
Viele Interessierte wollten sich informieren und mitdiskutieren bei der Veranstaltung, bei der es um die mögliche Umbenennung der Bischof-Tenhumberg-Straße in Lünten ging. Der Rat entscheidet am 27. Oktober. © Nicole Rogozinski
Hitzige Gemüter: Kontroverse Diskussion zu möglicher Straßenumbenennung
Bischof-Tenhumberg-Straße
Hätte der Bischof anders handeln können? Was kommt auf die Anlieger zu, falls die Bischof-Tenhumberg-Straße umbenannt wird? Wie sehen Missbrauchsopfer den Fall? In Lünten wurde diskutiert.
Der Saal ist voll an diesem Donnerstagabend in der Gaststätte Vrenegor in Lünten. Rund 200 Bürgerinnen und Bürger sind der Einladung zu einer offenen Info- und Diskussionsrunde zur Bischof-Tenhumberg-Straße gefolgt. Der Rat hatte einstimmig beschlossen, seine Entscheidung über eine eventuelle Umbenennung der Straße erst nach einer Informationsveranstaltung zu treffen. Nächste Woche ist es so weit.
Zum Thema: Bereits kurz nach Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens der Uni Münster, in dem bekannt wurde, dass der gebürtige Lüntener während seiner Amtszeit als Bischof mehrere Straftäter wissentlich im Amt gehalten und somit weitere Straftaten nicht verhindert hat, wurde die Frage lauter, wie man im Ort damit umgehen möchte.

Peter Frings, Interventionsbeauftragter im Bistum Münster, war auch in Lünten zu Gast und stellte vor, was das ausführliche Gutachten zu Missbrauchsfällen im Bistum Münster genau zum Verhalten von Bischof Heinrich Tenhumberg ausgeführt hatte. © Nicole Rogozinski
Die SPD-Fraktion beantragte, die Bischof-Tenhumberg-Straße umzubenennen. Die FDP forderte, durch ein Hinweisschild an der besagten Straße auf die Versäumnisse des Bischofs aufmerksam zu machen. Die CDU-Fraktion beantragte daraufhin, eine Informationsveranstaltung zu organisieren, um den Menschen in Lünten und Vreden die Gelegenheit zu geben, sich zum Antrag auf Umbenennung zu äußern.
Und so sind am Donnerstag viele Interessierte zusammengekommen. Anwohner der Straße, Nachfahren des Bischofs, Politiker, Betroffene. Die Stimmung ist hitzig, aber dennoch bleibt es in der Diskussion weitgehend sachlich. Durch den Abend führt Prof. Dr. Peter Witte, Hochschullehrer außer Dienst. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Dr. Tom Tenostendarp, der um Fingerspitzengefühl bittet „trotz des sehr emotionalem Themas“, referiert Historiker Dr. Volker Tschuschke kurz über das Leben und Wirken des Bischofs Heinrich Tenhumberg und über die Namensgebung von Straßen an sich.
Das zweite Informationspaket liefert der Interventionsbeauftragte des Bistums, Dr. Peter Frings, der aus dem im Juni veröffentlichten Gutachten berichtet. Forscher hatten das jahrzehntelange Versagen und die Strafvereitelung der Bistumsleitung Münster in verschiedenen Fällen nachgewiesen. Wegen sexuellen Missbrauchs straffällig gewordene Priester seien immer wieder nur versetzt worden und hatten somit erneut zu Tätern werden können. Auch Bischof Heinrich Tenhumberg seien Verfehlungen bei seinen Aufsichtsverpflichtungen nachgewiesen worden.

© Nicole Rogozinski
Dann beginnt die offene Fragerunde: Inwieweit hätte der Bischof eine Möglichkeit gehabt, die straffälligen Priester nicht weiter zu beschäftigen? Das interessiert eine Teilnehmerin. Ob es überhaupt die Möglichkeit für ihn gegeben hätte oder ob er einem gewissen „Druck von höherer Stelle“ ausgeliefert war, ergänzt sie.
Nach mehrmaligem Nachhaken wird Peter Frings deutlich: Bischof Heinrich Tenhumberg hätte sowohl kraft seines Amtes als auch durch persönliche Verantwortung immer die Chance gehabt, den Priestern den Dienst aufgrund der Straffälligkeit zu verweigern. „Selbst, wenn er dadurch seinen Job verloren hätte. Ich wäre stolz auf jemanden, der Mut hat, sein Amt zu riskieren, um diesen Gräueltaten ein Ende zu setzen“, sagt Frings.
Die Diskrepanzen beim Abwägen der positiven Leistungen von Bischof Heinrich Tenhumberg mit seinen Versäumnissen in Zusammenhang mit den schweren Missbrauchstaten bleiben im Raum hängen. Insgesamt wird jedoch in den Wortmeldungen deutlich, dass ein Großteil der Anwesenden für die Umbenennung der Straße ist. Das klingt in vielen Wortmeldungen durch.
Dazu führten auch die Kommentare zweier von Missbrauch Betroffener, die sich an dem Abend von Rhede aus auf den Weg nach Lünten gemacht hatten. Gerade eine fortwährende Ehrung von Personen durch Plätze oder Straßennamen seien den Betroffenen immer wieder ein Dorn im Auge, betonen die beiden.
Es wird teilweise sehr emotional. Natürlich wollen die Anwohner der Straße auch wissen, wer die Kosten übernimmt, die ihnen für die Änderung des Personalausweises und weiterer Dokumente entstehen. Bürgermeister Tom Tenostendarp verweist auf eine Pauschale, die die Stadt zahlen werde.
Auch eine Verschiebung der Entscheidung wird gefordert. Darauf wird aber nicht eingegangen: Der Rat wird am kommenden Donnerstag (27. Oktober) eine finale Entscheidung treffen. Alle Interessierten können den öffentlichen Teil der Sitzung ab 18 Uhr im Vredener Rathaus verfolgen.