Eines haben der VfL Bochum, Borussia Dortmund und Schalke 04 gemeinsam: Alle drei Vereine sind mindestens einmal aus der Bundesliga ab- und wieder in sie aufgestiegen. Mit den Schalkern hat der VfL noch eine Gemeinsamkeit: Beide haben am Ende einer Saison nie auf dem 1. Platz in der Bundesliga-Tabelle gestanden.
Aber sonst? Ist der VfL in vielem einfach viel kleiner als die beiden Nachbarn: Sein Stadion hat nur noch 26.000 Plätze; als größter Erfolg der Vereinsgeschichte gilt anders als bei BVB und S04 kein Europapokal-Titel, sondern dass man sich überhaupt zweimal für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert hat. Dafür gibt es VfL-Fans und sogar einen Spieler, die bei allen Europapokal-Spielen ihres Vereins dabei waren. Die findet man bei BVB und S04 nicht.
Das soll es mit den Vergleichen aber auch gewesen sein. Die Geschichte des VfL in der Bundesliga bietet auch ohne Blicke nach Osten und Nordwesten genügend Stoff.
22 Jahre lang konstant oben
Stolze 22 Jahre lang galten die Bochumer von 1971 an als die Unabsteigbaren. Erst 1993 stieg man erstmals ab. Es begannen die Jahre, in denen der VfL eine On-Off-Beziehung mit der 1, Bundesliga führte. Aufstieg 1994, Abstieg 1995, Aufstieg 1996, Abstieg 1999, Aufstieg 2000, Abstieg 2001, Aufstieg 2002, Abstieg 2005, Aufstieg 2006. 13 Jahre mit fünf Abstiegen, fünf Aufstiegen und zwei Einzügen in den UEFA-Cup: 1997 unter Klaus Toppmöller und 2004 unter Peter Neururer.
Die VfL-Fans in der Ostkurve kreierten den Song: „Wir steigen auf, wir steigen ab, und zwischendurch UEFA-Cup!“ Doch nach dem nächsten Abstieg 2010 hatte es sich mit dem Auf und Ab. Erstmals misslang der direkte Wiederaufstieg, als man in der Relegation an Borussia Mönchengladbach scheiterte (das entscheidende Tor erzielte ein gewisser Marco Reus).
Es folgte, was vielen Traditionsklubs blüht, die einmal in der 2. Liga feststecken: Es geht nicht mehr vorwärts. Aber anders als bei vielen anderen - der MSV Duisburg, 1860 München und Arminia Bielefeld seien beispielhaft genannt - ging es für den VfL auch nie weiter runter.
Und dennoch: Der Wiederaufstieg 2021 unter Trainer Thomas Reis, nach elf langen Zweitliga-Jahren, hatte sich überhaupt nicht abgezeichnet und war deshalb umso schöner, wenn auch beim entscheidenden Sieg gegen Sandhausen keine Zuschauer im Stadion dabei sein durften.
Stabilität in den 70ern und 80ern
Doch was macht den VfL Bochum aus? Die 70er- und 80er-Jahre waren von einer großen Stabilität geprägt: Spieler wie Hermann Gerland, Lothar Woelk, Walter Oswald, Torwart Ralf Zumdick und allen voran VfL-Rekordspieler Michael „Ata“ Lameck standen in dieser Zeit gefühlt Hunderte Male gemeinsam in der Startelf. Sie alle beendeten ihre Karriere beim VfL oder verließen ihn zumindest nie aus sportlichen Gründen.
Dazu ist Jupp Tenhagen zu nennen, der erste VfL-Nationalspieler, der von 1973 bis 1988 für den VfL aktiv war, unterbrochen von einem Borussia-Dortmund-Intermezzo, weil Bochum Geld brauchte. Leistungsträger kamen in dieser Zeit selten von außen: Allen voran Klaus Fischer oder Stefan Kuntz, der 1986 als erster VfLer Torschützenkönig wurde.
Auf der Trainerbank saßen bis 1986 nur vier Männer: Hermann Eppenhoff, Heinz Höher, Helmuth Johannsen und Rolf Schafstall. Und, auch das ist nicht zu vergessen: In all den Jahren wurde der Verein nur von einem einzigen Präsidenten geführt, Ottokar Wüst. Es ist sicher kein Zufall, dass die Konstanz auf und neben dem Platz Hand in Hand gingen.

Diese Ära endete gefühlt 1988. Damals verpasste der VfL den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte, verlor das DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt sehr unglücklich, nachdem Uwe Leifelds regulär erzieltes 1:0 wegen Abseits nicht gegeben worden war. Bis heute ist das ein Trauma für viele VfL-Fans. Mit diesem Spiel in Berlin endete die Karriere von „Ata“ Lameck, der beim Finale nicht eingewechselt wurde.
Zwar folgten noch fünf Bundesliga-Jahre, aber die Konstanz war weg. Nach Rolf Schafstalls Abgang 1986 wechselte der VfL bis Ende 2001 zwölf Mal den Trainer. Und auch die Mannschaft änderte deutlich öfter ihr Gesicht. Die große Ausnahme war Spielmacher Dariusz Wosz, der ab 1992 14 Jahre lang für den VfL auflief und der eingangs erwähnte einzige Spieler war, der alle Europapokal-Spiele in der Vereinsgeschichte bestritt. In die Herzen der Fans spielten sich zwar punktuell immer wieder auch andere Akteure, aber wirklich lange blieb keiner: Weder die beiden anderen VfL-Torschützenkönige Thomas Christiansen und Theofanis Gekas noch die Säulen der besten VfL-Saison 2003/04, die Stürmer Vahid Hashemian und Peter Madsen.
Und zum Bedauern der Fans gelingt es bis heute mangels finanzieller Möglichkeiten nicht, die Stars der eigenen Jugendmannschaften auch als Profi zu halten: Immerhin vier Spieler im deutschen WM-Kader 2022 sind beim VfL ausgebildet worden: Leon Goretzka, Ilkay Gündogan, Lukas Klostermann und Armel Bella-Kotchap. Eine echte VfL-Legende gibt es erst wieder mit dem aktuellen Kapitän Anthony „Toto“ Losilla.

Ein Grund zu feiern
Wie es mit dem VfL weitergehen wird? Die Aussichten, sich langfristig in der 1. Liga zu etablieren, stehen nicht allzu gut: Trotz eines enormen Mitglieder- und Dauerkartenwachstums sind dem Verein Grenzen gesetzt. Das Einzugsgebiet ist vergleichsweise klein, weil sich die Fans aus anderen Städten der Region nach Dortmund oder selbst zum Zweitligisten Schalke orientieren. Zudem gilt das Ruhrstadion zwar als echtes Nostalgie-Schmuckstück, aber die geringen Kapazitäten verhindern größere Einnahmen. Kurz gesagt: Es wird für den Verein schwer bleiben, sportlich und finanziell mitzuhalten.
Doch die treuen Anhänger des VfL sind Kummer gewohnt. Dass sie Erfolgs-Fans wären, kann man ihnen jedenfalls ganz gewiss nicht vorwerfen. Und so wären viele von ihnen eher dazu bereit, wieder mit ihrem Verein in die 2. Liga zu gehen, anstatt ihr geliebtes Ruhrstadion gegen eine moderne Arena einzutauschen.
Aber erst einmal spielt man nun die dritte Saison in Folge 1. Bundesliga. Für den kleinen VfL ist das ein Grund zu feiern.
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