Ruhig ist es, als Steffen Kemper die Tür zum Gewächshaus öffnet. Es rauscht ein wenig, im Hintergrund läuft scheinbar eine Pumpe. „Winterruhe.“ Ein täglicher Kontrollgang. Zeit, um den Algenstamm zu pflegen für das, was bald wieder kommen wird. Sobald die Sonne wieder höher steht, nimmt die Algenproduktion wieder Fahrt auf. Vielleicht schon Ende Februar. Für die Zellteilung braucht es neben Wärme und Nährstoffen eben vor allem der UV-Strahlen.

„Wenn die PV-Anlage wieder richtig anläuft, dann auch die Algenproduktion“, fasst es Vater Alfons Kemper in Worte. Vor etwa sechs Jahren war Steffen in dessen Unternehmen Agrilio eingestiegen, beide wurden gemeinsam Geschäftsführer. Die Idee zum Projekt Mikroalgen „Made im Münsterland“ wuchs bekanntlich nach und nach. Trotz der „Produktionspause“: Viel Zeit zum Durchschnaufen bleibt aktuell dennoch nicht, die nächsten Pläne stehen bekanntlich vor der Tür. Neben dem Tagesgeschäft.
Erster Bauabschnitt abgeschlossen
„Schon verrückt, was hier in einem Jahr entstanden ist.“ Steffen Kemper lässt das Jahr 2023 noch mal Revue passieren. Eine alte Halle im Wienkamp wurde abgerissen, ein Verwaltungsgebäude und eine landwirtschaftliche Halle ersetzten diese. Auf der anderen Straßenseite entstehen in vier Bauabschnitten zehn Folien-Gewächshäuser für die Mikroalgenproduktion, die ersten drei mit insgesamt 3000 Quadratmetern standen planmäßig Mitte des Jahres.
Der erste Abschnitt wurde zur Punktlandung. Das, obwohl „immer Dinge auftauchen, mit denen man nicht gerechnet hat“, kennt Alfons Kemper die Gepflogenheiten bei Bauprojekten und lacht.

„Drei, vier Wochen später konnten wir schon die Produktion aufnehmen“, blickt Steffen Kemper zurück. Anfang September startete das sogenannte „Animpfen“, der Algenstamm wurde von der Uni Gießen (Algenland) geliefert, einem der Partner. Nach etwa der gleichen Zeit konnte die erste Ernte eingefahren werden. Oder anders: Die Münsterland Algen GmbH wurde mit Leben gefüllt.

Dazu wird das Wasser, in dem die Algen wachsen, aus den Gewächshäusern unterirdisch in die gegenüberliegende Halle gepumpt, dort werden sie geerntet und später getrocknet. In der Regel zweimal die Woche. Dies bei maximal 40 Grad Celsius, so entstehen die „schongetrockneten“ Rohkostalgen in hoher Qualität.

Das Wasser wird umgehend wieder aufbereitet und fließt dann zurück in die Gewächshäuser. Ein steter Kreislauf. Übers Jahr gesehen werden so ein Kilogramm Algen pro Quadratmeter produziert. Alles sei auf Nachhaltigkeit ausgelegt, so Alfons Kemper. Das Thema untermauere man auch mit der regenerativen Energieerzeugung. Eben mit besagter PV-Anlage. Rein technisch laufe übrigens alles wie erwartet, hier und da gebe es immer Stellschrauben, an denen man drehe.
Viele Einsatzbereiche
Steffen Kemper holt derweil eine Probe der allerersten Ernte hervor, „Rohkost-Spirulina“. Das Granulat wird zum zu Streuseln, Krümeln oder Pulver aufbereitet. Verarbeitet würden diese zum Beispiel in Smoothies oder Nahrungsergänzungsmitteln. Gar in Gummibärchen. „Spirulina ist eine natürliche Eiweiß-, Eisen- und Vitamin-A-Quelle“, erklärt Steffen Kemper. Sehr interessant zum Beispiel auch für schwangere Frauen. „Im Grunde gibt es unendlich viele Einsatzbereiche.“

Diese zu bedienen und zu finden, das ist ein Schwerpunkt der täglichen Arbeit. Und deshalb glühen sprichwörtlich die Drähte. Die Vermarktung sei eine Kernaufgabe – neben der täglichen Qualitätskontrolle. Das alles, während am Standort noch kräftig gebaut wird. Die nächsten Anträge sind bereits gestellt. „Die Technik ist auch zu teuer für nur drei Gewächshäuser“, betont Alfons Kemper.

Steffen Kemper lehnt sich kurz zurück: „Ohne den Zusammenhalt in der Familie wäre das alles nicht möglich.“ Um dann gleich wieder ans Telefon zu gehen – es ist einer dieser berüchtigten „Chaostage“ eines Selbstständigen. Natürlich mit einem Augenzwinkern. Bereut hat er den Schritt nicht, auch wenn es mal Tage gibt…“. Man erahnt, was der Geschäftsführer sagen will.
Spannende Nische gefunden
Das sei dann aber schnell wieder vergessen, die Motivation ziehe einen wieder hoch. Auch in dem Wissen, dass Selbstständigkeit immer mit einem gewissen Risiko verbunden ist. „Wir wollten ja bewusst etwas machen, das andere so nicht machen. Uns abheben, nicht vergleichbar sein, eine spannende Nische finden.“ Und diese biete enorm viel Potenzial.

Der Südlohner ist sich aber auch in einem sicher: „Alleine hätte ich die Finger davon gelassen.“ Auch wenn es immer mal „lange Tage“ gebe, so sieht es Alfons Kemper ganz pragmatisch im Gegensatz zur zum Beispiel Tierhaltung: „Wir können auch mal Wochenende machen.“
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