
Was für ein Abend in Wenningfeld: Nach 532 Schuss um kurz vor zehn ist Herbert Nahthues neuer Kaiser vom Runkelclub Wenningfeld und Irmgard Bengfort seine Kaiserin. © Jenny Kahlert
Video und viele Fotos: Herbert Nathues ist Kaiser beim Runkelclub Wenningfeld
Runkelclub Wenningfeld
Was war denn am Freitagabend beim Kaiserschießen des Runkelclubs los? Erst wird der Vogel angesägt, dann angesprüht und die Munition muss nachgeholt werden, bis endlich der 535. Schuss fällt.
Der 535. Schuss gehört Herbert Nahthues, dem neuen Kaiser des Schützenvereins Runkelclub in Stadtlohn, Wenningfeld. Als der Vogel am Freitagabend (26. August) fällt, ist der Himmel schon schwarz, die restlichen Schützen strecken die Hände in die Luft: „Endlich!“ und Irmgard Bengfort lässt sich als neue Kaiserin zusammen mit ihrem Kaiser hochleben, das hölzernen bisschen Vogelrest in der Hand. Das alles passiert am Freitag, kurz vor 22 Uhr.
Gegen halb sieben sollte der Vogel fallen
Aber ein paar Stunden zurück: Kurz vor sechs, der Himmel ist blau und die ehemaligen Könige des Schützenvereins machen gerade eine Schießpause, 80 Schüsse zeichnen den Vogel an der Stange und man ist relativ zuversichtlich, dass in ein paar Minuten ein neuer Kaiser geehrt werden kann.
„Man kann’s natürlich nie genau sagen, vielleicht braucht er auch nochmal 80, um halb sollte er eigentlich fallen“, schätzt Schießmeister Jürgen Konert (48), der gerade eine neue Patrone einlegt. Herbert Nahthues legt das Gewehr an. „Wenn die alle so schießen wie er, dann würde es schneller gehen. Herbert ist schon ziemlich gut“, sagt der Schießwart und zeigt dabei auf den Mann, der zu später Stunde den letzten Schuss abgeben wird.
27 Jahre war Josef Jansen-Beckmann Kaiser des Schützenvereins
Aber damit rechnet jetzt noch keiner, generell ist der Ansturm auf die Stange groß, den: Alle haben Lust. Die Planungen für das Schützenfest verliefen gut, am Morgen wurden der Kaiser schon im Autokorso mit vier Cabrios von zuhause abgeholt und bis jetzt ist die Stimmung bei allen Besuchern gut. Schießmeister Jürgen Konert gibt ein neues Update: 160 Schuss, der Vogel hängt.

Der erste und wahrscheinlich längste Kaiser vom Runkelclub: 27 Jahre war Josef Jansen-Beckmann im Amt. © Jenny Kahlert
Neben der Schlange der potenziellen neuen Kaiser steht Josef Jansen-Beckmann, der erste und bis jetzt längste Kaiser des Runkelclub Wenningfeld. Jeden Schuss verfolgt er genau, scherzt dabei immer wieder: „Soll ich mich wohl mal anstellen?“ und lacht dabei. 27 Jahre, die Coronapause mitgezählt, hat er das Amt des Kaisers bekleidet. „Es war immer eine schöne Zeit, alle haben mitgefeiert, der ganze Verein, Frauen, Männer, ganz egal. Ich habe es sehr genossen“, erinnert er sich.
Von Gelsenkirchen nach Wenningfeld
Auch Angelika Paul kann auf eine gemeinsame Geschichte mit dem Verein zurückblicken. Vor 13 Jahren ist sie aus Gelsenkirchen nach Stadtlohn gezogen, seit 10 Jahren ist sie mit dem Verein verbunden. „Man hat sich damals in den Verein kennengelernt, wenn man neu zugezogen ist. Und gerade im Runkelclub mit gut 30 Mitgliedern ist alles noch viel familiärer, man kennt sich untereinander und versteht sich – wie eine kleine Familie“, erzählt die 62jährige.

Vor 18 Jahren, 2004 war Martina Kölker(64) Königin vom Runkelclub Wenningfeld 1970. © Jenny Kahlert
Neben ihr am Tisch steht Martina Kölker. 2004 war sie Königin, Horst Winkler ihr König. „Wir hatten das schon Jahre vorher mal abgesprochen, dass wir das zusammen machen und dann – ja, dann ist es einfach passiert. Es war ein toller Tag“, berichtet sie. Über das Archiv des Vereins im Internet hat sie sogar ein Bild von dem Tag gefunden: Es zeigt sie und ihren König vor 18 Jahren als Königspaar.
Erst wird der Vogel angesägt, dann blau besprüht.
200 Schuss, immer noch nichts. Die Spannung steigt. Unter den Kaiserkandidaten schießt auch Felix Mensing mit. Sein Sohn Chris Mensing(16) und Freunde von ihm drücken ihm die Daumen bei seinem Vorhaben und beobachten das Geschehen gespannt.
Warum ist Schützenfest für Jugendliche heute noch von Bedeutung? „Wegen der gemütlichen Lage, der guten Musik aber auch für das Gedenken an früher und das die Tradition aufrecht erhalten wird“, fasst Bent Stenert (16) aus der Gruppe zusammen.

Für Anton Hundewick (15), Chris Mensing (16), Jan Vornholt (16) und Bent Stenert (16) ist das Schützenfest jedes Mal ein besonderes Erlebnis. © Jenny Kahlert
Inzwischen wird es plötzlich spannend vor der Stange. Der Vogel wird heruntergefahren, eine kleine Menschenmenge hat sich vor ihm versammelt und überlegt murmelnd, woran es liegen könnte, dass der Vogel sich immer noch oben halten kann.
Dann werden erste Maßnahmen ergriffen. Mit einer Sänge wird der Hölzerne bearbeitet, dunkles und blaues Farbspray kommen zum Einsatz, der Vogel bekommt wieder Farbe. Ein paar Besucher beobachten das Spektakel skeptisch: „Also eigentlich macht man sowas ja nicht“, raunt ein Mann mit Blick auf den wieder hochfahrenden, jetzt blauen Vogel.
„Herbert, jetzt hol das Ding mal runter da!“
222 Schuss. 250 Schuss. Bei 335 Schuss wird eine Schießpause eingelegt. „Dat Dingen fällt einfach nicht“, ein Satz, der oft fällt und immer frustrierter klingt. 412 Schuss. Irmgard Bengfort kommt an die Stange getreten.
„Mensch Herbert! Jetzt hol das Ding mal runter da!“ sagt sie und Herbert antwortet: „Ich versuch‘s ja“. Beim Versuch bleibt es nur noch diese eine Runde. Als er in der nächsten wieder vorne steht - der Himmel ist inzwischen schwarz geworden - setzt Herbert Nathues wieder an und zielt. Der Vogel fällt.

Da ist das Ding: Nach 532 Schüssen gibt der Vogel nach und macht Herbert Nathues und Irmgard Bengfort zum Kaiserpaar. © Jenny Kahlert
Die Freude über den neuen Kaiser ist riesig, als mit einem lauten Krachen der Vogelrest auf der Erde landet. Herbert Nathues wird sofort auf die die Schultern gepackt, der ganze Runkelclub singt, alle Hände klatschen, das Kaiserschießen ist vorbei. Jürgen Konert gibt den letzten Zwischenstand: 535 Schuss.
Im Herzen von Ahaus geboren und aufgewachsen, ein bisschen chaotisch, dafür humorvoll, schreibt gerne über Lautes und Leises und ist auch für alles dazwischen schnell zu begeistern.
