Das System Himmelsbrücke in Vreden Viel mehr als nur vertauschte Asche

Das System Himmelsbrücke: Viel mehr als nur vertauschte Asche
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Ein Skandal erschüttert die Branche der Tierbestatter in der Region: Gegen die Betreiber der Tierbestattung Himmelsbrücke (Markus und Günther Weiffen) in Vreden stehen immer mehr schwere Vorwürfe im Raum. Nach Recherchen unserer Redaktion sollen sie nicht nur Aschen vertauscht, sondern auch Krematorien nicht bezahlt und ohne die erforderliche Genehmigung des Veterinäramtes gearbeitet haben. Unsere wochenlangen Recherchen deckten nach und nach ein System auf, das auf Lügen basiert. Der entscheidende Beweis führte die Redaktion schließlich nach Nijmegen.

Überall offene Rechnungen

Doch zuerst treten wir einen Schritt zurück: Mehrere Krematorien in Deutschland und den Niederlanden erheben Zahlungsansprüche gegen die Weiffens. Das stellte sich schon in der ersten Rechereche zu diesem Fall heraus. Doch nach und nach kamen immer weitere hinzu. So beläuft sich die ausstehende Summe beim Krematorium Waltrop auf etwa 9000 Euro, während das Krematorium Kolleweidenhof in Heelweg sowie eine Einrichtung in Hengeloe jeweils auf rund 5000 Euro warten. Nach Informationen aus Branchenkreisen bestehen weitere unbezahlte Rechnungen.

Besonders brisant sind jedoch die Vorwürfe, dass das Ehepaar Aschereste von verstorbenen Haustieren vertauscht haben soll. Kunden, die ihre geliebten Tiere in die Obhut der Weiffens gaben, mussten offenbar befürchten, nicht die Asche ihres eigenen Tieres zurückzubekommen. Ein Vorwurf, der für Entsetzen bei Tierhaltern sorgt.

„Wir wollten unserer geliebten Hündin einen würdevollen Abschied ermöglichen. Stattdessen fühlen wir uns belogen und betrogen“, betonte einer der Betroffenen gegenüber unserer Redaktion, nachdem er die Asche seiner Hündin Joy selbst aus den Niederlanden abholen musste.

Gerne hätten wir eine Erklärung für die offenstehenden Beträge von den Betreibern eingeholt. Mittlerweile versuchen allerdings zwei unterschiedliche Anwaltskanzleien im Auftrag der Weiffens, unsere Recherchen und Berichterstattung zu verhindern. Eine davon ließ uns in Vertretung der Firma Himmelsbrücke Tierbestattungen vertreten durch Günther Weiffen jedoch folgendes Statement zukommen: „Es gibt keine offenen Firmenverbindlichkeiten. Offene Rechnungen in NL sind beglichen.“

Doch das ist nach Rückfrage bei den betroffenen Krematorien definitiv nicht der Fall (Stand: 29. Januar). Außerdem richtet der Anwalt wortwörtlich aus: „Zurzeit ruht der Betrieb aufgrund Ihrer Berichterstattung und der neu ins Leben gerufenen Facebook Seite ‚Geschädigte der Himmelsbrücke tote Tiere werden zurzeit nicht angenommen.‘“

Lügen über Gesundheit

Doch scheinbar setzt Günther Weiffen die Aktivitäten inoffiziell fort. Die Redaktion hatte die Möglichkeit, persönlich bei einem Kennenlerngespräch zwischen Günther Weiffen und einem Krematorium in Nijmegen dabei zu sein. Der Plan des Tierbestatters: In Zukunft dort Tiere kremieren zu lassen.

Ebenfalls dabei: Eine seiner Gläubigerinnen. Annemarie Bodt betreibt das Krematorium Kolleweidenhof in den Niederlanden. Sie versuchte nach mehrmaligen Inkasso-Beauftragungen nun ihre Forderungen einzutreiben - ohne Erfolg.

Schon damals - die Forderungen stammen aus 2022 - habe man Bodt immer wieder mit dem schlechten Gesundheitszustand von Markus Weiffen vertröstet. Auch ein vermeintlich amputiertes Bein wurde immer wieder angeführt. „Aber das in Abständen von mehreren Jahren bei unterschiedlichen Krematorien“, erzählt Bodt. „Wie viele Beine hat der Mann denn?“

Annemarie Bodt (1. v.l.) vom Tierkrematorium Kolleweidenhof in den Niederlanden bekommt noch mehr als 5000 Euro vom Tierbestattungsunternehmen Himmelsbrücke und konfrontierte die Vredener Unternehmer bei einem Kennenlerngespräch in Nijmegen mit den Betreibern des dortigen Krematoriums.
Annemarie Bodt (1. v.l.) vom Tierkrematorium Kolleweidenhof in den Niederlanden bekommt noch mehr als 5000 Euro vom Tierbestattungsunternehmen Himmelsbrücke und konfrontierte die Vredener Unternehmer bei einem Kennenlerngespräch in Nijmegen mit den Betreibern des dortigen Krematoriums. © Luca Bramhoff

Diese und ähnliche Begründungen für nicht geleistete Zahlungen wiederholen sich. Auch die anderen Krematorien bekamen unterschiedliche Erkrankungen als Verzögerungsgrund genannt. Das bestätigt auch Christian Speda vom Tierkrematorium in Waltrop. Heike Herrmann, die jetzt seine Mitarbeiterin ist, wurde aus ähnlichen Gründen bei der Himmelsbrücke fristlos gekündigt. Doch das Geschäft wurde all die Jahre trotzdem weiter geführt. Man suchte sich sogar neue Partner, die noch an die Zahlungsbereitschaft der Tierbestatter glaubten.

Darunter nicht nur Krematorien, sondern auch Floristen aus Vreden und Stadtlohn sowie ein Druckunternehmen aus Vreden. Der Geschäftsführer gibt an, dass Werbemittel im Wert von 1200 Euro geliefert wurden. Die Rechnung - wie sollte es anders sein - wurde bis heute nicht bezahlt.

Keine Zulassung für Lagerung

Doch es bleibt nicht nur bei unbezahlten Rechnungen. Im Gespräch mit den Besitzern des Tierkrematoriums in Nijmegen gab Günther Weiffen an, mehrere Tiere bereits in Vreden zu lagern. Auf Nachfrage der Redaktion bestätigte der Kreis Borken nun allerdings, dass das Veterinäramt aufgrund von Hinweisen Kontrollen beim Unternehmen der Weiffens durchgeführt hat. Dabei stellte sich heraus, dass die Firma rechtlich lediglich als Transportunternehmen für verstorbene Tiere zugelassen ist. „Eine Zulassung als Lager- oder Verarbeitungsbetrieb für verendete Heimtiere liegt hier nicht vor“, erklärte ein Sprecher des Kreises.

Die Anforderungen an einen Verarbeitungsbetrieb, wie beispielsweise ein Tierkrematorium, seien sehr umfangreich und würden in die Zuständigkeit des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV NRW) fallen. Das Fehlen einer Genehmigung für die Lagerung von verstorbenen Haustieren wirft gravierende Fragen auf. Veterinärmedizinische Experten warnen, dass unsachgemäße Lagerung zu hygienischen und seuchenschutzrechtlichen Problemen führen kann.

Keiner von beiden Schuld?

Auf weitere Fragen der Redaktion hat Günther Weiffen im Gespräch mit der Redaktion keine Antwort geben wollen oder können. Seine Erklärung: Das Finanzielle habe stets sein Ehemann geregelt. Umgekehrt erklärte uns Markus Weiffen vor wenigen Wochen im persönlichen Gespräch in der Redaktion, dass offene Rechnungen aus der Vergangenheit auf schlechtes Finanzmanagement seines Ehemannes zurückzuführen seien.

Was nun stimmt, bleibt offen. Fakt ist: Die Recherchen unserer Redaktion haben jetzt auch die Aufsichtsbehörden alarmiert. Ob strafrechtliche Konsequenzen drohen, werde derzeit vom Veterinäramt und der Kreispolizei geprüft.