
Jede Menge Muscheln: Der Biologe Florian Kreische zeigt Teich- und Malermuscheln, die er mit seinen Kollegen aus dem trockengelegten Abschnitt der Oberberkel gerettet hat. © Stefan Grothues
Biologen retten über 1000 Fische und Muscheln aus der trockengelegten Berkel
Berkelumbau
Die Berkel wird umgeleitet, um das Mühlenwehr und die Promenade erneuern zu können. Drei Biologen haben über 1000 Fische und Muscheln aus der trockengelegten Berkel gerettet.
Die Berkel wird für ein Jahr trockengelegt, jedenfalls abschnittsweise. Auf einem knapp 200 Meter langen Teilstück des Oberlaufs vor dem Mühlenwehr sind am Donnerstag im Flussbett nur noch Schlamm und einige größere Pfützen zu sehen. Und auch die werden in den nächsten Tagen komplett verschwinden. Seit Dienstag ist der sogenannte Fangedamm fertig. Er verhindert, dass weiterhin Wasser zum Wehr nachfließen kann.

Für ein Jahr wird der am Dienstag fertiggestellte Fangedamm die knapp 200 Berkelmeter vor dem Mühlenwehr trocken setzen. Das Foto entstand von der Aussichtsplattform an der Burgstraße, sie sich seit einigen Tagen besonderer Beliebtheit bei den Stadtlohner erfreut. © Stefan Grothues
Darum stehen drei Männer in Wathosen unter Zeitdruck. Über 1000 Fische und zahlreiche Muscheln haben sie bereits gerettet. Die Drei sind Biologen einer Fachfirma, die im Auftrag der Stadt Stadtlohn den großen Berkelumbau begleiten. Mit einem Elektro-Kescher fischen sie sämtliche Pfützen ab.
Am Mittwoch waren sie bereits im Boot unterwegs. Da haben sie sogar einen „dicken Fisch“ aus der Berkel geholt: einen 71 Zentimeter langen Karpfen. Auch ein 50 Zentimeter langer Aal ging ihnen ins Netz. Am Donnerstag fangen sie nur noch kleine Fische. Aber sie alle werden vermessen und dokumentiert.

Mit dem Elektro-Kescher fängt der Biologe Jan Lindner die in den Pfützen der trockengelegten Berkel verbliebenen Fische, um sie an anderer Stelle wieder aussetzen zu können. © Stefan Grothues
„Wir haben 15 verschiedene Arten gefangen, darunter Rotaugen, Brassen, Stichlinge, Barsche und Bitterlinge, das ist eine besonders bedrohte Art“, sagt Biologe Florian Kreische. Ihr Vorkommen freute den Biologen, spricht es doch für ein intaktes Ökosystem. erklärt: „Die Bitterlinge sind bei der Fortpflanzung auf Muscheln angewiesen, die denselben Lebensraum bewohnen.“

Einer von über 1000 geretteten Fischen: Florian Kreische zeigt ein Rotauge, das gleich wieder ins Berkelwasser ausgesetzt wird. © Stefan Grothues
Und Muscheln gibt es offenbar jede Menge. Florian Kreische greift in eine Wanne und holt zwei Hände voller Muscheln aus dem trüben Wasser: Große Teichmuscheln, Gemeine Teichmuscheln und Malermuscheln hat er mit seinen Kollegen aus den Pfützen geborgen. Kriechspuren der Muscheln im Berkelschlamm verrieten, wohin sie sich geflüchtet hatten.
Die Verbesserung des Lebensraums für Fische und Muscheln spielt beim Berkelumbau eine große Rolle neben der städtebaulichen Umgestaltung des Flussufers und den Hochwasserschutzmaßnahmen. „Weit über eine Million Euro kostet allein der Bau der Fischaufstiegsanlage“, sagt Gerd Große Frericks, der im Fachbereich Umwelt, Planen und Bauen der Stadt Stadtlohn den Berkelumbau begleitet.

Die Biologen Louis Sollinger (l.) und Florian Kreische dokumentieren genau die Arten, Zahlen und Größen der gefangenen Fische, bevor sie wieder ausgesetzt werden. © Stefan Grothues
Bislang war das Berkelwehr Endstation für Fische, die zum Laichen flussaufwärts oder flussabwärts wandern wollten. Die Fischtreppe macht den Fluss wieder durchlässig. Die ökologische Verbesserung ist für die Stadt keine Kür, sondern Pflicht. Die Europäischen Wasserrahmenrichtlinie schreibt dies bis 2027 verpflichtend vor.
Die sogenannte Fischaufstiegsanlage ist eine Abfolge ansteigender Wasserbecken. Höhe und Gestaltung der Becken sowie die Geschwindigkeit des Wassers werden auf die hier in der Berkel typischen Fische abgestimmt. An der Ausführung von Fischtreppen in Bocholt und Ramsdorf hatte der Landesfischereiverband Westfalen-Lippe zuletzt scharfe Kritik geäußert.

Die künftige Fischaufstiegsanlage ist bereits erkennbar. Für ein Jahr ist sie das Umleitungsbett für die Berkel um das Mühlenwehr herum, erklärt Gerd Große Frericks vom Fachbereich Planen und Bauen. Der Wehr-Bereich ist für die anstehenden Bauarbeiten trockengelegt worden. © Stefan Grothues
Gerd Große Frericks sagt: „Es sind komplexe hydrologische Berechnungen notwendig. Ich gehe davon aus, dass die Planungen der Experten in Stadtlohn funktionieren werden.“ Die Ausführung werde eigens von einem zusätzlich beauftragten Fachbüro begleitet. „Wir suchen auch während des Ausbaus der Fischaufstiegsanlage das Gespräch mit Vertretern des Landesfischereiverbandes.“

Die drei Biologen beim Abfischen in der trockengelegten Berkel. © Stefan Grothues
Noch ist es aber nicht so weit. Der Verlauf der Fischaufstiegsanlage ist schon zu erkennen. Der Ausbau erfolgt aber erst in einem Jahr. Solange dient das 260 Meter lange Bett der Fischtreppe als Umleitung für das gesamte Berkelwasser, das auf diesem Weg den Wehrbereich umfließen kann. Der Bereich um das Mühlenwehr wird für ein Jahr lang trocken gelegt bleiben, um das Flussbett aufzuweiten, um das Wehr abzureißen und ein neues zu errichten und um die Uferpromenade neuzugestalten.
Nur im Hochwasserfall soll die Baustelle geflutet werden, um einen Rückstau der Oberberkel vermeiden zu können. Aber davon kann im Moment keine Rede sein. Die fehlenden Niederschläge haben auch in der Berkel zu einem extremen Niedrigwasser geführt. „Das ist eigentlich nicht erfreulich, aber der Baustelle kommt es zugute“, sagt Gerd Große Fericks. Die Bauarbeiten machen gute Fortschritte, auch wenn Lieferprobleme zu einer etwa zweimonatigen Verzögerung geführt haben. Im ersten Halbjahr 2024 sollen die Promenade, der Mühlenplatz, die neue Oberberkel mit neuem Wehr und die Fischaufstiegsanlage fertig sein.