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Werne und das Virus: Die Corona-Chronologie im Rückblick (Teil 2)
Coronavirus in Werne
Das Jahr 2020 stand im Schatten der Pandemie. Auch Werne blieb von schlimmen Ereignissen rund um das Virus nicht verschont. In unserer Chronologie erklären wir, wie Corona sich auf die Lippestadt ausgewirkt hat. Teil 2 beginnt im Juni 2020.
Werne im Juni 2020: Seit einigen Wochen freut man sich über Lockerungen. Nach und nach kehrt so etwas wie „Normalität“ zurück in den Alltag. Viele Betriebe und öffentliche Einrichtungen können inzwischen wieder Kunden und Besucher empfangen. Nach dem harten Lockdown verspricht der Sommer eine Besserung der Lage. Dennoch ist zunächst einmal Wundenlecken angesagt. Denn finanziell hat die Krise ihre Spuren hinterlassen – in den Kassen der Wirte und Geschäftsleute, in den Portemonnaies der Bürger und im Stadtsäckel.
Anfang Juni präsentiert die Stadt die erste Bilanz. Durch die Coronakrise fehlen im Haushalt mehr als 2,7 Millionen Euro. Das hängt vor allem mit der wegbrechenden Gewerbesteuer zusammen. Wie stark die Werner Händler und Wirte tatsächlich finanziell von der Krise gebeutelt sind, lässt sich allerdings kaum beziffern. Viele können oder wollen es nicht sagen. Ein paar Zahlen stehen im Raum, oftmals heißt es mit Blick auf die Verluste jedoch eher „so ungefähr“. So ungefähr 70 Prozent dürften die Umsatzeinbußen im Vergleich zum Vorjahr betragen, schätzt beispielsweise Heidrun Wagner-Peters vom Reisebüro Wagner.

Eine Achterbahn der Gefühle erlebten Kirmes-Fans rund um Sim-Jü 2020. © Jörg Heckenkamp (Archiv)
Längst hat sich zu diesem Zeitpunkt der Slogan „Sei loyal – kauf lokal“ in der Lippestadt etabliert. Die Werner Wirtschaftsförderung gibt Gutscheine heraus, mit denen Käufer in den Geschäften vor Ort ordentlich Rabatte bekommen. Die Gutscheine sind schnell vergriffen. Bei allem Engagement und bei allem Bestreben nach Optimismus bleibt die Situation jedoch schwierig. Immer wieder gibt es Rückschläge. Zum Beispiel in Sachen Veranstaltungen.
Die Hiobsbotschaft für alle Kirmes-Fans kommt am 17. Juni: Sim-Jü fällt aus! Zumindest mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit. Länder und Bund einigen sich auf ein Verbot von Großveranstaltungen bis Ende Oktober. Das Werner Volksfest soll eigentlich vom 24. bis 27. Oktober stattfinden. Bürgermeister Lothar Christ erklärt daraufhin: „Die Corona-Krise stellt unser Leben komplett auf den Kopf. Die Absage von Sim-Jü ist ein weiterer Punkt, bei dem wir die deutlichen Auswirkungen der Krise erkennen.“
Soweit man es zurückverfolgen kann, ist das Werner Volksfest in seiner 650-jährigen Geschichte noch nie ausgefallen. Und weil Sim-Jü in dieser Zeit quasi Teil der DNA der Lippestadt geworden ist, hat das Statement des Bürgermeisters fast schon Züge einer Rede an die Nation. Bis zur amtlichen Absage der Kirmes dauert es aber noch ganze zwei Monate. Erst am 26. August wird das Sim-Jü-Aus offiziell verkündet.
Maskenpflicht, Einschränkungen, Sicherheitsmaßnahmen, Schutzverordnung – das sind inzwischen Wörter, die man als Reporter rückwärts im Halbschlaf buchstabieren kann. Doch obwohl man täglich davon liest und hört, halten sich längst nicht alle an die Regeln. Für Aufsehen sorgt in Werne unter anderem ein Bußgeld, das die Stadt gegen einen Gastwirt verhängt. Weil dieser gegen die Corona-Auflagen verstoßen und keine Kontaktlisten ausgelegt haben soll, fordert die Stadt im Juli satte 1000 Euro von ihm.
Gastronomie in Werne: Stadt spricht hohe Bußgelder aus
Genauso hoch fiel die Strafe für einen Gastronomiebetrieb rund einen Monat zuvor aus, weil ein Kellner seine Gäste ohne Mundschutz bedient hatte. Die jüngste Strafe kommt einem Weckruf gleich. Denn die Pandemie ist noch längst nicht vorbei – auch wenn die Infektionszahlen in der Lippestadt das vermuten lassen. Denn: Am 1. Juli meldet der Kreis Unna, dass Werne coronafrei ist. Heißt: Inzwischen ist auch der letzte der bis dato 78 infizierten Werner wieder gesundet. Rund dreieinhalb Monate, nachdem der erste Fall gemeldet wurde. Zwei Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sind in diesem Zeitraum gestorben.
Nach gut einem Dutzend Neuinfektionen im Laufe des Monats kommen aus dem Ordnungsamt der Stadt Werne Ende Juli dennoch mahnende Worte: „Es gibt viele, die das Coronavirus ernst nehmen. Aber man hört und stellt auch selber fest, dass die Vorsicht und der Respekt einer gewissen Sorglosigkeit weichen“, heißt es. Leiterin Kordula Mertens betont: „Die Zahlen gehen eher rauf als runter.“ Und natürlich gehe die Arbeit im Krisenstab weiter – auch, als ab Mitte August in Werne für knapp fünf Wochen keine Neuinfektionen gemeldet werden.

Das Straßenfestival wurde im August in die Werner Freilichtbühne verlegt. © Stadtmarketing Werne
Im Hochsommer scheint in der Lippestadt die Sonne – teils sogar im übertragenen Sinn. Die Zahlen stimmen, die Nachrichten rund um das Virus fördern den Optimismus. Beispiele gefällig? Im August kann tatsächlich eine größere Veranstaltung stattfinden, die eigentlich schon abgesagt wurde: das Straßenfestival. Zwar heißt das Event in diesem Jahr ausnahmsweise mal „Straßenkunst“ und findet nicht in der Innenstadt, sondern in der Freilichtbühne statt, doch sorgt es immerhin für einen Lichtblick im Veranstaltungskalender.
Sogar für Kirmes-Fans gibt es nun wieder Hoffnung. Denn direkt, nachdem Stadt und Schausteller Sim-Jü 2020 offiziell absagen, lässt Wernes Bürgermeister durchblicken, dass man an einem alternativen Kirmes-Format unter Corona-Bedingungen arbeite.
Solebad: Besucheransturm in Zeiten von Corona
Solebad-Freunde haben ebenfalls Grund zur Freude. Zumindest theoretisch. Das Wetter ist bestens, das Bad ist geöffnet. Doch gleichzeitig hagelt es Kritik am neu eingeführten Ticketsystem. Die Einrichtung stößt im August an ihre krisenbedingt reduzierten Kapazitätsgrenzen, was zu langen Warteschlangen und frustrierten Badegästen führt.
Verwunderlich ist das kaum. Ganz im Gegensatz zu einem anderen Phänomen: Als die Schule wieder losgeht, sind diesmal nicht nur Eltern froh darüber, sondern auch deutlich mehr Schüler als sonst. Es ist der nächste Schritt in Richtung Normalität, wenngleich natürlich auch in den Schulen besondere Sicherheitsmaßnahmen gelten.
Im Großen und Ganzen fühlt man sich gerüstet. Falls der Versuch des „Regelbetriebs“ trotz ausgeklügelten Hygienekonzepts scheitern sollte, gibt es ja Plan B: Homeschooling. Auch wenn man darauf mit gemischten Gefühlen blickt. Denn einen adäquaten Ersatz zum Präsenzunterricht bieten Tablets und Co. nicht wirklich. Das liegt nicht selten daran, dass es besagte Endgeräte (noch) nicht in ausreichender Zahl gibt.

Mal mit Maske im Unterricht, mal im Homeschooling: Auch die Werner Schüler lernen unter ungewohnten Bedingungen. © picture alliance/dpa
An einer anderen Front wird es allmählich ebenfalls betriebsam: Die Politik startet in die heiße Phase des Wahlkampfes, der am 13. September seinen Höhepunkt finden soll. Im Mittelpunkt stehen dabei die drei Kandidaten für das Amt des Werner Bürgermeisters: Benedikt Striepens (Grüne), Dominik Bulinski (CDU) und der letztlich siegreiche Lothar Christ (parteilos). Auch die Pandemie spielt im Zuge der Diskussionsrunden eine Rolle. Zum übergeordneten Wahlkampfthema avanciert sie aber nicht.
Am 29. September präsentiert die Stadt dann tatsächlich das Alternativ-Event für Sim-Jü. Die „Mini-Sim-Jü“ auf dem Hagen soll – wenig überraschend – deutlich kleiner ausfallen als ihr großes Vorbild. Das Konzept des Schaustellervereins Rote Erde trifft auf große Zustimmung – und wird nur zehn Tage später bereits wieder zu den Akten gelegt. Der Grund: Die aktuelle Corona-Entwicklung im Kreis Unna hat große Sorgenfalten bei den Verantwortlichen aufkommen lassen.
Lockdown trifft im November Gastronomen und Kulturbetriebe
Die seit dem 1. Oktober geltende überarbeitete Coronaschutzverordnung hat zunächst Auswirkungen auf größere Feiern, auch auf private. Die 7-Tage-Inzidenz gerät nun stärker in den Fokus. Am 14. Oktober verschärft der Kreis Unna die Corona-Regeln nochmals.
Das ändert allerdings nichts daran, dass auch in Werne die Zahl der Neuinfektionen deutlich ansteigt. Allein zwischen dem 12. und 30. Oktober werden 65 Fälle gemeldet. Und dann geschieht das, was viele befürchtet haben: Der nächste Lockdown kommt. Diesmal ein „Lockdown light“, der ab November Gastronomie, Kinos und Kulturbetriebe erneut lahmlegt.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
