Angeklagter im Nagelstudio-Prozess: „Für den Urlaub machen sie sich hübsch“
Menschenhandel
Vor dem Landgericht Münster hat einer der Angeklagten Details über die Machenschaften der sogenannten „Nagelstudio-Bande“ ausgepackt. Es geht unter anderem um Menschenhandel und Steuerhinterziehung.

Vor dem Landgericht Münster begann am Freitag, 26. Juni 2020, der Prozess gegen die "Nagelstudio-Bande". Die sechs Angeklagten werden von zwölf Anwälten verteidigt. © Matthias Münch (Archiv)
Das Netz der Nagelstudios mit illegal eingeschleusten Vietnamesen war weit verzweigt. Von Münster reichte es in alle Himmelsrichtungen bis nach Ostwestfalen und ins Rheinland. Und auch nach Werne und ins Ruhrgebiet. Die regionale Ausdehnung ist klar. Nun werden auch die Kommandostrukturen im Nagelstudio-Clan allmählich deutlicher.
Vor der 12. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster setzte der Mitangeklagte aus Bergkamen am Freitag sein Geständnis fort. Der 29-Jährige hatte als einziger der sechs Vietnamesen schon in der U-Haft, also lange vor dem Prozess, ausgepackt. Bei seinen aktuellen Einlassungen wurde deutlich, dass wohl auch die 37-jährige Nichte der beiden geständigen Clanchefs eine wichtige Rolle in der Nagelstudio-Bande spielte.
Nichte des Clanchefs spielte entscheidende Rolle
Sie führte den Bergkamener nicht nur in das Gewerbe ein und brachte ihm das Handwerk bei. Sie erteilte ihm auch Anweisungen zur Überwachung der illegal Beschäftigten und zur Steuerverkürzung. Demnach hatte der 29-Jährige nicht viel zu sagen, obwohl er Geschäftsführer und 50-prozentiger Teilhaber eines Nagelstudios in Münster war.
Er schilderte auch das saisonale Auf und Ab des Geschäftes. Von Juni bis August kamen die Kunden in Scharen, so der Angeklagte: „Für den Urlaub machen sie sich hübsch.“ Im September gingen die Umsätze runter und im Oktober wieder hoch. Dann kamen die Leute zum „Abrüsten“. „Im Winter keine künstlichen Fingernägel?“, fragte der vorsitzende Richter und der Angeklagte nickte.
Interessant war am Freitag auch die Aussage einer Apothekerin aus Billerbeck. Sie hatte dem jüngeren der beiden Clanchefs ein Ladenlokal in Dülmen vermietet, musste den Vertrag jedoch nach wenigen Monaten wieder kündigen, weil sich andere Mieter über unerträglichen Gestank von Lösungsmitteln belästigt fühlten.
Das stützt die These der Staatsanwaltschaft, wonach die Gesundheit der Beschäftigten in den Nagelstudios gefährdet war. Dass zehnstündige Arbeitstage üblich waren, bestätigte auch der 29-jährige Angeklagte noch einmal.
Gewinne wurden nach Vietnam transferiert
Von den Gewinnen, die die Bosse durch Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug erzielten, wurde der Großteil in bar durch Osteuropa nach Vietnam transferiert. Aber offenbar nicht alles, wie die Zollfahnder herausgefunden hatten.
Einen Teil brachte der Hauptangeklagte offenbar auch mit teuren Urlauben und in der Spielbank in Dortmund-Hohensyburg durch. Das will seine Verteidigung taktisch nutzen und eine mögliche Spielsucht als strafmildernd geltend machen. Der Prozess wird am 14. Juli fortgesetzt.