Die Mikroalge Spirulina gilt als sehr gesund. Zum Beispiel in der Nahrungsergänzung. Es gibt sie schon im Eis, im Kuchen oder gar im Brot. Oder als Färbemittel für blaue Gummibärchen. Dass man diese aber nicht vom anderen Ende der Welt beschaffen muss, das hat sich die Familie Kemper im Wienkamp gedacht.
Innovation und Nachhaltigkeit sind zwei Attribute, die sich das Familienunternehmen Agrilio seit Jahren auf die Fahne geschrieben hat. Nun folgt der nächste Baustein aus der Ideenschmiede: Algen aus dem Münsterland von der Münsterland Algen GmbH. Mit starken Partnern im Boot und kräftiger Investition in den Standort.

„Gerade in der Landwirtschaft muss man heute zukunftsträchtige Ideen entwickeln.“ Steffen Kemper kennt den „Markt mit vielen Veränderungen“. Vor rund fünf Jahren ist er in das Unternehmen Agrilio von Vater Alfons eingestiegen. Heute sind beide zusammen Geschäftsführer. Schwerpunkte sind unter anderem nachhaltige Produkte für die Tiernahrung und Pflanzenernährung. Steffen Kemper war es auch, der beim neusten Projekt die „treibende Kraft“ war, wie Alfons Kemper berichtet.
Idee zündet eher per Zufall
Einige Jahre beschäftigte sich das Team schon mit dem Thema Mikroalgen, es schaute sich zum Beispiel einen Betrieb bei Ahlen in Westfalen an. Gezündet hat die Idee dann eher per Zufall: Schon länger arbeitet der Familienbetrieb mit der Familie Sonderen in Oberbayern zusammen. „Beim Bier auf der Terrasse kam Patrick Sonderen plötzlich auf Spirulina zu sprechen“, so Alfons Kemper.
Die gemeinsame Idee: Spirulina für den Lebensmittelbereich zu produzieren. „Aber nicht für die Industrie, sondern für den Mittelstand“, betont Alfons Kemper. Homöopathen, Naturheilkundler, Drogerien, Reformhäuser – nur einige Beispiele. Die Familie Sonderen (Delta Tierernährung) wird sich dabei der Verarbeitung, Gestaltung und Vermarktung der Algen widmen.

„Wir haben uns irgendwie schon immer als Pioniere aufgestellt, da passt das Thema gut zu uns“, meint Steffen Kemper. Eben weil es nachhaltig und zukunftsträchtig sei. Um das Projekt voranzutreiben, waren viel Vorarbeit und weitere starke Partner nötig. Das Know-how liefert das Unternehmen Algenland in Verbindung mit der Uni Gießen. Ebenso mit im Boot sind die SVS als Versorger und letztlich auch die Gemeinde Südlohn – jeweils um die aufwändige Infrastruktur sicherzustellen.

Und so wird in diesen Tagen kräftig gebaut im Wienkamp. Eine alte Halle wurde abgerissen, dort entstehen derzeit ein Verwaltungsgebäude und eine landwirtschaftliche Halle. Auf der anderen Straßenseite entstehen in vier Bauabschnitten insgesamt zehn Folien-Gewächshäuser für die Mikroalgenproduktion, die ersten drei mit insgesamt 3000 Quadratmetern bis Mitte des Jahres.
Zehn Gewächshäuser entstehen
In den Gewächshäusern werden später in 15 Zentimeter tiefem Wasser Mikroalgen wachsen. Algen setzen Sauerstoff frei, benötigen selbst für ihr Wachstum Kohlenstoffdioxid aus der Luft, ein paar Nährstoffe, Wasser und vor allem Sonnenlicht. Sprich: Sie wachsen natürlich nur in den Monaten März bis Oktober. Zweimal wöchentlich wird das Wasser unterirdisch zur künftigen Halle gepumpt, dort werden die Algen geerntet und später getrocknet.
Heraus kommt ein Granulat, das weiterverarbeitet wird. „Das Wasser wird dann zurück in die Gewächshäuser gepumpt“, erklärt Steffen Kemper. Übers Jahr gesehen werden so ein Kilogramm Algen pro Quadratmeter produziert. Der sogenannte Algenstamm wird übrigens von der Uni Gießen geliefert, dieser muss vor allem in den Wintermonaten gepflegt werden.

Wichtig: „Die Trocknung erfolgt bei nur 40 Grad Celsius, um den Rohkoststandard zu wahren“, so Steffen Kemper. Die Produktion von Nahrungsmitteln für Menschen verlange hohe Qualitätsstandards. Das Thema Nachhaltigkeit untermauere man auch mit der regenerativen Energieerzeugung. Stichwort PV-Anlage. „Wir hinterlassen keinen negativen CO2-Fußabdruck.“ Und der Firmenname Münsterland Algen deute darauf hin, dass man zu „100 Prozent im Münsterland“ und „Made in NRW“ produziere.
Und zwar ein hochwertiges Produkt: „Die Mikroalge Spirulina enthält mehr als 60 Prozent pflanzliches Eiweiß, verfügt über alle essenziellen Aminosäuren, viel Eisen und ist reich an Vitaminen“, erzählt Prof. Dr. Stefan Gäth (Uni Gießen). Eine langfristige Alternative zu tierischen Eiweißen zum Beispiel. Der Professor meint auch, dass noch „viel Musik in dem Thema“ sei: „Theoretisch können Algen auch auf Dächern produziert werden.“
Im Wienkamp betreibt man unterdessen weiter Pionierarbeit. „Für uns ist es einfach wichtig, Produkte zu schaffen, die es nicht an jeder Straßenecke gibt. Und die nicht jeder schnell produzieren kann“, erklärt Alfons Kemper.