„Absolute Frechheit“: Kreis zieht Impf-Angebot für Seniorinnen zurück

© Markus Gehring

„Absolute Frechheit“: Kreis zieht Impf-Angebot für Seniorinnen zurück

rnGroßer Ärger

Unter anderem zwei Bewohnerinnen des betreuten Wohnen am Südlohner Henricus-Stift wurde ein Impf-Angebot unterbreitet. Nun zog der Kreis die Zusage aber zurück. Die Angehörigen sind auf 180.

Südlohn, Kreis

, 04.02.2021, 18:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Birgit Isferding und Ursula Schmidt sind sauer – und vor allem enttäuscht. Sie kennen einander nicht, haben sich in dieser Woche unabhängig voneinander an die Redaktion gewandt. Ihr Anliegen ist aber dasselbe: Ihnen ist ein Dorn im Auge, wie mit ihrer Mutter (Schmidt) beziehungsweise Schwiegermutter (Isferding) umgegangen wird. Konkret geht es um die Zusage eines Corona-Impftermins, die dann kurzfristig zurückgezogen wurde.

Zum Hintergrund: Ursula Schmidts 93-jährige Mutter und Birgit Isferdings 82-jährige Schwiegermutter wohnen jeweils in einer der betreuten Wohnungen, die an das Südlohner Henricus-Stift angegliedert sind. Mitte Januar erhielten sie, wie alle anderen Bewohner auch, Post vom Caritasverband Ahaus-Vreden. Er ist Träger der Einrichtungen. In dem Brief heißt es: „Erfreulicherweise dürfen wir Ihnen die Möglichkeit anbieten, sich hier im Henricus-Stift impfen zu lassen. (...) Wer dieses Angebot der Impfung gegen Covid-19 annehmen möchte, muss die Unterlagen bis zum 27. Januar hinterlegen.“

Dokumente fristgerecht eingereicht

Birgit Isferding und Ursula Schmidt füllten für ihre Angehörigen alle Dokumente aus und reichten sie fristgerecht bei der Caritas ein. Anfang dieser Woche – am Dienstag, 2. Februar – dann die Ernüchterung. In einem weiteren Schreiben erklärt ein Vertreter des Henricus-Stifts: „Gerade erhalten wir vom Kreis Borken die Information, dass die für Februar geplante Impfaktion abgesagt wurde. Leider können wir Ihnen daher nicht, wie geplant, die Impfung hier im Haus anbieten.“

Eine in doppelter Hinsicht schlechte Nachricht für alle Beteiligten. Ursula Schmidt erklärt: „Für meine Mutter und die anderen Bewohner war die Aussicht auf die Impfung eine Hoffnungsschimmer.“ Ähnliches berichtet Birgit Isferding: „Meine Schwiegermutter war total aufgelöst. Die Bewohner fühlen sich im Regen stehen gelassen.“

Fast alle Impftermine ausgebucht

Zweiter Teil des Problem: Seit Montag, 25. Januar, werden über die Homepage www.116117.de und telefonisch Termine an über 80-jährige Menschen in NRW vergeben. Auch Birgit Isferdings Schwiegermutter und Ursula Schmidt Mutter haben das Informationsmaterial erhalten. Weil sie aber auf die Zusage des Caritasverbandes vertraut hatten, verfolgten sie diesen Weg zunächst nicht. „Wir wollten niemandem einen Termin wegnehmen, daher haben wir auf eine Doppelbuchung verzichtet“, sagt Schmidt. Ein solidarisches Verhalten, das nun aber zum Bumerang wird.

Denn Birgit Isfering und Ursula Schmidt stiegen zu spät in den Kampf um die begehrten Impftermine ein. Beide berichten von zahlreichen Telefonaten mit dem Patientenservice und Versuchen, über die Homepage ein zeitnahes Datum zu buchen. Doch vergebens. Beide Südlohnerinnen konnten erst im April einen Termin für ihre Angehörigen vereinbaren.

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Die zweite Dosis erhalten die Seniorinnen sogar erst im Mai. Eine unbefriedigende Situation. „Wir haben unverschuldet Zeit verloren. Ich halte es für eine absolute Frechheit. Es wird mit dem Leben der alten Menschen gespielt“, sagt Birgit Isferding. Sie hofft weiter darauf, dass die Verantwortlichen eine andere Lösung finden.

Caritasverband weist Schuld von sich

Doch wer sind das eigentlich, die Verantwortlichen? Beim Caritasverband Ahaus-Vreden weist man die Schuld von sich. Pressereferent Christian Bödding erklärt auf Anfrage: „Wir sind ebenfalls sehr enttäuscht, aber in diesem Fall komplett außen vor.“ Zuständig seien der Kreis Borken und die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe.

Karlheinz Gördes, Pressesprecher des Kreises Borken, bringt etwas Licht ins Dunkel: „Seitdem der erste Impfstoff im Dezember zur Verfügung stand, arbeiten alle Akteure und auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe mit Hochdruck daran, gerade die besonders zu schützenden Personengruppen zu impfen.“ Die Lage sei allerdings sehr schnelllebig, was die Planung der Impfungen und die Information der Bevölkerung deutlich erschwere.

In dem konkreten Fall sei ein Erlass von Ende Januar für die Unannehmlichkeiten verantwortlich. „Hierin hat das NRW-Gesundheitsministerium klargestellt, dass bei Impfungen nur vollstationäre Einrichtungen zu berücksichtigen sind. Gemeint sind damit vollstationäre Alten- und Pflegeheime und leider nicht die Menschen im betreuten Wohnen“, so Gördes. Genau in dieser Zeit habe das Henricus-Stift daran gearbeitet, entsprechende Impfungen für die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner des betreuten Wohnens vorzubereiten.

Vorgaben des Gesundheitsministeriums sind bindend

„Um es kurz zu sagen: Die Vorgaben des NRW-Gesundheitsministeriums sind für den Kreis Borken bindend. Somit mussten leider alle geplanten Impfungen, die nicht in die genannte Gruppen fallen, abgesagt werden“, erklärt der Kreis-Pressesprecher. Genau wie der Caritasverband drückte er sein Bedauern für die Situation aus. „Wir setzen uns – bislang jedoch vergeblich – beim NRW-Gesundheitsministerium und bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe dafür ein, dass auch für die Bewohnerinnen und Bewohner der nicht-vollstationären Einrichtungen eine dezentrale Impfung vor Ort ermöglicht wird.“

Für Ursula Schmidts Mutter und Birgit Isferdings Schwiegermutter nur ein schwacher Trost. In ihrer Not holten sie sogar Südlohns Bürgermeister Werner Stödtke ins Boot. Von Verwaltungsseite wurde zwar Unterstützung zugesagt, versprechen konnte man aber auch hier nichts.

Immerhin hatte Karlheinz Gördes am Freitagabend, 5. Februar, doch noch gute Nachrichten zu verkünden: Das NRW-Gesundheitsministerium hat angekündigt, kurzfristig einen Erlass herauszugeben, wonach wieder weitergehende Impfungen in Altenheimen möglich sein werden. Wir rechnen damit, dass damit dort in Kürze wieder Impfungen erfolgen können.“ Was das für die beiden Südlohner Seniorinnen bedeutet, ist allerdings noch unklar.

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