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Klinikum kündigt Vertrag: Vreden verliert seinen Notarzt-Standort
Notfallversorgung
Der Notarzt-Standort im Vredener Krankenhaus wird zum Jahresbeginn aufgegeben. Notärzte müssen dann von Ahaus oder Stadtlohn nach Vreden ausrücken. Es gibt nicht mehr genügend Nachwuchs.
Die Stadt Vreden verliert zum Jahreswechsel ihren Notarzt-Standort. Das Klinikum Westmünsterland hat den entsprechenden Vertrag mit dem Kreis Borken zum 31. Dezember gekündigt.
Das teilte Dr. Elisabeth Schwenzow, Dezernentin für Sicherheit und Ordnung der Kreisverwaltung Borken, am Freitagnachmittag in einer Pressemitteilung des Kreises Borken mit. Über die Änderung seien bereits die Stadt Vreden und die örtliche Ärzteschaft informiert.
Doppelfunktion als Notarzt ist unattraktiv für junge Mediziner
Das Klinikum Westmünsterland kann demnach nicht mehr ausreichend Ärzte stellen, die die nötigen Fachkunde-Weiterbildungen für den Rettungsdienst absolviert haben.
Die Doppelfunktion als Not- und Klinikarzt sei zunehmend unattraktiv für junge Mediziner geworden, schildert Tobias Rodig, Pressesprecher des Klinikums Westmünsterland in der Mitteilung des Kreises.
Die ärztliche Kliniktätigkeit habe sich in den vergangenen Jahren immer weiter verdichtet. Immer weniger Ärzte hätten daher den notwendigen Nachweis der Fachkunde Rettungsdienst belegt.
Ärzte aus Ahaus und Stadtlohn übernehmen Notarzt-Dienst
Die Notarzt-Versorgung in Vreden soll zukünftig durch Ärzte aus den Krankenhäusern in Ahaus oder Stadtlohn gesichert werden. Die sind rund 16 beziehungsweise zehn Kilometer von Vreden entfernt.
In Vreden bleibt die rund um die Uhr besetzte Rettungswache mit Rettungsassistenten und Notfallsanitätern. Die könnten die Versorgung der Bevölkerung im Ernstfall sicherstellen.
Sinkende Einsatzzahlen wegen höheren Ausbildungsstandards
In den vergangenen Jahren war die Zahl der Notarzteinsätze leicht gesunken: 2016 waren es noch 484, 2017 noch 423 und 2018 nur noch 363.
Dr. Elisabeth Schwenzow führt das vor allem auf die deutlich höheren Ausbildungsstandards der Mitarbeiter im Rettungsdienst zurück: Seit die in Kraft sind, können die Notfallsanitäter deutlich mehr medizinische Aufgaben übernehmen.
Naturgemäß sieht das Klinikum Westmünsterland die Änderung trotz allem positiv: Durch die neue Regelung werde es nun möglich, die Notarzteinsätze effektiver zu strukturieren.
„So könne dafür Sorge getragen werden, dass dauerhaft Ärzte vorhanden seien, die nicht nur über die notwendige Fachkunde verfügen, sondern gleichzeitig sehr gut auf rettungsdienstliche Notsituationen vorbereitet sind – zum Beispiel durch intensivmedizinische Erfahrungen und Kenntnisse in der Versorgung von Schwerverletzten“, heißt es dazu von Tobias Rodig.
Bürgermeister Dr. Christoph Holtwisch kündigte am Sonntag eine Stellungnahme der Stadt Vreden für Anfang der Woche an.
Entsetzte Reaktionen und fehlende Informationen
Die CDU in Vreden reagierte am Wochenende entsetzt auf die Nachricht: „Diese Mitteilung erfüllt uns mit großer Sorge, da die Stadt Vreden durch ihre geografische Lage ohnehin schon benachteiligt ist“, erklärt Dr. Michael Göring von der CDU Vreden. „Wir können uns schwerlich vorstellen, wie zukünftig für alle Vredener, vor allem in Außenbereichen, die Rettungschancen bestehen sollen, wie sie auch die Bevölkerung in den anderen Kommunen im Kreise haben.“
Neben dem Weggang des Notarztes hat er aber noch eine andere Kritik: „Es ist nicht in Ordnung, dass vorher dazu keine öffentliche Beratung stattgefunden hat“, sagt der Inhaber der Marien-Apotheke. So werde die Bevölkerung einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Das sagt auch Reinhard Laurich von der SPD Vreden. „Da hätten wir uns eigentlich vorgestellt, dass uns das Krankenhaus von sich aus offiziell vorab informiert“, sagt er. Offizielle Diskussionen habe es zu dem Fall aber gar nicht gegeben. Lediglich über inoffizielle Kanäle habe er in den vergangenen zwei oder drei Wochen vermehrt von dem Thema gehört.
„Politiker stehen jetzt da wie die Deppen!“
Elmar Kampshoff (UWG) erfährt am Sonntag erst im Gespräch mit unserer Redaktion vom Weggang des Notarztes. „Das ist ein enormer Qualitätsverlust und ein Rückschlag für den Gesundheitsstandort Vreden“, sagt er. Schritt für Schritt werde das Krankenhaus in Vreden weiter abgebaut. Besonders wütend macht ihn, dass die Politik vorab nicht informiert wurde. „So haben wir ja gar keine Möglichkeit gehabt, eigene Überlegungen anzustellen“, sagt er. Das sei eine Schweinerei. Auch gegenüber der Bevölkerung. „Die Politiker stehen jetzt da wie die Deppen, weil wir nichts gewusst haben“, sagt er.
Gerd Welper (Grüne) gibt zu, dass er lediglich indirekt von der Änderung gehört habe. „In den vergangenen Tagen häufiger“, sagt er. Der Wegfall des Notarztes verändere natürlich die Rettungsfristen. Da müsse man sich nichts vormachen. „Wie das aufgefangen werden soll, mag ich mir nicht vorstellen“, sagt er. Besonders ärgerlich, weil mit dem Bau der Rettungswache am Krankenhaus ja in Vreden das ganze Rettungssystem gerade noch im Fluss sei.
Es gab wohl eine kurze Information ohne Details
Einzig Hendrik Mulder (FDP) erinnert sich an eine kurze Information, dass sich beim Notarzt-Dienst in Vreden etwas ändern solle. Wo und wann genau die jedoch gefallen sei, vermag er nicht mehr zu sagen. Detailliert sei aber auch diese Mitteilung nicht gewesen. „Es wurde nur gesagt, dass sich etwas ändern wird und dass Details nachgeliefert werden sollen“, erklärt er.
Dabei habe es ja auch in jüngerer Vergangenheit genug Sitzungen gegeben, um die Politiker zu informieren. „Auch wenn wir als Vredener Politiker an der Entscheidung natürlich nur wenig machen können“, schränkt er ein.
Für Vreden jedenfalls sei das ein heftiger Schlag. Auf lange Sicht macht er sich auch Sorgen um den Krankenhaus-Standort. „Das Vredener Krankenhaus droht, auf der Strecke zu bleiben“; erklärte er.
Weitere Fragen werden am Montag geklärt
Der Kreis Borken und das Klinkum Westmünsterland waren am Sonntag nicht zu erreichen. Unbeantwortet blieb deswegen zunächst noch die Frage, wie sich die längeren Anfahrtzeiten von Ahaus oder Stadtlohn auf die Notarzteinsätze in Vreden auswirken werden. Diese und weitere Fragen werden wir am Montag versuchen, zu klären.Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
