Der Bürgerentscheid verhinderte ein großes, neues Gewerbegebiet für Werne, das Bürgermeister Christ befürwortet hatte. Die Ablehnung wertet er als starkes Zeichen einer demokratischen Gesellschaft. Das betont Wernes Bürgermeister in dem Video-Interview, das wir kürzlich mit ihm geführt haben - über Themen, die die Lippestadt bewegen. In einer kleinen Serie veröffentlichen wir das Interview hier in mehreren Teilen in geraffter und redigierter Form.
Der Bürgerentscheid zum Gewerbegebiet Nordlippe-Park ist für Sie ein wichtiges Thema gewesen. Es gab große Firmen, die Interesse gezeigt haben. War das ein herber Rückschlag für Ihre Interessen in Sachen Entwicklung von Werne?
Also es ist auf jeden Fall ein herber Rückschlag für die wirtschaftliche Entwicklung in Werne. Werne wird sich anders ohne dieses große Gewerbegebiet entwickeln. Ich gebe unumwunden zu, ich hätte es für richtig gehalten, ein klimafreundliches, modernes Gewerbegebiet zu entwickeln. Aber Demokratie funktioniert. Der Bürgerentscheid war erfolgreich. Das akzeptieren wir natürlich.
Das muss man immer positiv wie negativ sehen. Da müssen wir uns jetzt noch mal zusammenraufen, wie wir die wirtschaftliche Entwicklung auf den Weg bringen wollen. Wir haben bis dato fast alle Bestandsgewerbegrundstücke veräußert. In Kürze verkaufen wir noch zwei kleinere. Dann haben wir in der Nachverdichtung alles das getan, was wir tun konnten. Werne steht wirtschaftlich sehr gut da. Wir haben enorm hohe Gewerbesteuereinnahmen, seit Jahren deutlich über 20 Millionen Euro.
Wie sieht‘s mit den Arbeitslosen aus?
Noch mal zu den Gewerbesteuern. Wir liegen dieses Jahr, Stand jetzt, zweieinhalb Millionen Euro über dem Ansatz. Also bis dato stehen wir wirklich gut da. Wir haben enorm viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, 11.800 sind das, das sind 50 Prozent mehr als 2009, 50 Prozent mehr! Und die Arbeitslosigkeit bewegt sich bei 5,2 Prozent. Und das bei einer Rezession in Deutschland.
Wenn Werne wirtschaftlich so gut dasteht, brauchen wir dann eigentlich noch ein neues Gewerbegebiet? Verstehe ich Sie richtig?
Nein, das ist nicht meine Aussage, sondern das war die Aussage der Gegner des Gewerbegebiets. Dieses geplante Gewerbegebiet hätte in zehn Jahren gewirkt. Und in zehn Jahren müssen wir sehen, wo Werne steht. Ich kann Ihnen sagen, dass es ohne Gewerbe deutlich schlechter wird. Das bedeutet also, wenn jetzt ein potentes Unternehmen kommt, wo wir sagen super, das ist genau das Richtige, hochqualifizierte Arbeitsplätze, viel Gewerbesteuer und das passt auch in unsere Landschaft hinein - dann muss ich diesem Unternehmen eine Absage erteilen. Ich muss sagen nein, in Werne geht das nicht.
Kann man davon ausgehen, dass dieses nun abgelehnte Gewerbegebiet nördlich der Nordlippestraße (südlich war ja auch noch was vorgesehen), eventuell im südlichen Bereich irgendwann mal realisiert wird oder sogar noch mal auf der abgelehnten Fläche? Denn das steht ja noch immer im Regionalplan als Kooperationsstandort und damit als entwicklungsfähiger Standort drin. Man könnte es also machen?
Wir müssen unterscheiden zwischen der Regionalplanung, das ist eine Planung auf der Ebene des RVR (Regionalverbandes Ruhr) und unseren gemeindlichen Planungen. Der Bürgerentscheid bezog sich auf die gemeindliche Planung und hat eine klare Aussage getroffen, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Gewerbegebiet nicht haben wollen. Weder nördlich der Nordlippestraße noch südlich. Das wird akzeptiert. Aber ich kann nicht sagen, was in fünf und was in zehn Jahren ist. Da wissen wir nicht, wer Bürgermeister ist und wer im Stadtrat sitzt.
Aber das wird jetzt so akzeptiert.
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