
© Michael Schley
Optiker Georg Mester übergibt Geschäft – mit einem „rundum guten Gefühl“
Wirtschaft
Nachfolgelösungen sind heute oft Herausforderungen. Nicht so bei Optik Mester in Südlohn. Silvia Wessing führt das Geschäft im Sinne von Georg Mester weiter. Es gibt einige Gemeinsamkeiten.
Es war ein fließender, fast geräuschloser Übergang – „ein sehr gutes Zeichen“, wie Georg Mester betont. Zum Frühherbst hatte der Optikermeister sein Fachgeschäft an der Vitus-Kirche an Silvia Wessing übergeben. Der 66-Jährige ist froh, eine solch gute Nachfolgelösung gefunden zu haben: „Das war eine glückliche Fügung.“ Die ersten Wochen bestätigten ihn.
Einige Parallelen und Gemeinsamkeiten sind schon auffällig: Sowohl Georg Mester als auch Silvia Wessing waren ungefähr gleich alt, als sie den Sprung in die Selbstständigkeit planten. Beide brachten Erfahrung als Geschäfts- und Filialleiter mit. „Und wir kommen beide aus Gescher – ohne uns persönlich zu kennen“, erklärt Georg Mester und lacht. Er sei einfach froh, sein Geschäft in so gute Hände übergeben zu haben: „Ich habe ein rundum gutes Gefühl dabei.“
Damit lebt auch die Ära einer festen Größe im Südlohner Dorfkern weiter. Heute keine Selbstverständlichkeit, wie Georg Mester weiß. Er blickt zurück: Begonnen hatte er eigentlich als Uhrmacher bei Pieper in Stadtlohn, „da habe ich aber auch schon Einblicke in die Optik erhalten“, so Mester.
Das wollte er machen – ab 1975 bei Optik Busch in Gescher. Weiter ging es ab 1979 bei Augenoptik Weskamp in Coesfeld, bevor er dann 1986 die Meisterprüfung im Optikerhandwerk ablegte. Als Meister wurde er Geschäftsführer in Billerbeck.
Fachgeschäft wird zur festen Größe im Dorfkern
Das Ziel war die Selbstständigkeit. Ein „Sprung ins kalte Wasser“, wie er sagt. „Ich habe einen Zirkel angelegt und einen Umkreis von 20 Kilometern rund um Gescher gelegt – und bin bei einem Ladenlokal in Südlohn hängengeblieben“, schmunzelt der Gescheraner. An der Kirchstraße löste er die Ausstellung einer Schreinerei ab. Binnen drei Monaten stellte er alle Weichen für den 1. September 1999.

Silvia Wessing bringt langjährige Erfahrung als Augenoptikerin mit, sie hat zu Beginn auch eigene Akzente gesetzt. © Michael Schley
Und machte sofort die harten Alltagserfahrungen eines motivierten Neuselbstständigen: „Meinen ersten Kunden hatte ich eineinhalb Stunden beraten – komplett erfolglos“, berichtet er. Der zweite wurde schon zum Stammkunden. Wie so viele. Denn endlich gab es auch am Ort die für viele so wichtigen Sehhilfen. Dabei entwickelte Georg Mester sein Geschäft immer weiter.
Diese 22 Jahre Selbstständigkeit aus Leidenschaft seien nur möglich gewesen mit der Unterstützung des Teams und vor allem durch Frau Reinhilde: „Sie kam aus der Textilbranche, kannte Kundenkontakt. Und sie hat sich um den Einkauf gekümmert“, so Georg Mester, der selbst die Brillen gefertigt hat: „Das hat sich perfekt ergänzt.“
Kontakt nach Südlohn entstand per Zufall
Ein Jahr vor der geplanten Übergabe habe er dann gezielt im Bekanntenkreis die Info gestreut, dass er es „in einem Jahr geschafft haben“ wird. Das wurde gehört. „Eine Bekannte hatte mir berichtet, dass sie ihren Optiker in Südlohn nicht verlieren will“, ergänzt Silvia Wessing. Und so habe sie „einfach mal angeklingelt“. Mit Erfolg, weil „es sofort passte“. „Ich hätte nicht an jeden übergeben“, betont Georg Mester.
Silvia Wessing bringt selbst eine langjährige Erfahrung ein. Seit 1998 arbeitete sie als Augenoptikerin in Borken, Heiden, Gescher, Senden. 2011 folgte die Meisterprüfung. „Wenn man schon mal Filialleiterin ist und den Meister gemacht hat, dann denkt man auch über die Zukunft nach“, erklärt die 46-Jährige.

Das Ladenlokal prägt die Kirchstraße seit nunmehr über 22 Jahren. © Michael Schley
Und da sie nicht weit weg von Gescher wollte, sei die Lösung in Südlohn die glückliche Fügung gewesen: „Da musste ich zuschlagen.“ Wichtig: „Ich musste nicht, sondern wollte mich selbstständig machen“, betont die Gescheranerin. Und dass sie etwas Gutes übernehmen konnte statt etwas Neues aufbauen zu müssen, habe die Entscheidung noch mal leichter gemacht.
Neue Inhaberin setzt auch eigene Akzente
Einige Wochen arbeiteten Gründer und Nachfolgerin zusammen, „wir haben uns dabei beschnuppert“, sagt Georg Mester. Silvia Wessing stellte parallel ein neues Team zusammen – unter anderem mit einigen Mitstreitern aus dem bisherigen Berufsleben. Jessica Rosenberg, Annika Borchers und Jürgen Emmerich unterstützen sie. Und sie „frischte“ das Ladenlokal auf, binnen nur einer Woche. „Neuer Look, neuer Inhaber, gleiche Qualität“ lautete das Motto.
Und wieder gab es eine glückliche Fügung. „Die alten Möbel konnte ein Optiker aus Eschweiler übernehmen, der bei der Flutkatastrophe alles verloren hatte“, sagt die Familienmutter erfreut. Sie setzte eigene Akzente – „und ein eigener Stil ist auch wichtig“, wie Georg Mester meint.
Jetzt freue sie sich täglich auf ihr „herzliches Ladenlokal“ und die vielen Stammkunden, die sie neben einigen Neukunden weiter betreuen dürfe. „Viele freuen sich auch, wenn der Georg mal wieder vorbeischaut. Sie sind einfach froh, dass es weitergeht, haben uns herzlich aufgenommen“, so Silvia Wessing. Und sie spürt einen Trend bei den Kunden, wieder mehr am Ort kaufen zu wollen: „Da hat Corona sicher dazu beigetragen.“
„Ich konnte aufhören, wann ich es wollte“
Hat er denn loslassen können? „Sehr gut sogar, weil es ja gut weiterläuft. Ich war am ersten Tag nach der Schließung genauso glücklich wie zuvor“, erklärt Georg Mester. Nach über 50 Jahren erfülltem Berufsleben freue er sich nun auf andere wichtige Dinge, zum Beispiel auf Zeit mit den beiden Enkelkindern. Und: „Ich konnte aufhören, wann ich es wollte. Das Leben musste mir dies nicht vorschreiben.“ Er habe es „einfach immer gern gemacht“.