Die Vituskirche in Südlohn. Die Gemeinde Südlohn gehört zum Amtsgerichtsbezirk Borken, der eine nie dagewesene Zahl von Kirchenaustritten aufweist.

Die Vituskirche in Südlohn. Die Gemeinde Südlohn gehört zum Amtsgerichtsbezirk Borken, der eine nie dagewesene Zahl von Kirchenaustritten aufweist. Einen großen Vertrauensverlust in die Institution Kirche diagnostiziert Propst Christoph Rensing aus Borken. © Markus Gehring/privat

Amtsgericht Borken bearbeitete 1087 Kirchenaustritte – auch aus Südlohn

rnKatholische Kirche

Eine Verdreifachung innerhalb von vier Jahren hat sich im Bezirk des Amtsgerichts Borken in Bezug auf Austritte aus der katholischen Kirche ergeben. Auch Südlohn zählt zum Amtsgerichtsbezirk.

von Sven Kauffelt

Borken, Südlohn

, 30.06.2022, 04:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Zahl der Kirchenaustritte steigt auch im Raum Borken immer weiter an. Allein im ersten Quartal dieses Jahres sind mehr Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten als im ganzen Jahr 2017. An eine Trendumkehr glauben auch engagierte Gläubige nicht mehr.

Die katholische Kirche sieht sich mit einer weiter zunehmenden Welle von Austritten konfrontiert. „Es gibt offenbar einen großen Vertrauensverlust in die Institution Kirche, den einige mit dem Austritt quittieren“, fasst Propst Christoph Rensing zusammen.

Die Zahlen sprechen Bände. Im Bezirk des Amtsgerichts Borken, zu dem neben der Kreisstadt auch Südlohn, Heiden, Gescher, Raesfeld, Reken und Velen gehören, wurden im vergangenen Jahr 1087 Kirchenaustritte gezählt. Das bedeutet eine Verdreifachung innerhalb von vier Jahren. Laut Amtsgerichtsdirektor Dr. Martin Middeler hat das Gericht allein im ersten Quartal 467 weitere Austritte gezählt. „Der Trend setzt sich also fort“, sagt Middeler.

Austrittswillige bekommen kaum Termine

Inwieweit das vor zwei Wochen vorgestellte Gutachten zu Missbrauchsfällen im Bistum Münster die Zahl der Austritte beeinflusst, ist derzeit noch nicht absehbar. Die Terminnachfrage sei ungebrochen, sagt der Amtsgerichtsdirektor: „Austrittswillige haben aktuell Schwierigkeiten, zeitnah Termine zu bekommen.“

Denjenigen, die sich in der Kirche engagieren, macht der Trend große Sorge – er überrascht aber auch nicht. „Der Glaube ist bei vielen Menschen nicht mehr da“, hat Anne Wendholt beobachtet. Die Wesekerin ist Vorstandsmitglied des Pfarreirates von St. Ludgerus. Sie sagt: „Die Gesellschaft insgesamt wendet sich von der Kirche ab. Ich glaube auch nicht, dass sich das noch mal umkehrt.“ Dabei sei Kirche vor Ort doch weniger der Klerus und die Bistümer als „die Gemeinschaft“.

„Man sieht, was Kirche leistet“

Das sieht die Borkenerin Katharina Schmidt genauso. „Man sieht doch bei vielen Einrichtungen, was Kirche alles leistet“, sagt sie als Mitglied des Kirchenvorstandes von St. Remigius. Sie glaubt, dass die Gründe für den Austritt vielfach auch finanzieller Natur sind. „Und es gelingt uns nicht, den Gegenwert deutlich zu machen.“ Die Kirche sei für sie „die lebendige Gemeinschaft“, bei der sie besonders den Propst hervorhebt, der sich für „eine bunte Vielfalt“ einsetze.

Missbrauchsskandale sind nicht der einzige Austrittsgrund

Christoph Rensing sagt, der Blick auf die Zahlen sei „frustrierend, das geht mir auch persönlich nahe“. Die Gründe seien vielschichtig. Neben den Missbrauchsskandalen, die beim Vertrauensverlust eine große Rolle spielen, habe die Kirche weiterhin großen Nachholbedarf bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau oder auch in der Frage des Umgangs mit Homosexualität. „Gerade bei jungen Leuten liegt es außerhalb der Vorstellungskraft, dass die Kirche daraus immer noch ein Problem macht“, sagt der Propst.

Was ihm wiederum Hoffnung macht: Die Zahl der Taufen, Erstkommunionen und Hochzeiten ist im Dekanat Borken wieder gestiegen. „Wir haben nicht nur Frustrationserlebnisse“, betont Rensing.

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