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Notarzt: Vredener Politik und Verwaltung verschlafen das Thema
Notarzt-Versorgung
Der Notarzt wird ab 1. Januar aus Stadtlohn oder Ahaus nach Vreden fahren. Das ist schon seit Ende Juni beschlossene Sache. Die Vredener Politiker hätten das seit Anfang Juli wissen müssen.
Dass der Notarzt für Vreden ab 1. Januar aus Ahaus oder Stadtlohn anreisen muss, hat in Vreden für einen Aufschrei gesorgt. Passanten, die unsere Redaktion am Montag dazu in der Innenstadt befragt hat, reagierten enttäuscht und wütend. Die Reduzierung konnten sie nicht nachvollziehen. Gleichzeitig resignierten viele Vredener: Sie fühlten sich nicht mehr ernst genommen im Vergleich zu den Bewohnern aus umliegenden Orten.
Vredener befürchten, dass Hilfe nicht schnell genug ankommt
Sie befürchten, dass nun eine schnelle Versorgung im Ernstfall gefährdet ist. Damit stünden Menschenleben auf dem Spiel, wenn der Notarzt erst aus Ahaus oder Stadtlohn anfahren müsse.
Zudem wurde auch die fortschreitende Verkleinerung des St. Marien-Krankenhauses kritisiert. Ihre Namen wollten die Befragten jedoch nicht in der Öffentlichkeit lesen.
Politiker reagieren entsetzt auf die Reduzierung
Auch die Politiker der fünf Ratsfraktionen hatten entsetzt bis verärgert darauf reagiert, als unsere Redaktion sie am Sonntag darauf angesprochen hat. Da hatten vier von fünf Politikern noch erklärt, dass sie davon – zumindest über die offiziellen Kanäle – bisher nichts erfahren haben.
Doch das stimmt so nicht.
Am 26. Juni hat demnach die Geschäftsführung des Klinikums Westmünsterland die Vredener Verwaltung über ihre Pläne informiert, in Zukunft keinen Notarzt mehr in Vreden zu stationieren. „Sie haben uns nur das Ergebnis bekannt gegeben“, sagt Bernd Kemper, Erster Beigeordneter der Stadt Vreden. Sechs Tage später, am 2. Juli, gab die Verwaltung die Informationen an den Rat der Stadt Vreden weiter.
Verwaltung informiert an Punkt 31 der Tagesordnung
Im nicht-öffentlichen Teil unter dem Punkt Mitteilungen der Verwaltung. Der rangierte an diesem Abend unter Punkt 31 der Tagesordnung. Darin erklärte der Bürgermeister Dr. Christoph Holtwisch, dass die Notarztversorgung zum 1. Januar 2020 neu strukturiert und die Stadt Vreden durch Ahaus und Stadtlohn abgedeckt werde.

Am Standort der neuen Rettungswache hält die Vredener Verwaltung fest. Der sei richtig gewählt, auch ohne den Notarzt vom benachbarten Krankenhaus abzuholen. © Maximilian Konrad
Das ist so auch in der nicht-öffentlichen Niederschrift der Sitzung vermerkt. Das bestätigt Bernd Kemper auf Nachfrage. In der Sitzung habe es weder Rückfragen der Politiker noch Diskussionen gegeben.
Politiker kann sich an Information nicht erinnern
UWG-Ratsherr Elmar Kampshoff, ein Freund offener Worte, kann sich auf Rückfrage am Montag an diese Information im Vredener Rat nicht erinnern. Wenn das so in der Niederschrift stehe, werde der Satz ohne Zweifel auch gefallen sein. Selbstkritisch gibt er zu, dass auch die Politik an dieser Stelle nicht aufgepasst habe. „Klar, eine Nachfrage hätte da von uns kommen müssen“, sagt er.
Dennoch: Ein kurzes Statement zu nächtlicher Stunde im Rat ist ihm für eine Nachricht dieser Brisanz zu wenig. „Warum meint die Verwaltung, dass damit alles gesagt ist?“, fragt er. Danach sei das Thema nie wieder zur Sprache gekommen.
Verwaltung verlässt sich auf Vertragsparteien
Bei der weiteren Information der Einwohner habe sich die Verwaltung auf die beiden Vertragsparteien, das Klinikum Westmünsterland und den Kreis Borken, verlassen. „Die Vertragspartner müssen ja darüber informieren, wenn ein Vertrag gekündigt wird“, erklärte Bernd Kemper.
Auch er habe sich aber gewundert, dass die Information so lange nicht veröffentlicht wurde. Erst am vergangenen Freitagmittag hatte der Kreis Borken eine entsprechende Meldung veröffentlicht.
Auf Nachfrage erklärt Karlheinz Gördes, Pressesprecher des Kreises Borken, dass auch die Politiker auf Kreisebene früh von der Änderung im Notarzt-System erfahren haben. „Am 4. Juli wurden sie im nicht-öffentlichen Teil einer Kreisausschuss-Sitzung darüber informiert“, erklärt er.
Parallel dazu sollten auch die lokalen Politiker informiert werden. Das sei so abgestimmt gewesen. Die Kündigung hatte das Klinikum fristgemäß zum Ende der ersten Jahreshälfte eingereicht.
Einsatzzeiten sollen sich nicht verändern
Rechnerisch habe die Änderung keinen Einfluss auf die Rettungszeiten. „Die werden von der Alarmierung bis zum Eintreffen des ersten Hilfsmittels gemessen“, so Gördes weiter. Und da ja die Rettungswache in Vreden bestehen bleibe, seien auch die Rettungswagen genauso schnell vor Ort wie bisher.
Standort für die Rettungswache bleibt richtig gewählt
Auch der Standort der Rettungswache sei immer noch richtig gewählt. Durch die höhere Qualifikation der Notfallsanitäter, die eine Reihe von medizinischen Aufgaben erfüllen können, sei auch die Versorgung von Patienten im Notfall gewährleistet. Das hatte zuvor auch Bernd Kemper so erklärt.
Dennoch: „Wir bedauern es sehr, dass das Klinikum diese Entscheidung getroffen und den Vertrag gekündigt hat“, erklärt der Pressesprecher. Der Kreis Borken könne diese Situation aber nicht ändern. „WIr haben ja auch die Kündigung nicht ausgesprochen“, sagt Karlheinz Gördes. Eine belastbare Alternative für einen Notarzt-Standort in Vreden gebe es bisher nicht.
Großes Bedauern über den Weggang des Notarztes
Auch die Vredener Verwaltung bedauert diesen Schritt. „Das ist ohne Frage eine Verschlechterung der Situation“, erklärt Bernd Kemper. Doch auch wenn die Entscheidung bedauerlich sei, habe das Klinikum sie nachvollziehbar begründet.
Angesprochen auf die näheren Hintergründe der Veränderung reagiert das Klinikum Westmünsterland ausweichend. Auch ein Gespräch mit einem der Vorstände des Klinikums, um das die Redaktion gebeten hatten, kam nicht zustande.
Konkrete Fragen lässt das Klinikum Westmünsterland unbeantwortet
Folgende Fragen hatten wir am Montagmorgen der Unternehmenskommunikation gestellt:
- Wieviele Notärzte gibt es aktuell noch in Vreden?
- Seit wann wird darüber nachgedacht, die Notarzt-Stelle in Vreden zu streichen?
- Was wäre nötig, um einen adäquaten Notarzt-Dienst in Vreden sicherzustellen?
- Wann ist die erste Information nach Vreden gegangen, dass Sie planen, den Gestellungs-Vertrag mit dem Kreis zu kündigen?
- Welche Abteilungen gibt es aktuell noch am Vredener St. Marien-Hospital?
- Welche Auswirkungen hat der Abzug des Notarztes auf das St. Marien-Hospital?
Als Antwort kam ein Statement, das so nur den bisher bekannten Standpunkt des Klinikums, aber keine Antwort auf die konkreten Fragen wiedergibt. Wir veröffentlichen es hier im Wortlaut. Dirk Terbahl, verantwortlich für Unternehmenskommunikation im Klinikum Westmünsterland, schreibt:
„Leider ist es uns als Dienstleister für den Kreis Borken nicht mehr möglich, ausreichend ärztliches Personal für die Rund-um-die-Uhr-Versorgung des notärztlichen Dienstes in Vreden sicherzustellen. Aus diesem Grund mussten wir in Absprache mit dem Träger der notärztlichen Versorgung, also dem Kreis Borken, unseren Dienstleistungsvertrag zum 30.06.2019 mit Wirkung zum 01.01.2020 kündigen. Die vorherige notwendige Kommunikation in die örtliche und kreisweite Politik hat stattgefunden. Im Übrigen verweisen wir auf die Pressemitteilung des Kreises Borken vom vergangenen Freitag, welche mit dem Klinikum abgestimmt wurde. Auf das Leistungsspektrum und die Leistungsfähigkeit des St. Marien-Hospitals Vreden hat die Kündigung der Notarztgestellung keinen Einfluss.“ Darüber hinaus verweist er lediglich auf die Presseinformation des Kreises Borken.
Vier Fachabteilungen am Standort Vreden
Laut Internetseite des Klinikums Westmünsterland gibt es am Standort Vreden noch Fachabteilungen für Innere Medizin, Geriatrie, Rheumatologie und Radiologie.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.

Gebürtiger Brandenburger. Hat Evangelische Theologie studiert. Wollte aber schon von klein auf Journalist werden, weil er stets neugierig war und nervige Fragen stellte. Arbeitet gern an verbrauchernahen Themen, damit die Leute da draußen besser informiert sind.
