Recht positiv bewerten die Vredener ihre Stadt. Nur die Verkehrsanbindung nicht. Ohne Auto und Fahrrad geht nicht viel, meint auch Familie Elsing. Die fühlt sich wohl, hat aber auch Wünsche.
Der Spielplatz ist gleich um die Ecke – das findet der dreijährige Augustin gut. Nur ein paar Schritte sind es von seinem Elternhaus an der Polstraße zu Rutsche, Vogelnestschaukel und Co. Seine Eltern Simone und Rolf Elsing und seine großen Geschwister Findus (9) und Carlotta (13) zählen viele weitere Dinge auf, die ihnen gefallen in ihrer Heimatstadt. Aber auch einiges, was sie sich noch wünschen würden.
Und so geht es Familie Elsing im Durchschnitt wie den 550 Teilnehmern, die im Ortsteilcheck der Münsterland Zeitung verschiedene Lebensbereiche in ihrer Heimatstadt bewertet haben. Die Lebensqualität an sich schätzen die meisten hoch ein. Gute Noten gab es in der Umfrage zum Beispiel für die Nahversorgung und für die Sportangebote ebenso wie für die Sauberkeit oder die Gastronomie. Ganz unten auf der Skala landete die Verkehrsanbindung. Die Angebote für Jugendliche und der Bereich Gesundheit wurden unterdurchschnittlich bewertet.
„Den Kindern geht‘s richtig gut in Vreden“
Was die Lebensqualität in Vreden angeht, haben die Kinder der Familie Elsing viel Gutes aufzuzählen. Augustin mag die Bücherei und die Eisdielen, Findus ergänzt: Er spielt gern Fußball in der E-Jugend des FC, findet den Ferienpass gut und die Teufelsschlucht. Carlotta tanzt beim TV und ist sogar schon Co-Trainerin, sie ist Kirmes-Fan und freut sich auf die Angebote, die der Jugendcampus bald bereithält.
Simone Elsing fasst zusammen: „Den Kindern geht‘s richtig gut in Vreden.“ Kurze Wege zur Kita, zur Schule, zum Sport... Dass die Familienfreundlichkeit „nur“ sieben von zehn möglichen Punkten bekommt in der Umfrage – bei Elsings gäbe es schon eine Schippe mehr. Und die Angebote für die Jugend – wenn der Campus an den Start geht, dann wird da ganz schön ‘was geboten, sind sich alle einig. „Es gibt nur keinen gescheiten Treffpunkt in der Stadt“, kritisiert Carlotta. Sie und ihre Clique richten sich nun einen Kellerraum bei den Eltern einer Freundin ein. Ganz in der Nähe des Campus.
Ein Baustein der Lebensqualität, der in der Umfrage nicht konkret abgefragt, aber in vielen Anmerkungen der Teilnehmer und auch fortwährend in der politischen Diskussion eine Rolle spielen, wird auch in der Familie Elsing diskutiert. „Die Innenstadt ist tot“, heißt es oft von Umfrageteilnehmern jeden Alters. Wenn es ums Shoppen geht, hat sogar der neunjährige Findus eine klare Meinung: „Es gibt hier nicht so viele Geschäfte für Kleidung. Das ist in Winterswijk und Enschede besser.“ Aber er schiebt gleich nach, dass die beiden Städte ja auch größer sind.
Viel in Holland, aber auch online kaufen die Elsings ein. „Es gibt ja gute Geschäfte in Vreden. Aber das Problem ist, dass die Innenstadt zu groß ist“, meint Rolf Elsing. Wären die Geschäfte auf einem halb so großen Areal alle zusammen, „das wäre schön.“ Ein Umfrageteilnehmer (zwischen 35 und 50) hat es so auf den Punkt gebracht: „Samstagmorgen gegen 11 Uhr in Vreden Innenstadt: nichts los. Und bei unseren Nachbarn in Winterswijk summt und brummt es.“ Simone Elsing könnte sich gut ein familienfreundliches Café mit Spielplatzanschluss vorstellen.

Der Zustand der Vredener Innenstadt mit leer stehenden Geschäften macht vielen Teilnehmern der Umfrage Sorgen. © Markus Gehring
Einen anderen großen Kritikpunkt können Simone (38) und Rolf Elsing (50) nicht so ganz nachvollziehen: Dass Vreden „eine Rentnerstadt“ oder ein „zweites Sun City“ wird – den Eindruck haben sie nicht. Viele Umfrageteilnehmer verbinden die ihrer Meinung nach zu vielen Bauprojekte für Betreutes Wohnen mit der Kritik, dass im Gegenzug nichts an Ausgehmöglichkeiten realisiert werde. „Mehr Feiermöglichkeiten, nicht nur alles für Rentner umbauen“, schreibt eine Vredenerin, die jünger als 25 ist. „Kneipensterben und dabei einen Rollstuhlrentnerspielplatz bauen – dieser krasse Gegensatz ist fast schon ein Skandal“, bemerkt ein Vredener im Alter von 25 bis 35.
Rolf Elsing – Veranstalter, DJ, Gastronom – ist ja selbst mit einem Vorhaben gescheitert, hätte gern am Markt eine „Ausgehmöglichkeit“ geschaffen. Was letztlich am Lärmschutz scheiterte. „Das Empfinden wäre sicher anders, wenn es zwei Läden gäbe, die funktionieren“, sagt Rolf Elsing. Aber Vreden habe noch ein Nachtleben mit den vorhandenen Kneipen und eben dem von ihm geführten N-Joy fürs Ausgehen und Tanzen, sagt Rolf Elsing. „Aber die Leute ab 40, die haben nichts“, wirft seine Frau Simone ein.
Das wurde positiv bewertet:
Nahversorgung: Bei einer Auswahl von 1 bis 10 Punkten erhielt der Bereich Nahversorgung eine 9 und damit die beste Bewertung. Bei aller in den Anmerkungen geäußerten Kritik am Vredener Einzelhandel leitet sich die gute Note wohl daran ab, dass es für den Lebensmitteleinkauf viele Möglichkeiten gibt in der Stadt Vreden. Zu den vorhandenen Discountern und Lebensmittelmärkten wird aktuell ein E-Center am alten Bierbaumgelände geplant, die Kette Kaufland hält trotz Gegenwehr von Rat und Verwaltung an ihren Plänen, sich im ehemaligen Baumarkt am Kreisverkehr an der Stadtlohner Straße anzusiedeln, fest. Das Angebot könnte also eher vielfältiger als kleiner werden.

Zahlen und Fakten zum Ortsteilcheck in der Vredener Innenstadt. © Hasken
Radfahren: Die gute Bewertung mit einer 8 erstaunt bei der Analyse der Umfrage, wenn man die Anmerkungen liest. Da haben die Stadt-Vredener sicher auch die Grünflächen (übrigens ebenfalls mit 8 Punkten bewertet) und ihre Radwege in der Umgebung der Innenstadt bewertet. In den Anmerkungen zur Umfrage wird die Sanierung der Radwege angemahnt, die hier und da geänderte Verkehrsführung für die Radler wird kritisiert.
„Die Radwege müssten dringend saniert werden“, moniert ein Vredener (zwischen 25 und 35 Jahre alt). „Die Radwege sind verkehrssicher, aber aus heutiger Perspektive nicht immer komfortabel“, sagt Hermann Wilmer von der zuständigen Fachabteilung im Rathaus dazu. Aktuell lasse die Stadt deshalb ein Sanierungskonzept für die Radwegeführung von einem externen Planungsbüro erarbeiten. Besserung gibt es aber auch auf dem Weg zur Arbeit: Mit dem Projekt „Gaxelino“ soll eine bessere Anbindung an das Industriegebiet Gaxel für Radler erreicht werden.

Wie hier an der Alstätter Straße sind die älteren Radwege in der Innenstaddt nicht immer im besten Zustand. © Markus Gehring
Ein anderes Thema: „Die neuen Radwege sind sehr gefährlich, nicht einheitlich gekennzeichnet und besonders für Kinder nicht zu verstehen“, äußert sich eine Vredener (zwischen 35 und 50). Zur Verkehrsführung der Radler auf der Fahrbahn spreche die Statistik aber deutliche Worte, so Joachim Hartmann als zuständiger Fachbereichsleiter der Stadt Vreden. Unfälle zwischen Autos und Fahrrädern, die in die gleiche Richtung unterwegs sind, gebe es kaum.
Und noch ein Thema: Was Findus Elsing stört, sind die vielen Maisfelder, die ab Sommer das Radfahren im Außenbereich nicht mehr zum Erlebnis machen. Familie Elsing weicht dann zum Radeln ins Nachbarland aus. Da gibt es nicht nur weniger Mais am Radwegrand, da sind die Verkehrsregeln auch besser, findet Rolf Elsing: „Radfahrer und Autos sind getrennt. Bestes Beispiel ist Enschede.“
Lebensqualität: „Ich lebe gerne in Vreden und möchte nirgendwo anders wohnen. Vreden ist so schön“, lobt eine Vredenerin, die zwischen 50 und 70 Jahre alt ist. Ein Mann (35 bis 50) hingegen ist genauso klar in seiner Aussage. „Müsste ich Sterne verteilen von 1 bis 10 wäre die Stadt Vreden so gerade noch bei einem Stern und mehr nicht!“ Eine Frau (25-35) und ihre Familie sind „super zufrieden in Vreden. Ein tolles Dörfchen mit allem, was man zum Leben braucht. Wer Shoppen möchte, fährt nach Enschede, Winterswijk oder Münster.“ Auch die Bereiche Gastronomie, Sauberkeit, Sport, Radfahren, Grünflächen, Seelsorge und Senioren sind im Ortsteilcheck mit acht von zehn Punkten bewertet worden – zusammen mit der Nahversorgung und ihrer Note neun sind die guten Werte sicher Garant für die hohe Lebensqualität, die die meisten Vredener ihrer Heimatstadt bescheinigen.
Das wurde negativ bewertet
Verkehrsanbindung: Mit dem Auto oder mit dem Fahrrad ist Familie Elsing unterwegs – wie wohl die meisten Vredener. Busse fahren vom gerade neu angelegten und modernisierten Busbahnhof. Auch der Bürgerbus verbindet Vreden-Stadt mit den Kirchdörfern. Dennoch: Nur vier Punkte gab es für den ÖPNV. „Den ÖPNV günstiger machen (...) Außerdem das Busnetz weiter ausbauen/schneller machen“, fordert ein Umfrageteilnehmer im Alter von 25 bis 35 Jahren. Einer Teilnehmerin im gleichen Alter fehlt „eine gute Zug- oder Busanbindung an größere Städte, zum Beispiel im Ruhrgebiet.“
Carlotta Elsing wird bald zum ersten Mal den ÖPNV testen: Es geht mit Freundinnen mit dem Schnellbus nach Münster zum Shoppen. „Eine Fahrt nach Münster kostet mit dem S70 13,40 Euro, ein Monatsticket über 200 Euro“, kritisiert ein Umfrageteilnehmer zu hohe Kosten dafür. Die zwei Stunden Fahrtzeit kritisieren gleich mehrere Teilnehmer als „nicht schnell“. Carlotta Elsing ist gespannt.
Aber es gibt Bemühungen für eine Verbesserung des ÖPNV: Die Verbindung von Vreden nach Münster wird seit Anfang des Jahres besser bedient, der S 70 Vreden nach Münster fährt mit zusätzlichen Fahrten. „Zudem wird es einen Testbetrieb für den Baumwollexpress von Bocholt über Vreden nach Gronau geben. Hier soll die Linie nach Klärung der Konzessions-Fragen in eine zweijährige Testphase gehen“, teilt die Stadt Vreden auf Anfrage unserer Redaktion. Bürgermeister Dr. Christoph Holtwisch war hierfür – abgestimmt mit seinen Amtskolleginnen und Kollegen – treibende Kraft. Zum weiteren Angebot wird dazukommen, dass der Nachtbuszuschlag von bislang zwei Euro wegfallen soll und zum Frühherbst soll es das Azubi-Monatsticket geben für rund 62 Euro. Darüber hinaus fördere die Stadt Vreden intensiv ihren Bürgerbus.

Die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird von vielen Vredenern als unzureichend gesehen. Hier wirft ein Vredener am Busbahnhof ein Blick auf die Uhr, um zu sehen, wann der nächste Bus abfährt. © Markus Gehring
Jugendliche: Fünf von zehn Punkten gibt es für Angebote für die Jugendlichen. Aber wie Carlotta Elsing schon sagte, die Jugendlichen haben Grund zur Vorfreude: Gerade baut die Stadt für viel Geld auf dem Gelände der ehemaligen Georgschule den Jugend-Campus. Was dort geplant ist, zählt Markus Funke vom Jugendwerk auf: eine Naturwerkstatt, eine Werkstatt für Holz und eine fürs Töpfern und Nähen, Plätze für Basketball, Hockey, Dodgeball, Volleyball, Bogenschießen oder Fußball, ein Hüpfkissen, ein Niedrigseilgarten, ein Kanusteg, eine Trendsporthalle mit riesiger Kletterwand und einer Trampolinstrecke. Die Skater bekommen einen überdachten Platz. Aktuell sei zwar keine feste Anlaufstelle für Kids und Jugendliche im entstehenden Campus im Angebot, sagte Markus Funke. Aber dafür gebe es schon einige Projekte und Veranstaltungen am neuen Standort Schabbecke 42, von der Outdoor-Küche über Töpferkurse und Nachtwanderungen bis hin zur Malwerkstatt.
Ein Blick auf die Internetseite des Jugendwerks lohnt sich. Was zwanglose Treffpunkte angeht, wie auch Carlotta Elsing sich einen wünscht, versucht das Jugendwerk Lösungen zu finden. Einige „Bauwagenprojekte“ laufen schon.
Wohnen: Vreden ist geprägt von Einfamilienhäusern. „Der Neubau eines Einfamilienhauses wird für Normalverdiener zum beinahe unerschwinglichen Luxus“, urteilt eine 35- bis 50-jährige Umfrageteilnehmerin. Ein anderer Teilnehmer (über 50) moniert die „schlechte Planung von Bauten durch die Verwaltung. Wohnblöcke fügen sich nicht ein.“
In den Anmerkungen geht es aber auch um die Preise der Mieten. Der Mietspiegel sei zu hoch, das Jobcenter setze ihn für eine vierköpfige Familie zu niedrig an, kritisierte eine Umfrageteilnehmerin (zwischen 25 und 35). Eine Vredenerin der gleichen Altersgruppe moniert: „Es werden fast nur seniorengerechte Wohnungen gebaut, bezahlbare Wohnungen gibt es so gut wie gar nicht.“
Was kann die Stadt Vreden dagegen tun? Der Stadtrat hat sich im vergangenen November des Themas „Bezahlbarer Wohnraum“ angenommen, stellte ein Handlungskonzept auf. Erstes konkretes Ergebnis: Eine Informationsveranstaltung „Chancen für den bezahlbaren Wohnraum“ ist geplant, am 15. Mai um 18.30 Uhr im Kult, kann Fachabteilungsleiter Dirk Hetrodt berichten. Des Weiteren habe die Stadt im Mai 2018 ein Grundstück an die Wohn-Bau Westmünsterland aus Borken veräußert. Die Genossenschaft werde dort zwei Wohnhäuser mit jeweils acht Wohnungen ausschließlich für den sozialen Wohnungsbau errichten.
Darüber hinaus unterstütze die Stadt Vreden oder begleite im Zuge der Bauleitplanung die Schaffung von Wohnraum außerhalb der klassischen Ein- und Zweifamilienhäusern. Wie in den Nachbarkommunen auch, werde eine zunehmende Nachfrage nach Wohnungen in Mehrfamilienhäusern festgestellt. „Durch entsprechende Bebauungsplanverfahren (aktuell am Tenbusch und Schelver Diek) erfolgt die Steuerung einer angemessenen und siedlungsverträglichen Nachverdichtung des überwiegend bebauten Siedlungsbereichs“, so Dirk Hetrodt.
Erste urkundliche Erwähnung im Jahr 839

Ein Bild von der Wassermühlenstraße in den 196er-Jahren. © Archiv Heimatverein
- Bis in das fünfte Jahrhundert vor Christus reichen Funde zurück, die im Boden der Stadt Vreden gefunden wurden.
- Im Jahr 839 wurden die Reliquien dreier Heiliger nach Vreden überführt, die der heiligen Felicitas, die von Felicissimus und Agapitus. Die erste urkundliche Erwähnung dürfte mit der Gründung des Damenstifts zusammenfallen.
- Große Teile der Innenstadt und der Industrie wurden im Zweiten Weltkrieg durch Luftangriffe im März 1945 zerstört, darunter auch die beiden Kirchen.
- 1969 wurden bei der kommunalen Neugliederung die Stadt Vreden (damals 3,7 Quadratkilometer) und das Amt Ammeloe (131,8 Quadratkilometer) zusammengeschlossen. (Quelle: Wikipedia)