur Advents- und Weihnachtszeit wurde nun immer ein Weihnachtsbaum aufgestellt, größer und schöner. Den Kautabakschachteln folgten Christbaumkugeln und noch mehr Lametta. Die Bäume waren herrlich anzusehen. Mit der Zeit hatten andere Schachtanlagen davon gehört und stellten auch einen Weihnachtsbaum auf, aber nur dort, wo Personenförderung war.“