Redakteurin Victoria Garwer hat das Spezial-Fahrrad und die Naturtour mit ihrer Großmutter Maria Thünte getestet.

© Stadtmarketing Vreden

Endlich wieder mobil: Selbsttest auf der Naturtour mit Spezial-Fahrrad

rnReisen für alle

Eine Radtour hat die 92-jährige Oma von Redakteurin Victoria Garwer schon lange nicht mehr gemacht. Doch dank eines Spezial-Fahrrades und der Naturtour wird das wieder möglich. Ein Selbsttest.

Vreden

, 25.06.2021, 18:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Meine Oma ist 92 Jahre alt. Seit etwas mehr als vier Jahren sitzt sie im Rollstuhl, seit fast zehn Jahren ist sie kein Fahrrad mehr gefahren. Doch an diesem Mittwoch fährt sie gemeinsam mit mir auf einem Spezialrad durch die Vredener Natur. „Wahnsinn, was ich alles noch erleben darf“, sagt sie nach dieser Erfahrung begeistert. Sie hätte selbst nie geglaubt, dass sie noch einmal so mobil sein würde.

Möglich hat das das Dreirad-Tandem der Biologischen Station Zwillbrock gemacht. Denn das ist speziell für Menschen mit Einschränkungen konzipiert. Ich greife meiner Oma unter die Arme und bugsiere sie langsam vom Rollstuhl in den Fahrradsitz. Der ist weich gepolstert, hat verstellbare Armlehnen und lässt sich praktisch zur Seite drehen zum Einsteigen.

Danach drehen wir den Sitz samt Oma in Fahrtrichtung und schnallen sie an. „Das ist ja einfacher als ins Auto einzusteigen“, lautet ihr Urteil. Die Füße stellt sie auf die ausklappbare Platte. Sie könnte auch auf ihren eigenen Pedalen mittreten, doch das schafft sie an diesem Tag nicht. Festhalten kann sie sich entweder an den Armlehnen oder an ihrem unbeweglichen Lenkrad. „Fühlt du dich sicher?“, frage ich. „Ja, auf jeden Fall.“

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Ich nehme auf dem Sitz neben ihr Platz. Meine Aufgabe ist das Lenken und Trampeln. Bei Letzterem unterstützt ein Elektromotor mit vier Stufen. Die Lenkung funktioniert gut. Der Wendekreis ist klein und das Fahrrad bleibt auch auf unebenem Untergrund fest am Boden. „Damit können wir nicht umkippen“, ist sich meine Oma schnell sicher.

Viele Informationen zur Barrierefreiheit der Naturtour

Dann kann es ja losgehen. Wir wollen einen Teil der neuen Naturtour zwei fahren. Schließlich ist die nach „Reisen für Alle“ zertifiziert und somit für Menschen mit Einschränkungen konzipiert. Das heißt, dass es zu der Tour zahlreiche Informationen zu unterschiedlichen Einschränkungen gibt.

Für Menschen mit Sehbehinderung ist zum Beispiel wichtig, wie gut lesbar die Beschilderung ist. Die Frage nach Gefällen und Neigungen auf der Strecke, Oberflächenbeschaffenheit und Behindertenparkplätzen interessiert Rollstuhlfahrer.

Die Straßen auf dem Abschnitt zwischen Vreden und Ammeloe sind breit genug für das Dreirad-Tandem.

Die Straßen auf dem Abschnitt zwischen Vreden und Ammeloe sind breit genug für das Dreirad-Tandem. © Stadtmarketing Vreden

Wir entscheiden uns anhand dieser Informationen für einen Teilabschnitt zwischen Vreden und Ammeloe. Hier sind die Straßen breit genug, dass wir mit dem Dreirad-Tandem entspannt radeln können. Die Navigation funktioniert anhand von Knotenpunkten. Dank der Karte wissen wir, zu welchem Punkt wir als nächstes müssen. Die roten Wegweiser dorthin sind gut erkennbar, kaum zu übersehen.

Unterhaltungen sind auf dem Dreirad gut möglich

Während ich also in die Pedale trete, genießt Oma die frische Luft. Das Schöne: Wir sitzen nebeneinander, können uns während der Fahrt ansehen und uns somit auch gut unterhalten. Das klappt beim Spazierengehen mit Rollstuhl nicht so gut, da dort beim Schieben kein Blickkontakt möglich ist.

Das Dreirad-Tandem ist speziell für Menschen mit Einschränkungen konzipiert.

Das Dreirad-Tandem ist speziell für Menschen mit Einschränkungen konzipiert. © Stadtmarketing Vreden

Oma kann auf dem Fahrrad zudem besser erkennen, wo ich hinlenke. Sie sieht die Kurven und mögliche Unebenheiten in der Straße und kann sich darauf einstellen. Das alles gibt ihr Sicherheit. „Ich hätte nie gedacht, dass das so gut klappt“, meint sie lächelnd.

Wir radeln den Wirtschaftsweg entlang, genießen die Natur und quatschen so entspannt wie schon lange nicht mehr. Nach gefühlt nur wenigen Minuten sind wir in Ammeloe angekommen. Christoph Winkelhorst vom Hotel-Restaurant Am Kring hat für uns Kaffee und Schnittchen vorbereitet.

Rollstuhl fehlt bei der kurzen Mittagspause

Auch sein Restaurant ist nach „Reisen für Alle“ zertifiziert. Dank der Informationen wissen wir, dass es einen rollstuhlgerechten Eingang gibt, die Tische unterfahrbar und die Türen breit genug sind. Allerdings fällt bei dieser Pause ein Nachteil des Spezialrades auf: Wir haben den Rollstuhl nicht dabei.

Die Naturtour zwei wurde nach "Reisen für alle" zertifiziert, ebenso wie das Café Altes Rathaus, das neu dazugekommen ist. Darüber freuen sich (v.l.) Tom Tenostendarp, Martin Terbrack, Karin Otto, Martina Laurich und Hermann Pennekamp.

Die Naturtour zwei wurde nach "Reisen für alle" zertifiziert, ebenso wie das Café Altes Rathaus, das neu dazugekommen ist. Darüber freuen sich (v.l.) Tom Tenostendarp, Martin Terbrack, Karin Otto, Martina Laurich und Hermann Pennekamp. © Stadtmarketing Vreden

Das heißt, dass wir uns nicht besonders weit vom Fahrrad wegbewegen können. Deswegen nehmen fahren wir das Rad so dicht wie möglich an einen Tisch im Außenbereich heran. Mit Unterstützung schafft Oma die Schritte bis zum Stuhl. Sogar ein netter Autofahrer hält an und fragt, ob wir weitere Hilfe benötigen.

Nach der Stärkung geht es zurück aufs Fahrrad. Wir fahren noch eine kleine Runde durch Ammeloe, schließlich war meine Oma auch hier schon seit einigen Jahren nicht mehr. Dann geht es auf dem gleichen Weg zurück nach Vreden. Eigentlich ist die gesamte Strecke der Naturtour zwei 30 Kilometer lang. Zwei alternative Rundwege sind 21,7 und 17,4 Kilometer lang. Doch dafür reicht die Zeit an diesem Vormittag nicht.

Knapp zwei Stunden waren wir unterwegs und Oma ist begeistert. „Ein tolles Fahrrad“, sagt sie. „Das können wir auf jeden Fall noch öfter machen.“ Kein Problem für mich, denn die Handhabung war wirklich einfach. Für eine längere Tour müsste ich es nur irgendwie organisieren, dass der Rollstuhl an der Pausen-Location ist. Dann stünde einem Tagesausflug nichts mehr im Wege.

Informationen

  • Das Dreirad-Tandem kann von montags bis freitags zwischen 8 und 16 Uhr an der Biologischen Station Zwillbrock gegen eine Spende ausgeliehen werden.
  • Die Ausleihe muss zwei Tage im Voraus angemeldet werden, damit die Akkus geladen werden können. Als Kaution muss ein Personalausweis oder ein Autoschlüssel hinterlegt werden.
  • Karten und Informationsmaterial zur Naturtour eins und zwei gibt es beim Stadtmarketing im Kult.
  • Alle Informationen zur Barrierefreiheit der Routen und der Angebote an der Strecke gibt es auf der Internetseite von „Reisen für alle“ (reisen-fuer-alle.de).
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