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Werne und das Virus: Die Corona-Chronologie im Rückblick (Teil 3)
Coronavirus in Werne
Das Jahr 2020 stand im Schatten der Pandemie. Auch Werne blieb von schlimmen Ereignissen rund um das Virus nicht verschont. In unserer Chronologie erklären wir, wie Corona sich auf die Lippestadt ausgewirkt hat. Teil 3 beginnt im November 2020.
Geht das denn schon wieder los? Wie konnte das passieren? Wie schlimm wird es diesmal – und wie können wir die Lage in den Griff bekommen? All das sind Fragen, die sich viele Werner im November 2020 stellen. Es herrscht Murmeltiertag-Stimmung. Doch anders als in der Filmkomödie mit Bill Murray aus dem Jahr 1993, in der der Protagonist ein und denselben Tag immer wieder aufs Neue erlebt, hat die Situation in der Lippestadt keine amüsanten Züge. Das Sommerhoch ist längst vorbei. Stattdessen ziehen am Himmel dunkle Pandemie-Wolken vorbei.
Aufgrund der zuletzt stark gestiegenen Zahl an Corona-Neuinfektionen hat die Regierung einen zweiten Lockdown beschlossen. Diesmal in einer Light-Version ab dem 2. November. Das bedeutet unter anderem, dass Kinos, Kulturbetriebe und Co. nun wieder lahmgelegt sind. Gleiches gilt für die Gastronomie, die nun vorerst ausschließlich auf den Abhol- und Lieferservice setzen kann. Schon wieder.

Frank Langer, Inhaber des Fitnessstudios Feel Fit, hat eine App produzieren lassen. Mit "Feel Fit Digital" werden Online-Kurse und Übungen mit persönlicher Beratung kombiniert. © Andrea Wellerdiek
„Das ist für uns eine Katastrophe“, schimpft Siggi Baumhove vom gleichnamigen Hotel- und Restaurantbetrieb am Markt. Vor allem, weil die Wirte offenbar als Sündenböcke herhalten müssten, obwohl sie nachweislich nicht die Treiber für hohe Infektionszahlen seien. Bettina Schriever vom Stadthotel im Kolpinghaus stößt ins gleiche Horn: „Wir sind die Dummen und werden bestraft, obwohl wir nichts falsch gemacht haben.“
Man habe in Sicherheitsmaßnahmen investiert, das Ordnungsamt habe bei seinen Kontrollen nichts zu beanstanden gehabt – und dennoch müsse man nun schließen. Spätestens jetzt sei die Lage existenzbedrohend. Auch in anderen Branchen ist der Ärger groß. „Wenn es irgendwo sicher ist, dann hier“, sagt etwa Frank Langer, Mitinhaber des Fitness-Studios Feel-Fit, mit Verweis auf die verschärften Hygienemaßnahmen, die auch hier schon länger gelten.

Der Einzelhandel darf zu diesem Zeitpunkt noch mit Einschränkungen geöffnet bleiben. Doch die Auswirkungen des zweiten Lockdowns bekommen auch die Geschäftsleute deutlich zu spüren. Der Grund ist recht simpel, wie Hubertus Waterhues, Inhaber von Bücher Beckmann, erklärt: „Wenn die Cafés und Kneipen dicht sind, dann ist es geradezu gespenstisch leer in der Stadt.“ Und das bedeutet natürlich ebenso für die Geschäfte weniger Kundenverkehr – und weniger Umsatz.
Auch an den Werner Schulen spitzt sich die Situation zu. Stand Mitte November sind fast alle Bildungseinrichtungen bereits von Corona-Infektionen betroffen. Neben der Uhlandschule sowie der Wiehagenschule und der Kardinal-von-Galen-Schule hat es bereits die Marga-Spiegel-Sekundarschule, das Anne-Frank-Gymnasium und das Gymnasium St. Christophorus erwischt. Am GSC ist daher fast die gesamte Q2-Stufe in Quarantäne geschickt worden. Derweil werden die Schulleitungen – mal wieder – von einer Entscheidung der Landesregierung überrumpelt.
Schulen in Werne werden einmal mehr vom Land überrumpelt
Die Weihnachtsferien sollen zwei Tage früher beginnen, heißt es aus Düsseldorf. Die Schulleiter erfahren davon allerdings nicht auf offiziellem Wege, sondern aus den Medien. Das Gute: Während die Schulen bis dato schon mehrfach „von heute auf morgen“ neue Reglungen umsetzen mussten, haben sie nun gut einen Monat Zeit, um sich zu organisieren. Dennoch bleibt die Kommunikation zwischen Ministerium und Schulen ausbaufähig.
Am 24. November folgt der nächste Rückschlag für die Einzelhändler: Aufgrund eines Erlasses der Landesregierung wollten die Werner Geschäftsleute eigentlich vier verkaufsoffene Sonntage vor Heiligabend anbieten. Doch nun stoppt ein Gerichtsurteil diese Pläne – und sorgt für Enttäuschung. „Wir nehmen dieses Urteil mit Bedauern zur Kenntnis“, erklärt Michael Zurhorst, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Wir für Werne: „Leider wird bei dem Urteil ganz NRW über einen Kamm geschert“.
Die Situation in Großstädten sei mit der in Werne oder anderen kleinen Kommunen ja nicht zu vergleichen. Hier könnte man das Einkaufsgeschehen an Sonntagen sicherlich in pandemiegerechte Bahnen lenken. Das Oberverwaltungsgericht in Münster sieht das offensichtlich anders und macht die Planungen der Händler zunichte.

Elina Grötzinger, Leiterin der Station 5, am Eingang zum Isolierbereich des Christophorus-Krankenhauses in Werne. © Jörg Heckenkamp
Quasi zeitgleich zu dieser Entscheidung feilen Bund und Länder an einem Update der Coronaschutzverordnung. Die Zahl der Neuinfektionen ist nach wie vor alarmierend. In Werne meldet der Kreis Unna allein für den Monat November 272 Fälle. Im Christophorus-Krankenhaus werden Ende des Monats bis zu 8 Corona-Intensivpatienten betreut. Insgesamt stehen 14 Intensivbetten für Coviderkrankte zur Verfügung. Das Krankenhaus hat eine seiner Stationen zur Isolier-Abteilung umfunktioniert. Für das medizinische Personal bedeutet die zweite Coronawelle teils ein Arbeiten an der Belastungsgrenze.
Auch in Arztpraxen wird längst anders gearbeitet als vor der Pandemie. Und nun, da die Zahlen wieder steigen, rechnet man auch in Werne allmählich mit einem Ansturm auf die Schnelltests, wie es ihn in anderen Städten bereits gegeben hat. Das erklärt Dr. Hans Piepenbrock, Sprecher der rund 40 niedergelassenen Ärzte in der Lippestadt, Anfang Dezember auf Anfrage unserer Redaktion.

In der Werner Innenstadt herrscht Maskenpflicht. Über eine Ausweitung wurde auch hier im Dezember diskutiert. © Felix Püschner
Zu diesem Zeitpunkt ahnen einige bereits, dass die seit dem 1. Dezember geltende überarbeitete Schutzverordnung bald erneut angepasst werden könnte. Die aktuelle Version beinhaltet unter anderem eine weitere Verschärfung der Kontaktbeschränkungen sowie eine Ausweitung der Maskenpflicht in Innenstädten. Zudem wird über „böllerfreie Zonen“ an Silvester diskutiert – wenngleich letzteres eher in Großstädten für Aufsehen sorgt.
Am 11. Dezember drängt NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schließlich auf einen erneuten harten Lockdown – und kurz darauf einigen sich Bund und Länder auf eben diesen. Am Gymnasium St. Christophorus trudelt am Freitag (12. Dezember) um 13.33 Uhr eine offizielle Mail des Schulministeriums ein. Darin heißt es: Ab Montag (14. Dezember) entfällt der Präsenzunterricht für die Schüler bis zur siebten Klasse. Ab der achten Klasse gilt generell der Distanzunterricht. „Ich konnte mit keinem einzigen Schüler sprechen. Um die Zeit war keiner mehr hier“, sagt GSC-Leiter Thorsten Schröer im Gespräch mit unserer Redaktion. Da ist er also wieder, der Murmeltiertag...
Werne zum Jahresende: Zwischen Gottesdiensten und Feuerwerk
Die mit dem harten Lockdown verknüpfte und ab dem 16. Dezember geltende neue Schutzverordnung betrifft aber nicht nur die Schulen. Auch die Einzelhändler müssen ihre Läden wieder schließen, sofern sie keine Waren des täglichen Bedarfs anbieten. Die Türen von Friseursalons und Baumärkten bleiben ebenfalls dicht – und die letzten Stunden vor dem Lockdown nutzen viele Kunden noch, um sich schnell mit den letzten Weihnachtsgeschenken einzudecken oder um sich den mehr oder weniger dringend erforderlichen frischen Haarschnitt verpassen zu lassen.
Die Kirchen plagen hingegen andere Sorgen. Denn ob und in welcher Form Präsenzgottesdienste an Weihnachten stattfinden können, bleibt lange unklar. Während sich die Evangelische Kirche letztlich dazu entschließt, ihr Angebot gänzlich ins Internet zu verlegen, ermöglicht die katholische Gemeinde in Werne ihren Mitgliedern doch noch den Besuch der Gotteshäuser.

Michael Peters, Inhaber des Geschäfts Ueter, verkaufte weiterhin Pyrotechnik und Leuchtmunition zu Silvester. Das war nicht nur erlaubt, sondern auch nichts Verwerfliches, wie er auf die harsche Kritik erklärte. © Jörg Heckenkamp
Und wie steht‘s um Silvester? Ganz einfach: Der Verkauf von Feuerwerk ist verboten, das Zünden allerdings nicht. Und das beschert Michael Peters vom Traditionsgeschäft Ueter tatsächlich noch ein gutes Geschäft zum Jahresende. Denn die hier angebotene Leuchtspurmunition darf verkauft werden. Die Gelegenheit nutzen nicht wenige Kunden, um die bösen Geister des Jahres 2020 lautstark zu vertreiben. Ein Jahr, das geprägt war von einem Wort: Corona.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
