
© Anne Winter-Weckenbrock
Brauhaus-Abriss: Erinnerungen an durchfeierte Nächte, Boxen und Sportlerbälle kommen hoch
Brauhaus-Abriss
Der Abrissbagger ist am Werk. Mitten in Vreden, vom Domhof her, greifen die Zähne der Schaufel ins Mauerwerk des ehemaligen Hauses Kleine. Da kommen Erinnerungen hoch bei den Passanten.
Ob der Baggerfahrer oft so viele Zuschauer hat bei der Arbeit? Viele Vredener, die am Montag zufällig auf dem Domhof sind, halten für einige Minuten an und sehen sich die Abrissarbeiten am ehemaligen Brauhaus – bei den älteren eher als Haus Kleine bekannt – an. So auch Holger Schwanekamp. Mit seiner Tochter Jana ist er mit den Fahrrädern in der Stadt unterwegs, hält an und stützt sich auf dem Lenker ab, um einen Blick auf die Arbeiten zu werfen.
Ein Mitarbeiter der Abrissfirma hält den Wasserschlauch in Richtung der Hauswand, die gleich angegangen wird. Der Baggerfahrer, der sich einen Überblick über die Lage verschafft hat, steigt wieder ins Fahrzeug, zielt mit dem Greifarm und reißt ein Stück des Gebäudes herunter. Staub wirbelt auf. Was er denkt, wenn er das sieht? Holger Schwanekamp muss schmunzeln: „Dass man älter wird.“ Er hat das eine oder andere Mal dort gefeiert. Auch seine Tochter Jana kannte das Brauhaus von innen: „Auf der Kirmes war das mal offen“, erinnert sie sich.

An der Hauswand steht noch die Adresse des Hauses Kleine: Domhof. © Anne Winter-Weckenbrock
Der Investor wird am Standort zwischen Markt und Domhof ein neues Gebäude hinsetzen. Oben Wohnungen, unten Gastronomie. Aber eher nicht zum ausgelassenen Feiern. Das hatte der Vredener Gastronom Rolf Elsing einige Monate dort ausprobiert. Ergebnis: Zu laute Musik störte die Nachbarschaft. Die „Flamingo-Bar“ hatte im Jahr 2017 nur ein paar Monate. Dann kamen die neuen Pläne.
Auf den Aufruf der Münsterland Zeitung, Erinnerungen an Haus Kleine und Brauhaus zu teilen, gab es viel Resonanz. Auch Volker Schlegel erinnert sich gern: Er hat vor 20 Jahren als DJ in „Kleines Bierkeller“ aufgelegt. Und als Rolf Elsing mit der Flamingo-Bar am Start war, war er wieder da. Viel hatte sich gar nicht verändert. Der Vredener kennt sogar den Boden der Tanzfläche: „Den hat mein Vater gefliest. Da war ich als kleiner Steppke dabei“, erzählt der 43-Jährige.

Der Blick von der Wessendorfer Straße auf das Gebäude, das in den nächsten Tagen wohl komplett abgerissen sein wird. © Anne Winter-Weckenbrock
Volker Schlegel war im Jahr 1997 21 Jahre alt, und samstags oft in Kleines Bierkeller. „Ich habe mich meistens beim DJ hingestellt“, sagt er. Dass er sich für Musik interessierte, fiel dem DJ Guido wohl auf. Mitten im größten Kirmestrubel 1997 bat er Volker Schlegel, ihn mal kurz zu vertreten. „Dann war er ‘ne Stunde weg. Und ich habe einfach mal die großen Hits aufgelegt“, erinnert er sich lachend. Nach dem Sprung ins kalte Wasser hatte er, der heute noch Platten auflegt, seinen ersten Job bei Peter Kleine. Der hatte nämlich mit dem Stamm-DJ etwas getrunken und getestet, wie Volker Schlegen sich denn so rettet.

Volker Schlegel hat als DJ im Haus Kleine aufgelegt. © Privat
Er erinnert sich gerne an seine ersten Schritte als DJ in „Kleines Bierkeller“. Und viele der Hits spielt er auch heute noch. „Die Nummern waren schon stark.“ Zu Gloria Gaynor und dem Dirty-Dancing-Filmhit „Time of my life“ tanzten die Vredener Ende der 1990er-Jahre genauso gerne wie zu den Songs der Backstreet Boys.
Durchfeierte Nächte, Boxen, Sportlerbälle und Tanzkurse
Aber das Haus Kleine war weit mehr als Kneipe und Disco, wie viele Facebook-Posts unserer Leser noch einmal verdeutlichen. Heike Tenhumberg fasst einiges zusammen: „1989 Tanzkursus, Liesel und Peter Kleine, Familienfeiern, Kellern, Sportlerball, Kleines Bierkeller, tanzen, Freunde treffen, Boxkämpfe und so vieles mehr. Man bekommt Tränen in den Augen, wenn man an die schöne Zeit zurückdenkt“, schreibt sie und ist mit ihrer Wehmut nicht alleine. Ewald Waning denkt an „Liesel Kleine, Peter Kleine, Boxkämpfe, Betriebsfest, Hahnenball,
Kolpingkarneval, Kanninchenaustellung, Geflügelaustellung, Kegelbahn, Schießstand“.

Bei der "Boxnacht 2017" kamen Erinnerungen an die früheren Wettbewerbe des TV Vreden im Haus Kleine hoch. © Sascha Keirat
Martina Niehuis denkt an „Kinderkarneval, Sportlerball, Tanzkurs, Familie Kleine, viel, viel Spaß!! Dort herrschte immer das gewisse ‚Etwas‘“, und Robin Stute erinnert sich gern an den Sportlerball 2011-2012: „Das war klasse... Dort waren Jule und ich das Kinderprinzenpaar der Session.“
Und nicht zuletzt waren Kleines Bierkeller und das Brauhaus beziehungsstiftend:
„Auf dem Kolpingkarneval am 12.02.1978 habe ich meine Frau kennengelernt“, schreibt Georg Tekampe. Thorsten Böcker drückt es etwas anders aus: „Viele lustige Männer-Abende, Mutter meiner Tochter dort kennengelernt, Karneval, Ersatz für Meckies Disco“.

1959 stieg Anton Esseling auf den Turm der St.-Georg-Kirche, das Haus Kleine hebt sich in Weiß ab. © Anton Esseling/Archiv der Stadt Vreden
Hubert Krandick kennt sich im städtischen Archiv bestens aus und hat zwei Fotos vom Vorgängergebäude des späteren Hauses Kleine herausgesucht: Der Vredener Fotograf Anton Esseling hat in den Jahren 1954 und 1959 Aufnahmen vom Markt mit dem Gastronomiebetrieb gemacht.

Der Markt im Jahr 1954 mit dem Vorgängergebäude des Hauses Kleine (links). © Anton Esseling/Archiv Stadt Vreden