
Hoher Besuch in Vreden: Bundespräsident a.D. durfte sich in das Goldene Buch der Stadt eintragen. © Carina Strauss
Hoher Besuch in Vreden zur Feier von 75 Jahren Soziale Marktwirtschaft
Ausstellung im Kult
Wenn ein ehemaliger Bundespräsident nach Vreden kommt, dann hat das einen triftigen Grund. In diesem Fall liegt der Grund 75 Jahre in der Vergangenheit und beginnt mit einem großen S.
Wenn einen ganzen Abend lang die Polizei vor dem Kult in Vreden steht, dann ist wohl entweder etwas gründlich schief gelaufen oder aber es findet eine große Veranstaltung im Kult statt. Am Dienstagabend war Letzteres der Fall.
Zahlreiche Gäste hatten sich auf den Weg nach Vreden gemacht, um gemeinsam mit dem Team der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft die offizielle Eröffnung der Ausstellung „Soziale Marktwirtschaft ist Kult“ zu feiern.
Ehemaliger Bundespräsident kommt zu Fuß in die Stadt
Geladen war unter anderem auch Bundespräsident a.D. Horst Köhler. Zu Fuß kam er die Gasthausstraße entlanggelaufen und wurde vor dem Kult von Bürgermeister Tom Tenostendarp, Nils Goldschmidt, Vorsitzdender der Aktionsgemeinschaft, und Elisabeth Büning vom Kreis Borken begrüßt. Köhler war noch nicht in Vreden gewesen, zeigte sich aber begeistert von der Stadt. Natürlich durfte er sich vor einem der Panoramafenster im Obergeschoss des Kults in das Goldene Buch der Stadt eintragen.
Diese Ehre wurde später auch dem Bundestagsabgeordneten Jens Spahn zu Teil, der in seiner Rede zum Festakt betonte: „Ich bin gerne hier, vor allem als Westmünsterländer.“ Die Region sei stolz auf das, was im Herz-Jesu-Kloster in Ellewick begonnen hat.
Denn hier hat Alfred Müller-Armack vor 75 Jahren sein Buch „Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft“ geschrieben, in dem er erstmals den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ verwendete. Auch ist überliefert, dass er auf der Treppe des Klosters gesagt haben soll: „Nun weiß ich, wie es heißen muss. ‚Soziale Marktwirtschaft‘ muss es heißen! ‚Sozial‘ mit großem ‚S‘!“
Zweimal Alfred Müller-Armack Verdienstmedaille verliehen
Die Ausstellung läuft bereits seit Anfang Juni, am Dienstagabend feierte man allerdings die offizielle Eröffnung mit einem Festakt zur Verleihung der
Alfred Müller-Armack Verdienstmedaille.
Mit der Medaille sollen Persönlichkeiten geehrt werden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, für die Soziale Marktwirtschaft als eine lebendige und dynamische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung einzutreten.
In diesem Jahr erhielten die Medaille Karen Horn, Freie Wissenschaftlerin und Publizistin, sowie Ortwin Guhl, Vorstandsvorsitzender a.D. der Kreissparkasse Tuttlingen.

Nach der Verleihung der Verdienstmedaille (v.l.): Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Nils Goldschmidt, Laudator Randolf Rodenstock, Preisträgerin Karen Horn, Preisträger Ortwin Guhl und Laudator Hermann Albeck. © Carina Strauss
Karen Horn wurde vor allem für ihre Verdienste um eine soziale Marktwirtschaft mit menschlicher Prägung geehrt, für die sie seit vielen Jahren streite.
Zusammen denken, das sei das, was die Gesellschaft weiterbringe, so Karen Horn in ihrer Dankesrede. Sozial und Markt werden bei der Sozialen Marktwirtschaft zusammen gedacht. Trotzdem sei es auch wichtig zu wissen, welche Meinungen man nicht am Tisch haben will, so Horn.
Politisches Denken sei ein Prozess
„Die Herren, die in der Ausstellung vorkommen, hatten die Totalitarismus-Erfahrung hinter sich. Sie standen nicht immer da, wo sie standen, als sie das geschaffen haben, was unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ausmacht“, so Horn und spielte damit wohl auf die nationalsozialistische Vergangenheit Müller-Armacks an.
Es spreche vieles dafür, dass er sich von dem nationalsozialistischen Gedankengut gelöst habe, heißt es in der Ausstellung. „Es war ein Prozess und auch bei vielen von uns ist das Denken darüber, wo wir politisch stehen, sicherlich ein Prozess“, betonte die Preisträgerin.
Horn mahnte aber gleichzeitig an, sich gegen Dinge zu wehren, die dazu führen, dass Demokratien abgeschafft und gegen menschliche Werte verstoßen wird. „Das zu erkennen, frühzeitig anzusprechen und sich zu wehren, ist Voraussetzung für alles, worüber wir hier nachdenken und sprechen.“ Zum Verbindenden gehöre eben auch ein kleines Element des Abgrenzens.
Forderung nach weniger Bürokratie für Unternehmen
Ortwin Guhl erhielt die Medaille für sein Engagement für eine Wirtschaft und soziale Ordnung, die effizient und fair zugleich ist.
Er sprach in seiner Dankesrede von seinen Erfahrungen als Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse. „Wir hatten die Finanzkrise mit gewaltigen Wohlstandsverlusten. Es war deshalb sicherlich richtig, dass der Staat Regeln setzt, die künftig derartiges weniger wahrscheinlich machen“, so Guhl.
Gleichzeitig sei mit dieser Regelsetzung eine „Regulierungswut“ entstanden, die vor allem mittlere und kleinere Unternehmen in der Wirtschaft existenzgefährdend treffe. Von freiem Unternehmertum könne hier nicht mehr die Rede sein.
Setzte sich diese Entwicklung fort, so werde man langfristig eine andere Unternehmensstruktur erhalten, verliere die Wettbewerbsvorteile im globalen Umfang und erleiden Wohlstandsverluste. Guhl forderte einen drastischen Rückbau der Bürokratie.
Auch die Jugend wurde geehrt
Für Horst Köhler war der Festakt ein wichtiges Zeichen: „Es wurden zwei Persönlichkeiten ausgezeichnet, die durch ihr Leben, das, was sie tun, gezeigt haben, dass die soziale Marktwirtschaft nicht irgendetwas theoretisches, sondern etwas sehr Praktisches ist. Und das brauchen wir, um auch mit neuen Herausforderungen gut klarzukommen.“

Horst Köhler überreichte die Urkunde an eine der Gewinnerinnen des Schülerwettbewerbs. © Carina Strauss
Er hatte zuvor außerdem die Siegerinnen des Schülerwettbewerbs geehrt. „Wir brauchen die Jugend. Ich habe überhaupt keine Sorge, dass wir, wenn wir die Jugend richtig mit einbinden und ihnen Spielraum lassen, auch die neuen Herausforderungen meistern.“ Gewonnen hatten Emona Ahlert und Rosalie Krummel Ortiz vom Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium Telgte.
50 Schülergruppen hatten an dem Wettbewerb der Aktionsgemeinschaft teilgenommen. „Wir hatten das Thema Soziale Marktwirtschaft ohnehin gerade im Unterricht und haben dann neben Unterricht und Klausurenphase das Thema noch vertieft“, so Emona Ahlert. Entstanden ist ein rund dreiminütiges Video, dass ihre Gedanken zur Marktwirtschaft aufgenommen hat. „Es ist wirklich toll, wir hatten auch gar nicht damit gerechnet, zu gewinnen. Umso schöner ist es heute hier zu sein.“
Und was macht ein ehemaliger Bundespräsident, wenn er Freizeit hat? „Vorhin bin ich an der Hauptstraße entlanggelaufen, aber jetzt habe ich mir vorgenommen, noch durch die Innenstadt zu gehen“, so Horst Köhler.
Geboren und aufgewachsen an der Grenze zwischen Ruhrpott und Münsterland, hat Kommunikationswissenschaft studiert. Interessiert sich für Tiere, Kultur und vor allem für das, was die Menschen vor Ort bewegt.