
Sergio Makansi-Voka lebt gerne in Stadtlohn. „Die Menschen hier sind nett", sagt er. Aber er weiß auch, wie sich Alltagsrassismus anfühlt. © Stefan Grothues
Stadtlohner: „Die Schüsse auf den 16-Jährigen haben mich so wütend gemacht“
Sergio Makansi-Voka
In Dortmund ist ein 16-Jähriger durch fünf Polizeikugeln getötet worden. Diese Nachricht hat Sergio Makansi-Voka geschockt. Der Stadtlohner weiß, wie sich Alltagsrassismus anfühlt.
Er hat einen deutschen Pass. Er ist Steuerzahler, hat seit vielen Jahren einen festen Job. Er versteht Plattdeutsch. Er war Messdiener. Er hat beim SuS und in Almsick Fußball gespielt. Seine besten Freunde sind Stadtlohner. Und sein Bruder war Karnevalsprinz in Holtwick.
Doch im Zug wird er kritisch beäugt. Bei Kontrollen sei er oft der erste oder gar der einzige, der an die Reihe komme, sagt er. Und die Polizei habe ihm schon Handschellen angelegt, weil sie ihn für einen Drogendealer gehalten habe. Sergio (Simba) Makansi-Voka weiß genau, warum er öfter verdächtigt wird als andere. „Ich bin schwarz“, sagt er.
„Es kommt nicht auf die Farbe, sondern auf den Menschen an“
Aber eigentlich gefällt ihm die Formulierung nicht. Er zeigt auf sein Handy. „Das schwarz. Meine Haut ist ja viel heller.“ Farbig? „Nein“, sagt er und lacht. „Farbig, das klingt ja bunt.“ Aber eigentlich ist es ihm auch egal, wie genau seine Haut bezeichnet wird. „Es kommt ja auf den Menschen an“, sagt der 42-jährige Stadtlohner.
Sergio Makansi-Voka ist ein fröhlicher Mensch. Er sagt: „Ich bleibe gelassen, wenn der Schaffner mich anders behandelt als andere Fahrgäste. Ich versuche es mit einem Lächeln und einem netten Gespräch, wenn Leute vor mir zurückweichen.“ Aber jetzt hat sich Sergio Makansi-Voka an unsere Redaktion gewandt, weil er geschockt ist. Mit fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole hat in der vergangenen Woche ein Polizist in Dortmund einen 16-Jährigen getötet. „Das hat mich so wütend gemacht“, sagt der Stadtlohner.
Der geflüchtete 16-Jährige aus dem Senegal, der in Dortmund durch die Polizeikugeln starb, hatte auch eine dunkle Hautfarbe. „Wäre das alles auch passiert, wenn er weiß gewesen wäre?“, fragt sich Sergio Makansi-Voka. Ihm ist klar, dass der Jugendliche die Beamten mit einem Messer bedroht hat. Er weiß, dass die Beamten sich wehren mussten. „Sie haben ja auch eine Familie und wollen abends gesund nach Hause kommen. Aber es muss doch ein anderes Mittel gegeben haben als die Maschinenpistole.“
Sergio Makansi-Voka ist als Achtjähriger mit seinen Eltern und zwei Brüdern aus Angola geflohen. „Dort herrschte Bürgerkrieg. Nachts haben wir die Schüsse gehört. Ich habe auch Steinigungen gesehen. Das sind schreckliche Bilder, die man nie mehr vergisst“, erzählt er. Die Familie fand in Holtwick ein neues Zuhause. In Deutschland wurden noch zwei Schwestern geboren.
„Wir waren die ersten Schwarzen im Dorf“
Sergio Makansi-Vokas Augen leuchten, wenn er von Holtwick spricht. „Wir sind mit offenen Armen aufgenommen worden. Wir waren die ersten Schwarzen im Dorf. Die Menschen dort haben uns wirklich sehr geholfen.“ Der 42-Jährige sagt lachend: „Ich war der erste schwarze Messdiener dort. Und die erste ,schwarze Perle‘ im Fußballverein.“
Seit 2008 lebt Sergio Makansi-Voka in Stadtlohn. Hierher zog er damals wegen seiner Freundin. Seit 2011 arbeitet er als beim Hülsta-Logistikunternehmen SLC. „Ich komme mit den Kollegen und mit meinen Nachbarn super klar. Ich lebe richtig gerne in Stadtlohn. Die Menschen sind nett. Hier kennt man sich“, sagt er.
Die Schüsse machen Sergio Makansi-Voka Angst
Aber auch in Stadtlohn hörte er schon vereinzelt böse Kommentare über Ausländer. Und bei seinem ersten Kneipenbesuch in Stadtlohn wurde er lautstark gefragt: „Woher du kommen?“ Seine Antwort: „Aus Holtwick.“ Und als sich die Gäste wunderten, warum er die deutschen Schlager mitsingen konnte, antwortete er trocken: „So ist das eben, wenn man vom Land kommt.“
Aber nicht alles lässt sich mit einem flotten Spruch übergehen. Die Dortmunder Schüsse aus der Maschinenpistole machen ihm Angst. „Ich mache mir Sorgen, dass sich immer Spannungen aufbauen zwischen der Polizei und schwarzen Menschen. Dass es eine Entwicklung gibt wie in den USA. Wir sagen unseren Kindern schon: Wenn ihr mit der Polizei zu tun habt, dann hebt im Zweifelsfall lieber eure Hände hoch.“
„Gegenseitiger Respekt ist notwendig“
Für Sergio Makansi-Voka ist das eine schmerzliche Entwicklung. „Ich fühle mich ja mental zu 90 Prozent als Deutscher. Hier ist das Land, in dem ich aufgewachsen bin.“ Er sagt auch: „Ich weiß, dass es hier auch Flüchtlinge gibt, die sich daneben benehmen oder Dinge tun, die verboten sind. Auch die Afrikaner stehen in der Verantwortung, den Menschen hier mit Respekt zu begegnen.“
Man dürfe einfach nicht die Menschen wegen ihrer Hautfarbe in einen Topf werfen. „Die Flüchtlinge, die zu uns kommen sind ja nicht dumm. Das sind ja auch Ingenieure, gebildete Menschen. Und was viele nicht wissen: Sie unterstützen oft noch ihre Familien in der Heimat.“
Zuhause in zwei Welten
Seit einigen Jahren beschäftigt sich auch Sergio Makansi-Voka mehr mit der afrikanischen Kultur. Mit dem Kontinent, den die Europäer und Amerikaner ausgebeutet haben, wie er sagt. „Ich habe jetzt auch mehr afrikanische Freunde. Und das fühlt sich gut an. Afrikaner sind sehr warmherzige Menschen mit einer gewissen Leichtigkeit.“ Unter ihnen gilt Sergio Makansi-Voka wegen seiner Pünktlichkeit als „der Deutsche“.
Er sagt: „Ich will in beiden Welten zuhause sein. Mein Vater hat immer gesagt: ,Du kannst dich zu 100 Prozent an die Deutschen anpassen. Wichtig ist, Dass Du glücklich wirst. Du darfst aber deine Herkunft nie vergessen. Du wirst immer eine andere Hautfarbe haben.‘“ Sergio Makansi-Voka sagt: „Es ist wichtig, dass die Flüchtlinge Arbeit haben, dass sie in die Vereine gehen, Fußball spielen. Dass sie nicht nur unter sich bleiben.“
Manchmal fragen ihn weiße Kinder, ob sie seine Haut oder seine Haare mal berühren dürfen. Sergio Makansi-Voka findet das nicht schlimm. So ergehe es ja auch weißen Menschen in Afrika. Er versteht die Neugierde. Und er mag den offenen Umgang der Menschen untereinander, der Verständnis schafft. „Ich weiß gar nicht, wo der ganze Hass herkommt. Das muss aufhören.“