Die Bombe platzt am Mittwoch (23. November): Gut 600 Mitarbeiter der Hülsta-Gruppe mit ihren Standorten in Stadtlohn und Ottenstein erhalten vom Betriebsrat eine kurze Nachricht, die es in sich hat: In wenigen Zeilen erklärt der Betriebsrat darin, dass die Geschäftsleitung des Unternehmens plane, bis Jahresende ungefähr 300 Stellen abzubauen.
„Plan des Arbeitgebers ist es, zu Ende des Jahres die Kündigungen unternehmensseitig umzusetzen“, heißt es darin. Betroffen sein sollen rund 180 Mitarbeiter in der Produktion und noch einmal 120 in der Verwaltung.
Außerdem solle die Verlagerung der Produktion von Ottenstein nach Stadtlohn schon zu Mitte 2023 vorgezogen werden. Über diese Eckpunkte einer Restrukturierung habe die Geschäftsleitung den Betriebsrat am 22. November informiert.
Bisher keine Stellungnahme
Abgesprochen und freigegeben ist dabei nicht einmal diese betriebsinterne Mitteilung. Wie Manfred Robert, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall in Bocholt, gegenüber unserer Redaktion bestätigt, sei in Gesprächen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat ursprünglich völliges Stillschweigen vereinbart worden. Wie lange das so gegangen wäre, bleibt offen.
„Der Betriebsrat sah sich dazu gezwungen, die Mitarbeiter trotzdem zu informieren“, erklärt Manfred Robert am Donnerstag. Davor habe sich der Betriebsrat juristisch beraten lassen, sich erst dann zu diesem Schritt entschlossen und die Planungen betriebsintern veröffentlicht.
Ausdrücklich habe der Betriebsrat das allein entschieden. „Das kann er natürlich auch tun“, betont der Gewerkschaftssekretär. Die IG Metall habe damit – auch wenn sich ihr Logo mit auf dem Informationsschreiben befinde – nichts zu tun. Es handele sich dabei lediglich um einen Vordruck, den der Betriebsrat verwendet habe.

Keine ganz unwichtige Information: Schließlich ist der erste Bevollmächtigte der IG Metall, Benjamin Pankow, Mitglied des Gläubigerausschusses. Er verfügt über Informationen, die er nicht weitergeben darf, ist zur Geheimhaltung verpflichtet. Das hatte er am Donnerstagmorgen deutlich gemacht.
„Dass die Informationen nicht intern geblieben sind, sei bedauerlich“, ergänzt er knapp. Verwunderlich ist es schon mit Blick auf den großen Kreis der Empfänger allerdings nicht. Manfred Robert betont aber auch, dass es sich aktuell nur um Planungen handele, die nun weiter intern abgestimmt werden sollen.

Eine erste Nachfrage am Vormittag bei Vanessa Vos von der externen Pressestelle der Hülsta-Gruppe hatte nicht viel gebracht: Nein, eine Stellungnahme gebe es nicht, es sei Vertraulichkeit vereinbart worden. Erneute Nachfrage am Nachmittag: Ein kurzes Statement, das die externe Pressestelle der Unternehmensgruppe vorbereitet hatte, wird bis Redaktionsschluss von der Geschäftsführung nicht freigegeben.
Trotz mehrfachen Angebots will der Betriebsrat persönlich nicht mit unserer Redaktion sprechen. Gerne hätten wir an dieser Stelle ihn oder weitere Mitarbeiter zu Wort kommen lassen. Doch eine Aussage gibt es nicht.
Hülsta: Deutliche Onlinebewertungen
Ein Schlaglicht auf die Stimmung im Unternehmen werfen – vereinzelte – Bewertungen, die Mitarbeiter im Online-Portal Kununu abgegeben haben. (https://www.kununu.com/de/huelsta-werke-huels/kommentare)
18 Bewertungen sind dort seit Oktober 2020 eingegangen. Nur eine empfiehlt Hülsta als Arbeitgeber weiter. Die Kritik der übrigen Einträge spricht eine deutliche Sprache. Immer wieder ist die interne Kommunikation der Hauptkritikpunkt. Ein Mitarbeiter kritisiert: „fehlende Kommunikation“, „Ignoranz der Geschäftsführung“, „Nichteinhalten von Absprachen“. Da die Kommunikation abteilungsübergreifend teils einer Katastrophe gleiche, falle es schwer, Positives zu finden, schreibt ein anderer.

Selbst in einer sonst durchweg positiven Bewertung, die aus dem Rest hervorsticht, ist das ein großer Punkt: „Bessere Kommunikation/Mitarbeiterbeteiligung und kleinere Benefits dürften alle Parteien wieder näher zusammenbringen“, heißt es darin. Und: „Direkte Kommunikation der obersten Führungsebene wäre wünschenswert.“
Auch das Miteinander der Kollegen sei schwierig: Die Rede ist von Angstmache. „Wer nicht funktioniert, wird abgesägt. Abteilungen werden gegeneinander ausgespielt.“ Offenbar kein aktuelles Problem: Im Sommer 2019 beschwert sich ein Mitarbeiter: Auf der letzten Betriebsversammlung seien genug Verbesserungsvorschläge gemacht worden. „Es wurde alles ignoriert, somit habe ich aufgegeben.“ Selbst innerhalb einer Abteilung werde gegeneinander Stimmung gemacht. Grüppchenbildung sei angesagt. Die Stimmung leide unter der negativen Zukunftsprognose.
Schweigen ist nichts Neues
Auch das alles ist offenbar kein neues Phänomen: Bei der besagten Versammlung 2019 hatte die IG Metall versucht, die Kommunikation zu verbessern. Und nachher darüber berichtet. Vorwürfe damals klingen ähnlich wie aktuell: Die Geschäftsführung versuche, den Betriebsrat zu ignorieren; die Beschäftigten fänden weder Gehör noch würden sie nach ihrer Meinung gefragt. Kritik an der Firmenleitung sei verpönt. Die Reaktion der Geschäftsführung sei enttäuschend gewesen: Sie habe bloß herumgedruckst.
Noch einmal zur aktuellen Nachricht des Betriebsrates: Ziel sei es aktuell, eine Transfergesellschaft für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu vereinbaren. Die Verhandlungen zu den anstehenden Themen sollen in den nächsten Tagen vorbereitet werden. „Wir werden euch auf dem aktuellen Stand halten, Euer Betriebsrat“, endet das Schreiben.
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