Die SVS reagiert auf die Trinkwasserknappheit im Sommer. Jetzt wird ein neuer Brunnen gebohrt. Und bald beginnen die Arbeiten für einen neuen Wasserspeicher. Das löst aber das Problem nicht.

Stadtlohn

, 15.08.2019, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Dieselmotor dröhnt monoton, behäbig dreht sich seit Mittwoch das Bohrgestänge auf einer Wiese am Wasserwerk in Hundewick. Mit 30 Umdrehungen in der Minute frisst sich der stählerne Bohrkopf wasserumspült durch Lehm-, Ton und Mergelschichten. Die ersten fünf Meter sind am Mittwochnachmittag geschafft. Michael Tünte wirft noch einen prüfenden Blick auf die Anzeigen des Schaltstandes. „Alles läuft reibungslos“, sagt der Brunnenbohrermeister aus Raesfeld.

Brunnenbohrermeister Michael Tünte mit einem 250-Millimeter-Bohrkopf

Brunnenbohrermeister Michael Tünte mit einem 250-Millimeter-Bohrkopf © Stefan Grothues

Dann steht dem Ziel nichts im Wege. Bis zum Wochenende soll der Bohrkopf 62 Meter tief in die Kalksandsteinbänke vorgestoßen sein. Dort in der Tiefe, im sogenannten Kluftgrundwasserleiter, fließt das Grundwasser, das die SVS-Versorgungsbetriebe mit dem neuen sechsten Brunnen für die Trinkwasserversorgung in Stadtlohn, Vreden und Südlohn anzapfen will.

Der Diplom-Geologe Matthias Bretthauer zeigt an einem Modell die Erdschichten und das Brunnenrohr.

Der Diplom-Geologe Matthias Bretthauer zeigt an einem Modell die Erdschichten und das Brunnenrohr. © Stefan Grothues

Das Bohrloch misst im Durchmesser 80 Zentimeter. Darin werden ein Filter und ein Förderrohr mit einem Durchmesser von 40 Zentimetern eingebaut und von einer Kiesschicht ummantelt. „Der Brunnen soll auf jeden Fall noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden“ sagt Wassermeister Markus Hörbelt.

„Harakiri-Betrieb“ im Dürresommer

Der Wassermeister hat zum zweiten Mal in Folge einen stressigen Sommer hinter sich. Ausbleibende Niederschläge auch im Winter und Spitzenverbräuche im Sommer haben die Wasserförderung im Hundewicker Wasserwerk an ihre Grenzen gebracht. „Das war fast ein Harakiri-Betrieb“, sagt Markus Hörbelt. Die fünf Brunnen seien im Volllastbetrieb fast leergepumpt worden. „Jetzt müssen wir nach und nach Kamerauntersuchungen durchführen, um festzustellen, ob die Brunnen Schäden genommen haben“, sagt Markus Hörbelt.

Entlastung bei Nachfragespitzen

Die nach dem Dürresommer 2018 in die Wege geleitete sechste Brunnenbohrung soll die bestehenden fünf Brunnen bei Nachfragespitzen entlasten. Entlastungen erwartet SVS-Geschäftsführer Thomas Spieß aber auch von einem zweiten Projekt, das vor wenigen Wochen nach einem Jahr Vorbereitung genehmigt wurde: der Bau eines neuen, dritten Wasserspeichers, der noch in diesem Jahr beginnen und im nächsten Jahr abgeschlossen werden soll.

Freuen sich über den Bohr-Start (von links): Norman Sladeczek, Geschäftsführer Thomas Spieß und Wassermeister Markus Hörbelt (alle SVS) und der Diplom-Geologe Matthias Bretthauer.

Freuen sich über den Bohr-Start (von links): Norman Sladeczek, Geschäftsführer Thomas Spieß und Wassermeister Markus Hörbelt (alle SVS) und der Diplom-Geologe Matthias Bretthauer. © Stefan Grothues

3000 Kubikmeter Wasser fasst der neue Behälter, so wie jeweils die zwei bereits bestehenden Speicher. „Wenn der neue Speicher gefüllt ist, dann haben wir einen zusätzlichen Puffer von bis zu acht Stunden – bei Spitzenverbräuchen sind es sogar noch weniger“, sagt Markus Hörbelt.

Neue Wasserleitung nach Borken

Neben Brunnen und Speicher planen die SVS-Versorgungsbetriebe bis 2024 auch den Neubau der Wasserleitung, über die Trinkwasser aus Borken nach Stadtlohn gepumpt wird. Der erste Bauabschnitt soll auf dem 6,7 Kilometer langen Teilstück von Südlohn bis zur Grenze des SVS-Versorgungsgebietes erfolgen. Die neue Leitung, die parallel zur bestehenden Leitung aus den 1970er-Jahren verlegt wird, soll die Versorgungssicherheit erhöhen.

„Eines ist aber klar“, sagt SVS-Geschäftsführer Thomas Spieß, „der neue Brunnen, der neue Wasserspeicher und die neue Leitung lösen nicht grundsätzlich das Stadtlohner Trinkwasserproblem. Es gibt eine Begrenzung bei den Förderrechten, die uns vorschreibt, wieviel Wasser gefördert werden darf.“ Außerdem habe es im vergangenen Jahr keine Grundwasserneubildung gegeben. Aus diesem Grund können die SVS nur 270 Kubikmeter pro Stunde statt 400 Kubikmeter pro Stunde fördern. Spieß: „Unsere Brunnen sind im Maximalbetrieb. Die Ergiebigkeit sinkt, wenn wir diese nicht stundenweise regenerieren.“

Eigentlich ist genug Trinkwasser da

Thomas Spieß hat aber auch eine gute Nachricht: „Selbst im trockenen Sommer gibt es eigentlich genug vom ,Lebensmittel Trinkwasser‘ für die Versorgung der Stadlohner, Vredener und Südlohner – auch zum Duschen oder für die Versorgung der Tiere in der Landwirtschaft.“

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Nur für die Gartenbewässerung oder für die Befüllung von Pools reicht es an heißen Sommertagen einfach nicht. Spitzenverbräuche in den Abendstunden brachten die Trinkwasserförderung an ihre Grenze. Thomas Spieß rechnet die Misere an einem anschaulichen Beispiel vor: „Durchschnittlich verbrauchen die Stadtlohner pro Kopf 121 Liter Trinkwasser am Tag. Ein Rasensprenger verbraucht 800 Liter in einer Stunde!“

Lage im Wasserwerk auch nach Regen noch nicht entspannt

Die SVS-Versorgungsbetriebe standen in diesem wie schon im vergangenen Sommer kurz davor, den Hahn abdrehen zu müssen. Erst ein dringender Wassersparappell der Bürgermeister, der von den Stadtlohnern, Vredenern und Südlohnern befolgt wurde, verhinderte das. Nach den Regenfällen und den derzeit kühleren Temperaturen ist die Lage im August entspannter, aber noch keinesfalls entspannt. Markus Hörbelt: „Unsere Brunnen haben sich noch längst nicht erholt. Wir beziehen auch jetzt noch nachts mehr Wasser aus Borken als gewöhnlich, um unseren Brunnen eine Schonzeit zu geben.“

SVS-Versorgungsbetriebe nehmen Zwischenzähler in den Blick

Die SVS-Versorgungsbetriebe ermitteln zurzeit, wie viele Haushalte Zwischenzähler betreiben. Diese zusätzlichen Wasserzähler ermöglichen Gartenbesitzern die kostengünstige Bewässerung ihres Gartens mit Trinkwasser, ohne dafür Abwassergebühren zahlen zu müssen. In Haushalten mit nur einem Wasserzähler ist die Abwassergebühr an die Trinkwasserbezugsmenge gekoppelt. „Die Zwischenzähler werden nicht von uns herausgegeben oder betrieben“, sagt Thomas Spieß. Sie würden privat installiert und von den Kommunen akzeptiert. Ob und wie die Kommunen Stadtlohn, Vreden und Südlohn hier einen Hebel zum Trinkwassersparen ansetzen könnten, sei für ihn rechtlich nicht zu beurteilen.

Unterdessen ist der Stahlbohrer weiter ins Hundewicker Erdreich vorgedrungen. Was ihn in 62 Meter Tiefe erwartet, das weiß der Geologe Matthias Bretthauer längst. Mit Hilfe von Erkundungsbohrungen hat er vorab die Ergiebigkeit und Wasserqualität erkundet.

Kalksandstein, der bei der Probebohrung für den neuen Brunnen zutage gefördert wurde.

Kalksandstein, der bei der Probebohrung für den neuen Brunnen zutage gefördert wurde. © Stefan Grothues

Und er ist hochzufrieden: Aufgrund der geologischen Schichten beeinträchtige der sechste Brunnen nicht die Förderung in den fünf bestehenden Brunnen. Und die Wasserqualität sei ausgezeichnet. Bretthauer: „Die hydraulische Analyse war sehr positiv. Und der Nitratwert ist noch niedriger als eigentlich erwartet.“

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