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Vredener Atmosphärenforscher: „Der Klimawandel ist die schwierigste Aufgabe der Menschheit“
Klimawandel
Andreas Engel lebt in Vreden und arbeitet in Frankfurt als Atmosphärenforscher. Dabei sieht er jeden Tag die Auswirkungen des Klimawandels. Außerdem spricht er im Interview über das Ozonloch.
Wenn jemand behauptet, dass der Klimawandel nicht von Menschen verursacht wird, dann kann Andreas Engel auch mal richtig wütend werden. Denn der Atmosphärenforscher, der seit 20 Jahren in Vreden wohnt, sieht die Auswirkungen jeden Tag auf seinen Messinstrumenten. Im Interview spricht er über seinen Alltag und erklärt, warum der Klimawandel die Menschheit vor enorme Herausforderungen stellt.
Was macht ein Atmosphärenforscher?
Wir untersuchen die Atmosphäre mit unterschiedlichen Methoden. Bei mir sind das Messungen von Spurengasen in verschiedenen Höhen. Wir untersuchen dann zum Beispiel den Transport, also wie lange ein Gas von hier unten bis in eine bestimmte Höhe braucht, oder wie schnell bestimmte Stoffe abgebaut werden. Dafür entwickeln wir Messtechniken und -geräte, mit denen man die sehr kleinen Konzentrationen in der Atmosphäre vernünftig messen kann.
Wofür braucht man denn die Ergebnisse?
Als Wissenschaftler müssen wir unsere Ergebnisse in Fachzeitschriften veröffentlichen. Erst dann gelten sie als solide und überprüft. Die Erkenntnisse fließen dann in internationale Berichte, die dann wiederum Basis für politische Entscheidungen sein können. Zum Beispiel arbeite ich regelmäßig an den internationalen Sachstandsberichten zur Ozonschicht im Rahmen des Montreal-Protokolls mit.
Zur Person
- Andreas Engel ist 55 Jahre alt und wohnt seit 20 Jahren in Vreden
- Er hat an der RWTH Aachen Chemie studiert. Dort und beim Forschungszentrum in Jülich hat er promoviert.
- Seit 2010 arbeitet er als Professor am Institut für Atmosphäre und Umwelt an der Goethe-Universität in Frankfurt.
Was ist das Montreal-Protokoll?
In den 70er-Jahren haben Forscher Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in der Atmosphäre gemessen. Diese Gase sind ozonschädlich, sie sind also ein Grund für das Ozonloch, welches 1985 entdeckt wurde. Schon 1987 haben sich dann alle Mitgliedsstaaten der UNO auf das Montreal-Protokoll geeinigt. Darin verpflichten sich die Staaten, die FCKW-Produktion und die Verwendung zu verringern. Mit unseren heutigen Messungen können wir überprüfen, ob das auch eingehalten wird.
? Wie sieht Ihr Alltag aus?
Ganz unterschiedlich. Manchmal machen wir Feldmesskampagnen mit einem Forschungsflugzeug oder Ballonmesskampagnen. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel in Argentinien Messungen zur Auswirkung des Ozonlochs durchgeführt, und im Spätsommer geht es nach Schweden.
Ich bin als Professor an der Goethe-Universität in Frankfurt angestellt. Da ist die Lehre und die Betreuung von Masterstudenten und Doktoranden ein großer Teil. Und natürlich steht auch immer wieder Administration an.
Können Sie mit den Messungen eigentlich das Wetter vorhersagen?
Nein, meine Beobachtungen und Arbeiten sind eher für das Klima relevant. Das ist das langfristige Mittel des Wetters und deswegen auch über einen längeren Zeitraum zu prognostizieren.
Forschen Sie auch zum Thema Klimawandel?
Ich bin kein Klimamodellierer, aber das wandelnde Klima spielt eine große Rolle in meiner Arbeit. In der Atmosphäre finden wir zahlreiche Treibhausgase, CO2 ist das stärkste davon. Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit halogenierten Gasen, die für die stratosphärische Ozonschicht schädigend sind, aber auch starke Treibhausgase sind. Gerade beim CO2 können wir sehr genau sehen, wie die Konzentration mit den Jahren angestiegen ist.
Und trotzdem gibt es immer wieder Skeptiker, die sagen, es gebe keinen menschgemachten Klimawandel.
Der menschgemachte Klimawandel ist eine unbequeme Tatsache. In der Wissenschaft gibt es da überhaupt keine Uneinigkeit. 98 Prozent aller Wissenschaftler sind sich in dieser Sache einig. So eine Zustimmungsrate findet man sonst nirgendwo. Natürlich gibt es bei Detailfragen unterschiedliche Meinungen. Aber dass der Klimawandel menschgemacht ist, da gibt es keinen Zweifel.
Woran machen Sie das fest?
Zum Beispiel kann man sehr leicht ausrechnen, wie warm die Erdoberfläche ohne den Treibhauseffekt wäre. Das wären über 30 Grad weniger als in der Realität. Der Treibhauseffekt ist also völlig unstrittig.
Die Industrialisierung hat aber nicht nur für mehr Treibhausgase in der Atmosphäre gesorgt, sondern auch für mehr Partikel. Deswegen bilden sich mehr Wolken. Die reflektieren das Sonnenlicht und wirken so abkühlend. Da möchten wir viele Details noch besser verstehen, was aber das prinzipielle Problem nicht ändert.
Dass die CO2-Konzentration steigt, ist ja keine neue Entwicklung...
Nein, überhaupt nicht. Wir wissen seit 40 Jahren, wo das Problem ist. Der Klimawandel ist auch nichts, was irgendwann kommen wird, sondern das passiert jetzt schon. Deswegen fühlen wir Wissenschaftler uns auch ein bisschen verschaukelt, um es mal nett zu sagen. Wir warnen schon so lange davor, aber es passiert nichts.
Warum fällt es denn so schwer, was dagegen zu unternehmen?
Weil das eine fundamentale Änderung unseres Lebens bedeuten würde. Wir sollen plötzlich anders wirtschaften, anders reisen, anders essen und anders wohnen. Gleichzeitig sehen wir aber noch kaum Auswirkungen.
Im globalen Jahresmittelwert liegt die Erderwärmung bei etwas über einem Grad. Das kann man messen, aber das ist in der subjektiven Wahrnehmung kaum spürbar. Wir erkennen also die Not nicht.
Die Menschheit hat noch keine größere und schwierigere Aufgabe bewältigt als den Klimawandel. Und je größer die Aufgabe, desto schwerer ist es, anzufangen.
Als gebürtige Vredenerin habe ich mich aus Liebe zur Region ganz bewusst für den Job als Lokaljournalistin in meiner Heimat entschieden. Mein Herz schlägt für die Geschichten der Menschen vor Ort. Ich möchte informieren, unterhalten und überraschen.
