Andreas Nozar führt das Stilvoll im Rathaus in Werne. Auf die Staatshilfen wartet auch er noch. © Mario Bartlewski (Archiv)
Corona
Coronahilfen in Werne: Viele Unternehmer warten noch - und zeigen sich kreativ
Liefern, Abholen, Warten auf die Staatshilfen. Die krisengeplagten Unternehmen pendeln zwischen Hoffnung und Sorge. Das gilt auch für die Gastro- und Lebensmittelbranche in Werne. Hier zeigt man sich dennoch kreativ.
In der vergangenen Woche, da habe er die zweite Hälfte der Novemberhilfe bekommen, erzählt Andreas Nozar, Inhaber des Stilvoll im Rathaus. Schlappe 82 Seiten habe sein Steuerberater dafür ausfüllen müssen. Zwangsläufig - denn wer keinen Fachmann an seiner Seite hat, der kann die jüngsten staatlichen Hilfen gar nicht erst beantragen. Und selbst wenn er es könnte, wäre er damit wahrscheinlich überfordert. „Das läuft leider alles nicht so unbürokratisch, wie erhofft. Ich bin aber froh, dass es diese Hilfen überhaupt gibt. Ohne die hätten wir nämlich große Probleme“, sagt Nozar.
Der Gastronom ist einer von vielen Unternehmern, die in Zeiten der Pandemie wohl flexibler und kreativer sein müssen als je zuvor, um irgendwie über die Runden zu kommen. Und geduldiger. Denn die versprochenen staatlichen Hilfen lassen in vielen Fällen auf sich warten. Teilweise werden sogar Rückzahlungen fällig. Kaum verwunderlich, dass das Stimmungsbarometer bei den Betroffenen stets irgendwo zwischen Zuversicht und Sorge pendelt. Je nach Einzelfall schlägt die Messnadel mal in die eine, mal in die andere Richtung aus.
Stilvoll im Rathaus in Werne bietet jetzt Lieferservice
Das tut sie auch bei Nozar: „Wir zehren von unseren Rücklagen. Noch passt das. Aber wir müssen schauen, was die nächsten Monate bringen.“ Denn irgendwann seien natürlich auch besagte Rücklagen aufgebraucht. Dass die Rechnung mit Blick auf die vielen Hilfspakete nicht aufgeht, hatte erst kürzlich der Werner Hotelier Horst Nußbaum im Gespräch mit unserer Redaktion veranschaulicht.
Das Resümee: Letztlich kommt bei den Unternehmen nicht das an, was ursprünglich angekündigt wurde - auch weil die Regierung bei den Hilfsprogrammen immer mal wieder nachjustieren und die Konditionen anpassen musste.
Friedrich Telgmann von der gleichnamigen Konditorei hat sein Angebot erweitert. © Helga Felgenträger (A)
Andreas Nozar, der neben der Novemberhilfe im Frühjahr 2020 bereits die Soforthilfe beantragt und rund drei Monate später auch erhalten hatte, klingt noch optimistisch. Das liege einerseits daran, dass er sich über eine Insolvenz derzeit noch keine Gedanken machen müsse - andererseits hat die Stimmungslage etwas mit einem neuen Angebot zu tun. Denn das Stilvoll im Rathaus bietet inzwischen einen Lieferservice an. Und der kommt bei den Kunden offenbar gut an. Zumindest der Start an den vergangenen beiden Wochenenden verlief vielversprechend.
Zwischen 18 und 20 Uhr habe er bis zu 15 Auslieferungen gehabt, sagt Nozar. Und bei den Gerichten habe es sich nicht bloß um Schnitzel und Pasta gehandelt: „Die Leute wollten tatsächlich auch Schmorhaxe und Rehgulasch.“ Ein bisschen überrascht klingt der Gastronom schon, als er davon berichtet. Vielleicht liege es daran, dass die Leute mal etwas Abwechslung zu Pizza, Nudeln und Co. suchten.
Nozar kann das nur recht sein. Zumal das bisherige Abholservice-Konzept nach den Weihnachtsfeiertagen nur noch äußerst schleppend lief. Dass Kunden zum Stilvoll im Alten Rathaus am Marktplatz kamen, um ihre Speisen abzuholen, kam zuletzt vergleichsweise selten vor.
Friedrich Telgmann von der Konditorei Telgmann beobachtet einen gegensätzlichen Trend. Lag der Schwerpunkt während des ersten Lockdowns noch auf dem Lieferservice, gebe es nun wesentlich mehr Abholer als früher. Dabei hat die Konditorei ihr Angebot sogar ausgebaut. Von der Praline bis zur Torte ist im Prinzip alles auf Bestellung zu haben. Ganz neu ist der Frühstückslieferservice am Sonntag. „Wir wollten unser Sortiment auf keinen Fall einschränken. Wir sind ja froh, dass wir arbeiten dürfen“, sagt Telgmann. Auch er hat bereits staatliche Hilfen erhalten - aber noch nicht in vollem Umfang.
In Maria’s Taverne herrscht griechische Gelassenheit
Georgios Stylianidis, Inhaber von Maria’s Taverne, setzt seit November ausschließlich auf einen Abholservice. Zuvor habe er auch einen Lieferservice angeboten, aber vor allem an den Wochenenden gebe es dafür nicht die nötigen Kapazitäten. „Wir sind ja nur zu dritt und bereiten alles frisch zu. Unsere Kunden können telefonisch vorbestellen und dann im Zehn-Minuten-Takt ihre Speisen abholen. Dann wird es hier auch nicht zu voll“, erklärt Stylianidis.
Georgios Stylianidis setzt voll auf einen Abholservice. © Jörg Heckenkamp (A)
Wenn es um die staatlichen Hilfen geht, kann der Gastronom nicht klagen. Weder heute noch vor gut einem Jahr. Die Novemberhilfe habe er bereits erhalten. Und sogar die 9000-Euro-Soforthilfe sei damals knapp eine Woche nach Antragstellung auf dem Konto gelandet.
Besorgter zeigt sich hingegen Mohammed Amer, Inhaber von Onkel Mo‘s Grill in Stockum. Der sagt ganz klar: „Wir kämpfen ums Überleben. Auch wenn wir nach wie vor etwas zu tun haben. Uns hat es nicht so schlimm erwischt wie andere - aber die Hilfen waren leider nicht immer wirklich eine Hilfe.“
Den großen Fleischspieß benötigt Mohammed Amer, Inhaber von Onkel Mo‘s Grill in Stockum, momentan nur an den Wochenenden. Das war früher mal anders. © Felix Püschner
So habe er beispielsweise die November- und Dezemberhilfen gar nicht erst beantragt, weil es sich nicht gelohnt hätte. Der Grund: Bei der Höhe der Zuschüsse hätten längst nicht alle Einnahmen eine Rolle gespielt, die er in den Vorjahresmonaten erzielt hatte. Nur das, was die Kunden damals direkt vor Ort im Imbiss verspeisten, wäre in die Berechnung mit eingeflossen.
Rabattaktion für Kunden bei Onkel Mo‘s in Stockum
Dummerweise fehlen nun aber nicht nur diese Kunden. Auch die Zahl der Selbstabholer ist zurückgegangen. Das liegt zum einen an der Pandemie, zum anderen aber auch am Wetter. Denn wer steht schon gerne draußen im Regen, um sich Schawarma und Falafel abzuholen?
Dennoch gibt es bei Onkel Mo’s erneut eine Dankeschön-Aktion: Nachdem Amer den „Alltagshelden“ wie Feuerwehrleuten im November bereits 20 Prozent Rabatt auf seine Gerichte gewährt hatte, bekommen nun alle Kunden im Februar 10 Prozent. „Die Pandemie betrifft uns schließlich alle. Viele Leute haben ihre Jobs verloren und haben nur noch wenig Geld“, sagt Amer. Auch das ist eine Hilfe - aber keine staatliche.
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