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Reisetherapeutin aus Vreden: „Reisen kann man psychologisch nutzen“
Christina Miro
Christina Miro aus Vreden hat eine besondere Form der Therapie entwickelt – die Reisetherapie. Die Idee: Das Reisen verändere Menschen und diese Effekte müsse man nur richtig nutzen.
Den Moment, als am Amazonas eine Bananenspinne, eine der giftigsten Spinnen der Welt, in ihrer Unterkunft saß, wird Christina Miro wohl nie mehr vergessen. Und als sie in Bolivien tagelang ohne fließendes Wasser auskommen musste, ohne Toilette, ohne Dusche, ohne saubere Kleidung, hat das etwas in ihr verändert.
„Die Geräusche in der Nacht, das ständige Gefühl von Gefahr, die Gespräche mit Menschen, die in Armut leben, die neuen kulinarischen Eindrücke und dazu die beeindruckenden Bilder der Natur – das alles macht etwas mit uns“, sagt die 30-Jährige aus Vreden. Soweit, so bekannt.
Doch Christina Miro geht einen Schritt weiter: „Das kann man psychologisch nutzen“, sagt sie. Vom Sauerland aus arbeitet sie als Reisetherapeutin mit Menschen auf der ganzen Welt. Diese Form der Therapie und der Beratung hat sie selbst entwickelt.
Psychotherapie während einer Reise möglich
2012 hat Christina Miro ihr Abitur am Gymnasium Georgianum gemacht, danach Psychologie studiert. Zurzeit macht sie die Weiterbildung zur Psychotherapeutin. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte in der Psychotherapie sind Zwang, Trauma, Depression und Burnout.
„Wer sehr schwer erkrankt ist, zum Beispiel an einer Depression, und suizidal ist, der wird natürlich nicht durch eine Reise wieder gesund“, sagt Christina Miro ganz klar. Aber sie ist auch überzeugt, dass ein Ortswechsel und die neuen Eindrücke helfen können.

Christina Miro hat Psychologie studiert und macht gerade eine Weiterbildung zur Psychotherapeutin. © Privat
„Normalerweise ist es ja so, dass man eine Stunde Therapie macht, und danach zurück geht in sein stressiges Leben“, sagt die 30-Jährige. „Aber wie wäre es, wenn man genau das auf der anderen Seite der Welt am Strand, im Wald oder in den Bergen macht? Man kann ganz anders denken, wenn man nicht direkt in dem Schlamassel sitzt.“
Das wird möglich, weil Christina Miro ihre Dienste online anbietet. Per Videogespräch können die Patienten mit ihr sprechen und eine Therapiesitzung abhalten. Das ermöglicht auch ihr selbst eine gewisse Reisefreiheit. Sie kann ortsunabhängig arbeiten und genau das war ihr Ziel.
Praxisalltag kollidiert mit persönlichen Zielen
Schon in der zehnten Klasse hat sie angefangen, bei einem Psychotherapeuten in Vreden als Praktikantin und später als Aushilfe zu arbeiten. „Ich war fasziniert davon, wie er den Menschen helfen konnte, und wusste schnell, dass ich das auch machen möchte“, erzählt Christina Miro.
Aber sie merkte auch, dass der Praxisalltag nicht so ihr Ding ist. „Das kollidiert mit meinen persönlichen Zielen und meinem Freiheitsdrang.“
Im Laufe des Studiums merkte sie, dass es auch anders geht. Als Teil des Bachelor-Studiums ging sie nach Bolivien und arbeitete für eine Non-Profit-Organisation mit behinderten und psychisch kranken Kindern und Jugendlichen. Nebenbei reiste sie durch das Land.

Am Amazonas hat Christina Miro viel über sich selbst gelernt. © Privat
„Da habe ich gemerkt, dass man beides kombinieren kann und ich wollte mehr davon“, sagt Christina Miro. Sie überlegte, wie sie die beiden Leidenschaften miteinander verbinden kann. Ihre erste Idee: eine eigene Organisation gründen. Doch das stellte sich als nicht so einfach heraus.
Also entwickelte sie die Reisetherapie. Die Bausteine daraus nutzt sie auch im Coaching und in Beratungen. Der Unterschied zur Psychotherapie ist, dass es hier nicht um Krankheitsbilder geht, sondern um alltäglichere Probleme. Dabei steht jedoch nicht das Problem an sich im Vordergrund, sondern ein spezifisches Ziel, das erreicht werden soll.
Coaching und Beratung zum Thema Reisen
„Wir sprechen über Veränderungen im Leben, Trennungen, Beziehungsprobleme. Zum Beispiel wenn sich jemand nicht zwischen zwei Frauen entscheiden kann oder sich selber finden möchte“, sagt Christina Miro.
Aufgrund ihres Hintergrundes wenden sich auch Klienten mit reisespezifischen Problemen an sie. „Viele haben diesen Traum vom Auswandern oder von einer langen Weltreise, sehen aber nur die Hindernisse. Im Coaching erarbeiten wir zusammen, ob der Schritt der richtige ist.“

Eine ihrer Reisen hat die 30-Jährige in die Atacama Wüste in Chile geführt. © Privat
Seit der Corona-Pandemie stehen auch immer wieder die ausgefallenen Urlaube im Fokus. „Reisen ist ein absolutes Bedürfnis“, sagt die 30-Jährige. Sie selber musste ihre lang ersehnte Japan-Reise mehrmals verschieben und absagen. Für Menschen, die unter den fehlenden Reisen leiden, hat sie einige Tipps:
- Es gibt zahlreiche Online-Angebote für virtuelle Reisen. Die Auswahl reicht von zusammengestellten Videos und Fotos über komplette Rundreisen mit digitalem Sightseeing bis hin zu Live-Video-Formaten mit echten Personen vor Ort und einem kulinarischen Paket für zu Hause.
- Um das kurzzeitige Bedürfnis zu stillen, könne man sich Videos und Fotos von früheren Urlauben ansehen und zum Beispiel ein Album erstellen.
- Die Planungen für den nächsten Urlaub helfen, die Hoffnung nicht aufzugeben.
- Auch Deutschland hat schöne Ecken: Raus in die Natur und aktiv sein hilft gegen schlechte Gedanken und Stimmungen.
Christina Miro hofft, dass sie im kommenden Jahr endlich ihre Japan-Reise antreten kann. Ansonsten stehen noch Südafrika und die USA auf ihrer Liste. In Zukunft möchte sie zudem als Reisetherapeutin auch Gruppen begleiten.
„Wenn die Teilnehmer neue Lebensweisen kennenlernen, dann verändert sich ihre Sichtweise automatisch, sodass ich nur noch wenig psychotherapeutisch arbeiten muss.“ Das Schwierige sei dann, diese Erkenntnisse in den Alltag zu übertragen. Auch bei dieser Reise zurück begleitet sie die Menschen als Reisetherapeutin.
Als gebürtige Vredenerin habe ich mich aus Liebe zur Region ganz bewusst für den Job als Lokaljournalistin in meiner Heimat entschieden. Mein Herz schlägt für die Geschichten der Menschen vor Ort. Ich möchte informieren, unterhalten und überraschen.
