Die Kandidatin und die Kandidaten (v.l.): Norbert Ricking (SPD), Nils Feldhaus (Linke), Heike Wermer (CDU), Jens Steiner (Grüne) und Sergej Kernebeck (FDP) mit dem Moderatorenteam Inga Trautmann und Sebastian Kavermann.

© Stefan Grothues

Von der Oma bis Karl Marx: Talkrunde der Landtagskandidaten in Vreden

rnLandtagswahl 2022

Ein munterer Talk hat den Vredenern die Landtagswahl näher gebracht. Auf Einladung der Kolpingsfamilie haben sich eine Kandidatin und vier Kandidaten den Fragen von Inga Trautmann gestellt.

Vreden

, 11.04.2022, 17:22 Uhr / Lesedauer: 3 min

Geht Heike Wermer (CDU) eigentlich noch zum Karpatenfestival? Und wenn ja, mit wem? Was macht Jens Steiner (Grüne) am Wochenende? Was würde Norbert Ricking (SPD) rückblickend anders machen? Ist Sergej Kernebeck (FDP) ein Zahlen-Nerd? Und wer sind Nils Feldhaus' (Linke) Lieblingsgestalten in der Geschichte?

Antworten auf diese und viele andere Fragen gab es am Sonntag in einer politischen Talkrunde mit der Landtagskandidatin und den Landtagskandidaten im Wahlkreis Borken II (Ahaus, Gronau, Heek, Legden, Schöppingen, Stadtlohn, Vreden). Dazu hatten die Kolpingsfamilie Vreden und das Kolping Bildungswerk des Diözesanverbandes ins Pfarrheim eingeladen. Rund 60 Politikinteressierte begleiteten die muntere Veranstaltung mit Fragen und Applaus.

Jens Steiner und Heike Wermer stritten über den Wohnungsbau und die Windkraftnutzung.

Jens Steiner und Heike Wermer stritten über den Wohnungsbau und die Windkraftnutzung. © Stefan Grothues

Kurzweilig und unkonventionell hat Moderatorin Inga Trautmann (19) der Kandidatin und den Kandidaten eine Bühne geboten, sich und ihre politischen Absichten vorzustellen. Zum Auftakt der Gesprächsrunde brach die Studentin der Sozialwissenschaften mit erfrischender Offenheit das Eis: „Die meisten von Ihnen werden es ja wohl nicht in den Landtag schaffen.“

„Die Menschen hinter den Programmen sind wichtig“

Programme sind das eine, die Menschen dahinter das andere. „Uns ist es heute wichtig, Sie auch als Menschen kennenzulernen“, erklärte Inga Trautmann. Sie entlockte Heike Wermer, dass deren Großmutter sie immer „Heiksken“ genannt habe. „Oma sagte immer ,Heiksen schafft das.‘ Und daran glaube ich auch“, sagte Heike Wermer (33).

Die gelernte Sprachwissenschaftlerin aus Nienborg ist bereits seit fünf Jahren Landtagsabgeordnete in Düsseldorf. Sie sagt: „Ich habe ein starkes Netzwerk aufgebaut, das ich auch in den nächsten fünf Jahren für die Region nutzen kann.“

Die Diskutanten trugen auch während der Talkrunde eine Maske.

Die Diskutanten trugen auch während der Talkrunde eine Maske. © Stefan Grothues

Der Nienborger Jens Steiner (45) ist schon fast ein Urgestein in der Kommunalpolitik und Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag. Er hatte die Lacher auf seiner Seite, als er die Frage, was denn wohl seine Freunde über ihn sagen, beantwortete: „Engagiert – und anstrengend.“

Lebensläufe in Stichworten

Norbert Ricking (57) war nach dem Theologiestudium zehn Jahre lang katholischer Pfarrer, bevor er sich für ein Leben mit Familie entschied. Der Vater von vier Kindern arbeitet heute als Lehrer und Berufsberater in Gronau. Ihm sind zwei Dinge wichtig: „Ich komme aus einer Handwerkerfamilie. Ich weiß um den Wert der körperlichen Arbeit. Und ich weiß um die Bedeutung des Ehrenamts.“

Sergej Kernebeck (32) ist in Russland geboren und kam als Siebenjähriger mit seinen Eltern nach Deutschland. Seit seinem Studium der Steuerwissenschaften arbeitet der Gronauer bei der Oberfinanzdirektion in Münster. Er will eine „Politik aus der Mitte der Gesellschaft“ gestalten.

Moderatorin Inga Trautmann befragt Sergej Kernebeck.

Moderatorin Inga Trautmann befragt Sergej Kernebeck. © Stefan Grothues

Nils Feldhaus (21) erlernt gerade das Zimmererhandwerk und unterstützt die „Bewegungslinken“ in seiner Partei. „Wir wollen uns mit der Gewerkschaft und außerparlamentarischen Gruppen auf der Straße für mehr Klimaschutz oder wie zuletzt gegen das Versammlungsgesetz starkmachen.“ Die Frage nach seiner größten Schwäche beantwortet er so: „Ich bin manchmal einen Tick zu ehrlich.“

Aber natürlich ging es am Sonntag auch um Politik. Um Digitalisierung, um sterbende Innenstädte, um die Energiewende, um Schulpolitik und bezahlbaren Wohnraum. Die Fragen dazu hatten Inga Trautmann und die Kolpingsfamilie zuvor unter anderem per Facebook gesammelt.

Der freie Markt regelt nach Überzeugung von Nils Feldmann und Norbert Ricking nicht alles.

Der freie Markt regelt nach Überzeugung von Nils Feldmann und Norbert Ricking nicht alles. © Stefan Grothues

In Sachen Digitalisierung waren sich alle einig, dass der Netzausbau schneller und besser werden müsse. Nils Feldhaus forderte: „5G hinter jeder Milchkanne“. Jens Steiner forderte digitale Konzepte zur Stärkung des Einzelhandels.

Heike Wermer lobte das Förderprogramm der schwarz-gelben Regierung in Düsseldorf für Innenstädte: „Vreden geht beim Leerstandsmanagement ja beispielhaft voran“, sagte die Landtagsabgeordnete. Norbert Ricking forderte eine Belebung der Innenstädte auch jenseits des Konsums.

Wechselseitige Vorwürfe in Sachen Wohnungsbauförderung

Schärfer war die Auseinandersetzung in Wohnungsbaufragen. Jens Steiner erntete Applaus für die Aussage: „Die Landesregierung hat viel versprochen und nichts gehalten. Es gibt heute weniger Sozialwohnungen als vor fünf Jahren.“ Nils Feldhaus: „Wir brauchen mehr Förderung für eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft und genossenschaftliches Wohnen. Das hat die Landesregierung verschlafen.“

Auch Norbert Ricking erklärte: „Der Markt regelt nicht alles. Das funktioniert so nicht. Heike Wermer dagegen betonte die hohe Bedeutung der Mietpreisbindung. Und: „Der soziale Wohnungsbau ist in den letzten Jahren gut vorangekommen.“ Wichtig sei, dass das Wohnen und auch das Heizen bezahlbar bleiben. Wermer: „Was die Ampel in Berlin da vorbereitet, das reicht nicht.“

Streit um Mindestabstände für Windkraftanlagen

Sergej Kernebeck warf den Parteien „auf der linken Seite“ Enteignungsfantasien vor. Es sei nach seiner kommunalpolitischen Erfahrung wichtig, dass der richtige Mix aus Eigenheim- und Geschosswohnungsbau verwirklicht werde.

Auch in Energiefragen gibt es einen klaren Konfrontationspunkt. Norbert Ricking: „Die starre Haltung der Landesregierung zur Beibehaltung der 1000-Meter-Abstandsregelung verhindert den Ausbau der Windenergie.“ Jens Steiner: „Nur Bayern und NRW beharren auf einer Sonderregelung. Und da hat Heike Wermer mitgestimmt.“

„NRW ist schon Spitze beim Windkraftausbau“

Sergej Kernebeck und Heike Wermer hatten eine andere Sichtweise. Kernebeck: „Wir sind in Nordrhein-Westfalen schon an der Spitze beim Windkraftausbau.“ Wermer: „Wir haben hier vor Ort einen bürgerfreundlichen Ausbau geschafft. Bürgerwindparks lassen viele Menschen am Erfolg teilhaben.“

Und auch das erfuhr das Publikum noch: Ja, Heike Wermer geht zu Karpaten, in diesem Jahr sogar mit Ministerpräsident Hendrik Wüst. Jens Steiner trifft sich am Wochenende mit Freunden oder schaut Netflix, wenn sein Bruder ihn nicht zur Gartenarbeit drängt.

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Norbert Ricking bedauert rückblickend, nicht mehr Zeit in der freien Natur verbracht zu haben. Sergej Kernebeck hält sich nicht für einen Zahlen-Nerd, sondern mag es, Politik mit Menschen zu machen. Und Nils Feldhaus muss als Linker nicht lange über seine Lieblingsgestalten in der Geschichte nachdenken: „Karl Marx, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht!“