Spahn-Inventar unter dem Online-Hammer

Insolvente Möbelfabrik Spahn

Ausverkauf in der Möbelfabrik Spahn: Am Dienstag taxierten Bieter vor Ort den Maschinenpark. Spahn-Möbel wird es aber weiterhin geben.

Stadtlohn

, 27.02.2018, 18:20 Uhr / Lesedauer: 3 min
Josef Gausling hat an dieser Maschine Tausende Stühle geleimt. Jetzt wird sie versteigert.

Josef Gausling hat an dieser Maschine Tausende Stühle geleimt. Jetzt wird sie versteigert. © Stefan Grothues

Diese Hallen sind Josef Gausling nur allzu vertraut. „Ich hab ja fast mein ganzes Leben hier in der Firma verbracht“, sagt der Rentner. „Da hinten war mein Büro, sieht heute noch ganz genauso aus wie 2012.“ Da ist er in Ruhestand gegangen. „Und hier“, sagt Josef Gausling und legt seine Hand auf einen grünen Stahlkoloss, „hier habe ich Abertausende Stühle zusammengeleimt, bis ich Abteilungsleiter wurde. 3,3 Minuten pro Stuhl.“

Der Stahlkoloss ist eine Stuhlbeinanspitzmaschine: MAWEG 3115, diese Typenbezeichnung stand schon immer am Kopf der Maschine. Der rote Aufkleber darunter ist neu. Er trägt die Nummer 685. Eine von 800 Ausverkaufsnummern. Hier werden nie wieder Stühle produziert. Das hätte sich Josef Gausling nie träumen lassen, als er 1967 als 15-Jähriger sein Berufsleben in der Sitzmöbelfabrik begann. „Spahn? Das war doch in unseren Augen eine Weltfirma.“

250 Interessenten

Hubert Küpers ist der Herr der roten Nummernaufkleber. Seine Industrie-Verwertungs-Gesellschaft (IVG) hat vom Insolvenzverwalter das gesamte Inventar für einen hohen sechsstelligen Betrag erworben. Über 250 Interessenten haben die Maschinen und die Büroausstattung persönlich in Augenschein genommen. Der „sehr gute Zuspruch“ stimmt den Auktionator optimistisch.

Bis Donnerstagabend wird alles im Internet (www.ivg.auction) versteigert, von der Empfangsklingel (Mindestgebot 3 Euro) bis zum zur Späneabsaugung (15.000 Euro), vom Bohrschrauber (15 Euro) bis zur Stuhlanspitzmaschine (200 Euro), von der Sackkarre (5 Euro) bis zum gerahmten Kunstdruck (15 Euro). Was nicht versteigert werden kann, muss Hubert Küpers auf seine Kosten entsorgen. Mit dem Insolvenzverwalter ist vereinbart: Am 31. März müssen die Hallen besenrein hinterlassen sein. Die Firma Spahn war nur Mieter, nicht Eigentümer des Areals.

Den Hammer nahm Hubert Küpers nur für das Foto in die Hand. Die eigentliche Versteigerung findet im Internet unter www.ivg.auction statt.

Den Hammer nahm Hubert Küpers nur für das Foto in die Hand. Die eigentliche Versteigerung findet im Internet unter www.ivg.auction statt. © Stefan Grothues

Von Schnäppchenjagd ist an diesem Dienstag in den weitläufigen Produktionshallen nichts zu spüren. Fast ehrfürchtig und meist flüsternd wandeln kleine Gruppen durch die Stuhlmontage, Oberflächenbehandlung, Lager und Tischmontage und studieren den Verkaufskatalog. Ralf Becker ist einer von ihnen. „Es ist deprimierend“, sagt er und schüttelt den Kopf.

„Eine so traditionsreiche Firma so zu sehen – da dreht sich einem fast der Magen um.“ Ralf Becker produziert selbst Möbelteile in Höxter und war Zulieferer für Spahn. „Durch die Insolvenz haben auch wir Geld verloren. Es gab unbezahlte Rechnungen.“ Sauer ist er nicht. Eher traurig. Und jetzt prüft er mit einigen Mitarbeitern, ob sich die ein oder andere Maschine noch ersteigern lässt. „Gerne tun wir das nicht. Es fühlt sich komisch an.“

Verdacht der Leichenfledderei

Ja, man könnte in Verdacht kommen, Leichenfledderei zu betreiben, sagen zwei Männer, die genau aus diesem Grunde nicht ihren Namen in der Zeitung lesen möchten. Jahrzehntelang haben sie für die Firma Spahn gearbeitet, das Unternehmen mitaufgebaut. „Jetzt wollten wir uns noch mal umschauen“, sagt einer. „Ja, und es tut richtig weh“, sagt sein Ex-Kollege. Ihren Arbeitsplatz haben die beiden aber nicht verloren, sie waren bereits Rentner. „Ich glaube, ich kaufe mir das Bild aus meinem Büro als Erinnerungsstück.“

Andere Ex-Kollegen sind am Dienstag lieber zuhause geblieben. „Da kämen zu viele Erinnerungen hoch“, sagt Erwin Plate, der über 40 Jahre für Spahn gearbeitet hat. Jetzt hat er einen neuen Job gefunden. Nach vielen Absagen. Was ihn und viele seiner Ex-Kollegen besonders schmerzt: „Viele Absagen wurden damit begründet, dass wir zu alt seien. Und das, obwohl immer von Facharbeitermangel die Rede ist.“ Viele jüngere Kollegen haben dagegen schnell eine neue Arbeit gefunden. Zwei regionale Firmen haben mehrere Ex-Spahn-Mitarbeiter eingestellt.

Übernahme der Marke

Eine von ihnen ist die Firma Sitzmöbel Summen e.K.. Das 70 Jahre alte Unternehmen, das mit der Firma Spahn schon lange geschäftlich verbunden ist, übernimmt nicht nur Mitarbeiter, sonden auch Fertigung und den Verkauf von Spahn-Möbeln. Zudem erwarb Summen die Marke Spahn, sodass es auch weiterhin eine Spahn Stadtlohn Serie geben wird.

„Die Fertigung wurde im Übergang mit Polsterei, Logistik und Arbeitsvorbereitung passend komplettiert“. Hierfür seien „zehn Prozent des Spahn-Personals“ eingestellt worden. Und Summer verspricht: „Weitere Schritte sind in Planung.“