Kathi Wilmer hat im Frühjahr ihr eigenes Tiny House bezogen.

© Stefan Grothues

Stadtlohnerin Kathi Wilmer (25) lebt die große Freiheit im kleinen Tiny House

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Seit acht Monaten lebt die 25-jährige Kathi Wilmer in ihrem eigenen Minihaus und genießt dort die große Freiheit ohne großen Ballast. Trotz der Coronabeschränkungen hat sie diesen Schritt nie bereut.

Stadtlohn

, 02.04.2021, 06:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mit Wunschträumen ist das so eine Sache. Gehen sie in Erfüllung, sind sie manchmal nur noch halb so schön. Kathi Wilmer hatte einen Wunschtraum: ihre eigenen vier Wände. Ganz klein. Ganz einfach. Ganz mobil. Ein Tiny House eben. Aber funktioniert das wirklich?

Als Pkw-Anhänger ging Kathi Wilmers Tiny House im Frühjahr auf die Reise von der Holzwerkstatt in Bad Bentheim zu seinem Bestimmungsort in Stadtlohns Umgebung. Und das Haus bleibt mobil - falls die Hausherrin noch einmal umziehen möchte.

Als Pkw-Anhänger ging Kathi Wilmers Tiny House im Frühjahr auf die Reise von der Holzwerkstatt in Bad Bentheim zu seinem Bestimmungsort in Stadtlohns Umgebung. Und das Haus bleibt mobil – falls die Hausherrin noch einmal umziehen möchte. © privat

Im Februar haben wir über diesen Wunschtraum berichtet. Damals befand sich das Haus noch in einer Holzwerkstatt in Bad Bentheim im Bau. Und Corona schien weit weg. Im Frühjahr ging das dreieinhalb Tonnen schwere Haus auf die Reise zu seinem Bestimmungsort in Stadtlohns Umgebung, auf eigenen Rädern und gezogen von einem Pkw. Seither ist ist die 25-jährige Hausherrin und Bewohnerin ihres eigenen kleinen Reichs.

Alles was ein Wohnzimmer braucht: Hier liest Kathi Wilmer gerne ein Buch oder übt auf dem Saxofon.

Alles was ein Wohnzimmer braucht: Hier liest Kathi Wilmer gerne ein Buch oder übt auf dem Saxofon. © Stefan Grothues

An einem trüben Wintertag wollen wir wissen, wie es sich lebt allein in einem Haus mit nur 17 Quadratmetern Grundfläche. Hell leuchtet das himmelblaue Haus mit seinem kleinen Naturholz-Erker vor dem grauen Himmel. Noch mehr aber strahlt Kathi Wilmer, die uns in ihrem Garten empfängt. Und schnell ist klar: Sie ist glücklich in ihrem kleinen Zuhause.

Die Kleinstwohnung von der Treppe zum Schlafraum aus gesehen.

Die Kleinstwohnung von der Treppe zum Schlafraum aus gesehen. © Stefan Grothues

„Ja das war ein aufregendes Jahr“, sagt Kathi Wilmer und lacht. Auf sich allein gestellt war sie ja schon mal vor drei Jahren als Rucksacktouristin in Neuseeland.

Luxus und Komfort hat Kathi Wilmer dabei nicht vermisst. „Es tat einfach gut, mit wenig Ballast unterwegs zu sein.“ Daraus hat sie eine Lebensmaxime gemacht. Und seit dieser Zeit reifte in ihr auch der Wunsch in einem Tiny House zu leben.

Ein Blick ins Bad

Ein Blick ins Bad © Stefan Grothues

„Aber als es in diesem Jahr ernst wurde, war das doch ein großer Schritt, zuhause endgültig auszuziehen, gerade weil ich mich ja gut mit meinen Eltern verstehe. Jetzt stehe ich auf eigenen Füßen und bin für alles selbst verantwortlich.“ Und ausgerechnet dieser Schritt fiel in die Corona-Zeit. Plötzlich hieß es: Stay at home. Zuhause bleiben galt als erste Bürgerpflicht. Geht das auf so engem Raum?

Unter der Treppe zum Schlafbereich bieten Schränke jede Menge Stauraum.

Unter der Treppe zum Schlafbereich bieten Schränke jede Menge Stauraum. © Stefan Grothues

Kathi Wilmer zeigt auf ihren Garten: „Ich habe den Sommer im Freien verbracht und im Garten viel mehr geschafft, als ich gedacht habe.“ Und dann sind da ja noch das Saxofon, die Bücher und die Kamera, mit der sie gerne auf Fotoexpeditionen geht.

Die Sommerblumen im Garten sind nun längst verblüht, Johannis- und Himbeeren geerntet. In Hochbeeten hat Kathi Wilmer Salat und und Zucchini angebaut – „mehr als ich selber essen konnte“. Allein die großen orangefarbenen Kürbisse zeugen noch vom Gärtnerglück.

Mit dem Fahrrad eine halbe Stunde bis Stadtlohn

„Ich bin aber auch im Herbst und Winter gerne in der Natur“, sagt Kathi Wilmer. Und nun wohnt sie genau da, wo ihr auf dem Weg zur Arbeit Reh und Fuchs über den Weg laufen. „Mit dem Fahrrad brauche ich eine halbe Stunde bis Stadtlohn“, sagt die Erzieherin, die im Don-Bosco-Kindergarten arbeitet. Die Kinder dort sagen: „Kathi wohnt in der Villa Kunterbunt.“

Mit ihrer Leidenschaft fürs minimalistische Reisen in Neuseeland begann Kathi Wilmers Interesse an einem einfachen Leben ohne zu viele Dinge. Daran erinnert sie der Modell-Bulli im Durchgang zum Bad.

Mit ihrer Leidenschaft fürs minimalistische Reisen in Neuseeland begann Kathi Wilmers Interesse an einem einfachen Leben ohne zu viele Dinge. Daran erinnert sie der Modell-Bulli im Durchgang zum Bad. © Stefan Grothues

Die Pandemie hat aber die große Einweihungsparty an ihrem 25. Geburtstag torpediert. Aber Vereinsamung droht Kathi Wilmer nicht. Im Sommer empfing sie Freunde in ihrem Garten. „Und da war es auch kein Problem, drinnen zu dritt zu kochen.“

Jetzt ist aber Zeit für eine Wohnungsbesichtigung. Die erste, die sich quasi aus dem Stand absolvieren lässt, wenn man erst die fünf hölzernen Stufen zum himmelblauen Holzhaus erklommen hat. Von innen wirkt das lichtdurchflutete Tiny House erstaunlich geräumig. Keine Spur von drückender Enge.

Das Tiny House verfügt natürlich auch über eine komplette Küche.

Das Tiny House verfügt natürlich auch über eine komplette Küche. © Stefan Grothues

Der Besucher steht gleich im gemütlichen Wohnzimmer, graue Couch, selbst gemalte Bilder, weiter links der Küchenbereich. Geradeaus geht es ins Bad mit Dusche und WC, Platz für eine Waschmaschine gibt es auch. Und rechts führt eine Treppe in die Mansarde. Dort ist der Schlafbereich. Wendet Kathi Wilmer dort morgens den Blick nach links, kann sie die Sonne aufgehen sehen, blickt sie abends nach rechts, kann sie Sonnenuntergänge beobachten.

Stay at Home: Wegen der Coronapandemie hatte Kathi Wilmer viel Zeit für den Anbau von Kürbissen, Zucchini und Salat.

Stay at Home: Wegen der Coronapandemie hatte Kathi Wilmer viel Zeit für den Anbau von Kürbissen, Zucchini und Salat. © Stefan Grothues

Der Couchtisch ist eine alte Weinkiste. Viele Möbel- und Einrichtungsgegenstände sind wiederverwertet oder stammen aus zweiter Hand. Ein möglichst kleiner ökologischer Fußabdruck ist Kathi Wilmer wichtig. „Ein kleines Haus zeichnet sich durch niedrigeren Stromverbrauch, niedrigere Heizkosten und niedrigeren Flächenverbrauch aus. Und es schont die Ressourcen, weil weniger Materialien für den Bau notwendig sind“, sagt sie. Ihr Haus ist an die öffentliche Wasser- und Gasversorgung sowie an die Abwasserentsorgung angeschlossen.

Tiny House ist auch für mehr als eine Person geeignet

Ist ein Tiny House nur für Alleinlebende geeignet. „Nein“, sagt Kathi Wilmer. Auf ihren 23 Quadratmetern Wohnfläche sei auch ein Leben zu Zweit gut möglich, davon ist die 25-Jährige überzeugt. „Nur für eine Familie mit Kindern ist das wohl zu eng.“ Kathi Wilmer selbst ist keine Einzelgängerin. „Ich liebe es Menschen um mich zu haben.“ Darum ist sie auch froh, dass sie Nachbarn hat. Gerne besucht sie auch Eltern und Freunde – soweit es die Coronaregeln jetzt zulassen.

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„Aber wenn ich mit dem Fahrrad nach Hause fahre, dann wird der Kopf frei. Dann kriege ich Abstand.“ Und wenn Kathi Wilmer in die Einfahrt ihres kleinen Gartengrundstück biegt, denkt sie beim Anblick ihres hellblauen Haustraums oft: „Ich habe genau die richtige Entscheidung getroffen. Sie macht mich total glücklich. Ein leichtes Leben ohne viel Ballast – das kann ich jedem nur empfehlen.“