Ein roter Fingerzeig an der Kirche, schwebender Stahl am Otgerus-Haus und Bronzepferde am Bauhof – das Projekt „Kunststation Stadtohn 2019“ nimmt Gestalt an. Vor dem Genuss steht der Stress.

Stadtlohn

, 01.05.2019, 14:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Ludger Gevers ist ein gefragter Mann in diesen Tagen. Sein Handy klingelt fast ohne Unterlass. Gerade noch hat er noch einen Künstler davon überzeugen müssen, dass die Stahlskulptur ohne Kran aufgestellt werden muss. Jetzt ein Anruf vom Bauhof: Es gibt Differenzen zwischen Künstler und Sicherheitsverantwortlichen, wie die bronzenen Pferde gesichert werden müssen. Ludger Gevers vermittelt, entscheidet, streichelt Künstlerseelen. Er ist der Koordinator des größten Kunstprojekts der Berkelstadt seit der Ausstellung „Holz“ – und die liegt schon drei Jahrzehnte zurück.

Kunstprojekt wird am Sonntagnachmittag eröffnet

Jetzt ist der Endspurt einer fast zweijährigen Vorbereitungszeit. Am Sonntag, 5. Mai, um 17 Uhr wird die große Skulpturenschau „Kunststation Stadtlohn 2019“ auf dem Markt eröffnet. Eine Kunstschau, die in den nächsten Monaten auch überregional Beachtung finden soll, sind doch die Namen der 15 beteiligten Künstler in der nationalen oder sogar in der internationalen Kunstszene ein Begriff.

Venedig – Paris – Stadtlohn

Johannes Brus zum Beispiel. Seine Werke sind auch auf der Biennale in Venedig und im Museum of Modern Art in San Francisco zu sehen. Und Stadtlohn habe erfolgreich mit Paris konkurriert, freut sich Ludger Gevers: „Das Centre Pompidou wollte zeitgleich auch Brus’ Bronzepferde ausstellen. Aber der Künstler hat gesagt: ,Die Stadtlohner haben zuerst gefragt!‘“ So mussten sich die Pariser Ausstellungsmacher mit einer Betonversion begnügen, während die Bronzepferde in den nächsten Tagen ihren Platz vor dem Stadtlohner Rathaus finden werden.

Zur Eröffnung am Sonntag sind alle Kunstfreunde eingeladen – und nicht nur die: Wann kann man schon mal dabei zuschauen, wie in Origami-Manier ein über neun Meter langes „Papierboot“ gefaltet wird? Der Kölner Künstler Frank Bölter führt es in einer Performance vor. Das Boot wird in der St.-Otger-Kirche seinen Platz finden bis zum Ende der Kunstschau am 31. Oktober. Dann wird es samt Künstler in der Berkel zu Wasser gelassen werden.

Die Friedensspitze von Walter Witteck in der Ehrenhalle am Rathaus

Die Friedensspitze von Walter Witteck in der Ehrenhalle am Rathaus © Stefan Grothues

Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, kann schon jetzt die künstlerischen Veränderungen in der Stadt entdecken: Walter Witteks kühle „Friedensspitze“ aus Edelstahl in der Ehrenhalle am Rathaus. Oder Christoph Platz’ roten Fingerzeig außen am Chor der St.-Otger-Kirche. Wer der wegweisenden hölzernen Hand folgt, sieht ein riesiges Smartphone. Virtuelle Welt statt jenseitige Verheißung? „Darüber wird sicher diskutiert werden, auch kontrovers“, freut sich Ludger Gevers. „Kunst ohne Dialog und Diskussion ist schwer denkbar. Kunst gehört einfach zu unserem Leben dazu.“

Stadt und Stiftung finanzieren das Kunstprojekt

Und Kunst zieht Leben in die Stadt, davon ist Ludger Gevers überzeugt. Das war auch die Grundidee, die ihn als Vorsitzender der Stadtlohner „Immobilien- und Standortgemeinschaft“ (ISG) bewog, das Kunstprojekt nach der Sanierung der Innenstadt voranzutreiben – mit tatkräftiger Unterstützung seiner Frau Irmgard Gevers. „Ohne sie hätte es das Projekt wohl nicht gegeben“, sagt Ludger Gevers.

Ohne finanzielle Unterstützung der der Stadt (25.000 Euro) und der Sparkassenstiftung (5000 Euro) wohl auch nicht.

Momentum von Ulrich Ludwig vor dem Pfarrhaus, dahinter (v.l.): Klaus-Dieter Weßing (Fachbereich Kultur der Stadt Stadtlohn), Klaus Stachowski (Vorstandsvorsitzender der Sparkassenstiftung), Ludger Gevers (Projekt-Koordinator und ISG-Vorsitzender) und Bürgermeister Helmut Könning.

Momentum von Ulrich Ludwig vor dem Pfarrhaus, dahinter (v.l.): Klaus-Dieter Weßing (Fachbereich Kultur der Stadt Stadtlohn), Klaus Stachowski (Vorstandsvorsitzender der Sparkassenstiftung), Ludger Gevers (Projekt-Koordinator und ISG-Vorsitzender) und Bürgermeister Helmut Könning. © Stefan Grothues

Bürgermeister Helmut Könning und der Vorstandsvorsitzende der Sparkassenstiftung, Klaus Stachowski, sehen das Geld gut angelegt. Stachowski: „Das ist ein Projekt für alle Bürger. Die Stadtlohner werden ihre Stadt mit neuen Augen sehen. Und Auswärtige werden durch die Kunst Stadtlohn erst kennenlernen.“ Könning: „Das wird unsere Stadt beleben, auch in Verbindung mit den geplanten Konzerten.“

Neben der Politik zeigten auch Pfarrer und Kirchenvorstand ein offenes Ohr, als es um die Platzierung der Kunstwerke ging. Während am Dienstag noch an einem Podest für eine Kirkeby-Skulptur vor dem Pfarrhaus gemauert wurde, macht sich bereits ein orange leuchtendes Holzkunstwerk des Gronauers Ulrich Ludewig auf dem Rasen breit: Momentum.

Künstler Ulrich Hassenflug beim Aufbau seines Stahl-Kunstwerks Knicks

Künstler Ulrich Hassenflug beim Aufbau seines Stahl-Kunstwerks Knicks © Stefan Grothues

Derweil justiert am Dienstag der Düsseldorfer Künstler Ulrich Hassenflug sein Stahlkunstwerk „Knicks“ im Innenhof des St.-Otgerus-Hauses: zwei himmelwärts strebende Stahlquader, verbunden mit einem „Hassenflug-Gelenk“ „Das habe ich selbst erfunden“, sagt der Künstler ernst und augenzwinkernd zugleich. Wie eine leichte Feder wird nun der mehrere hundert Kilogramm schwere Stahlquader von einer leichten Windböe in schwingende Bewegung versetzt. Ludger Gevers Telefon schweigt für einen Augenblick. Er blinzelt zufrieden in die April-Sonne. So leicht kann schwere Kunst sein.

Kunststation Stadtlohn 2019

  • 17 Skulpturen insgesamt werden vom 5. Mai bis zum 31. Oktober in der Innenstadt zu sehen sein. Sieben von ihnen wurden eigens für Stadtlohn entwickelt. Sie alle laden zu einem anregenden Kunstspaziergang durch die Stadt ein.
  • Vor Ort werden QR-Codes Hinweise zu Künstlern und Kunstwerken geben.
  • Die Eröffnung ist am Sonntag, 5. Mai, um 17 Uhr auf dem Marktplatz in Anwesenheit aller Künstler. Dazu sind alle Interessierten eingeladen.
  • Ab dem 12. Mai werden auch jeden Sonntag ab 14 Uhr Führungen mit Kunstvermittlerinnen angeboten. Startpunkt ist am Haus Hakenfort, die Teilnahme kostet fünf Euro.
  • Anmeldung für die Führungen unter Tel. (02563) 87866 oder per Mail info@isg-stadtlohn. Weitere Führungen sind nach Absprache möglich.