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Ratssitzungen werden aus Angst vor Shitstorm und Fake-News nicht gestreamt
Livestream
Die Sitzungen des Vredener Stadtrates werden auch in Zukunft nicht live im Internet übertragen. Eine große Mehrheit kritisierte den von der FDP-Fraktion formulierten Vorschlag heftig.
Die Mitglieder des Rates wollen sich bei ihren Sitzungen lieber nicht filmen lassen. Gegen den Antrag der FDP, die Ratssitzungen live im Internet zu übertragen, gab es heftigen Widerstand. Die große Mehrheit des Rates lehnte es am Freitagabend ab, die technischen Möglichkeiten und finanziellen Auswirkungen überhaupt nur zu prüfen.
„Wir verpassen hier gerade eine große Chance, mehr Transparenz und somit mehr Akzeptanz zu schaffen“, sagte Kasper Neuendorf (FDP) dazu. Seiner Meinung nach würde die Live-Übertragung dafür sorgen, dass mehr Menschen an der Lokalpolitik teilhaben können.
Aufwand ist aus Datenschutzgründen recht hoch
Doch mit dieser Meinung stand die FDP-Fraktion praktisch alleine da. Sogar Bürgermeister Tom Tenostendarp, der sich selbst eigentlich als „Fan der Digitalisierung“ bezeichnet, sah das Vorhaben kritisch: „Die rechtlichen Anforderungen sind sehr hoch.“
Aus Datenschutzgründen müsste zum Beispiel jedes Ratsmitglied den Videoaufnahmen zustimmen. Wenn einer damit nicht einverstanden ist, darf sein Bild und Ton nicht übertragen werden. Der Inhalt seiner Aussagen aber müsste übermittelt werden, zum Beispiel durch eine Transkription.
Hinzu kommen die technischen Herausforderungen. Die Verwaltung nennt dazu die Kostenschätzung einer anderen Kommune: 50.000 Euro für die Erstausstattung. Angesichts dessen stellte Reinhard Laurich (SPD) die Frage nach Kosten und Nutzen: „Ich glaube nicht, dass sich das so viele Menschen anschauen würden, dass sich das lohnt.“
Angst vor verbaler Gewalt in sozialen Netzwerken
Doch das war letztendlich nicht der ausschlaggebende Punkt. Der Datenschutz hingegen war den Ratsmitglieder enorm wichtig. Denis Gescher (CDU) hatte Sorge, dass die Videos in den sozialen Netzwerken landen und dort aus dem Zusammenhang gerissen werden könnten. „Da geht es um verbale Gewalt und Shitstorms. Das möchte ich weder für mich noch für andere Ratsmitglieder.“ Dem stimmte Gerd Welper (Grüne) zu: „In den sozialen Netzwerken werden Dinge bewusst falsch dargestellt.“ Reinhard Laurich (SPD) sprach sogar von „Fake-News“.
Das wollte Kasper Neuendorf so nicht stehen lassen: „Wenn wir die komplette Ratssitzung online stellen, beugen wir doch Fake-News vor. Da kann jeder alle Zusammenhänge sehen.“ Hendrik Mulder (FDP) ergänzte: „Haben wir ernsthaft Angst, dass das, was wir sagen, in die Öffentlichkeit kommt? Das kann doch nicht sein.“ Sogar die Kirche und Vereine streamen mittlerweile, das müsse der Rat das doch auch hinkriegen.
Unterstützung kam von Elmar Kampshoff (UWG): „Wir dürfen uns nicht verstecken, kapitulieren und zurückrudern.“ Doch auch er sah die Zeit noch nicht reif für eine Live-Übertragung der Ratssitzungen.
Antrag wird mit großer Mehrheit abgelehnt
Weitere Argumente dagegen: Atmosphäre, Zwischenrufe und Kommentare würden nicht übertragen, sodass das Gesamtbild verzerrt würde. Außerdem sei der Rat mit dem Ratsinformationssystem bereits transparent genug. Und: „Man sollte sich die Zeit nehmen, in die Ratssitzung zu gehen. Das hat was mit Wertschätzung für die ehrenamtlichen Ratsmitglieder zu tun“, so Denis Gescher.
Kasper Neuendorf hielt dagegen, dass nun mal nicht jeder in die Sitzungen kommen könnte. „Ich denke an Eltern von kleinen Kindern, pflegende Angehörige oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen“, sagte er.
Doch er konnte nicht überzeugen. Am Ende stimmten nur die drei Vertreter der FDP und Julia Lösing von den Grünen für die Live-Übertragung der Ratssitzungen. Daniel Leuders (Grüne) enthielt sich, der Rest war dagegen.
Als gebürtige Vredenerin habe ich mich aus Liebe zur Region ganz bewusst für den Job als Lokaljournalistin in meiner Heimat entschieden. Mein Herz schlägt für die Geschichten der Menschen vor Ort. Ich möchte informieren, unterhalten und überraschen.
