Oldtimer-Bulli fährt jetzt mit Strom Stadtlohner hauchen altem VW-Bus elektrisches Leben ein

Oldtimer fährt mit Strom: Stadtlohner hauchen Bulli elektrisches Leben ein
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Barny (52) und Bulli (57) sind ein Dream Team. Als Barny den Bulli startet, strahlt er vor Glück. Wie ein Mann, der einen guten Job gemacht hat. Und der Bulli schnurrt kraftvoll los, nimmt schwungvoll den Lichtgitter-Kreisel und beschleunigt nach dem Stadtlohner Ortsausgangsschild rasch auf 100 km/h.

Barny lacht jetzt und sagt voller Stolz: „Der fährt sich wahnsinnig gut. Überraschend gut. Ich bin ja eigentlich ein Fan von Verbrennern. Aber der fährt wunderschön weich und echt flott.“ Eben Elektro. Wie bitte? Der Bulli, Baujahr 1966, ist ein E-Fahrzeug? Diese Geschichte will erzählt sein.

Ein Blick auf das Armaturenbrett
Ein Blick auf das Armaturenbrett © Stadtlohn

Und mit etwas Fantasie hören wir auf dem erträumten Weg zum Strand von Malibu „Barbara Ann“ aus dem Radio, den Nummer-1-Hit der Beach Boys aus dem Jahr 1966. Doch dann verliert sich die Spur von Bulli. Über ein halbes Jahrhundert später wird er von Barnys Team in Holland aufgespürt. Alt. Ohne Motor. Ohne Getriebe. Knieabwärts mit einem Rostproblem.

Kurzum: Genau der Richtige für die Karosserie- und Fahrzeugbauermeister Barny Milic und Thomas Iking sowie ihr 13-köpfiges Team. Die Stadtlohner Firma hatte von einem Kunden einen ungewöhnlichen Auftrag erhalten: „Ich hätte für meine Tochter gerne einen Oldtimer-Bulli mit Elektromotor.“

Ein Classic-Car-Mitarbeiter putzt die die Scheinwerfer.
Das Chrom muss blitzen: Ein Classic-Car-Mitarbeiter putzt die die Scheinwerfer. © Stefan Grothues

„Gut dass der Bulli keinen Motor mehr hatte“, sagt Barny. Sonst hätte er Gewissensbisse bekommen. Schließlich hat er Benzin im Blut. Und es hätte ihn geschmerzt, einen Oldtimer auseinander zu reißen. So aber konnte sich das Team Classic Car an die Arbeit machen. Das war Anfang 2021.

Bei unserem Besuch im März 2023 ist die letzte Chromleiste poliert. „Morgen wird der Bulli übergeben“, sagt Barny. Für ihn und sein Team geht ein Abenteuer zu Ende. „Das war der größte Auftrag der letzten fünf Jahre.“

Barny Milic zeigt das Original-Typenschild des Bullis aus dem Jahr 1966.
Barny Milic zeigt das Original-Typenschild des Bullis aus dem Jahr 1966. © Stefan Grothues
Hände halten das Originallenkrad aus dem Jahr 1966.
Das Lenkrad ist das Original aus dem Jahr 1966. Das Armaturenbrett wurde möglichst behutsam modernisiert. © Stefan Grothues

Den Einbau des Elektroantriebs übernahm eine Spezialfirma in Stuttgart. Die wichtigsten Daten: 82 PS, 250 Kilometer Reichweite, 115 km/h Höchstgeschwindigkeit. „Der Motor könnte auch mehr leisten“, sagt Barny. „Aber aus Sicherheitsgründen ist bei 115 km/h Schluss. Für mehr ist das Fahrwerk einfach nicht ausgelegt.“

Über 900 Kilometer ist der neue, alte Bulli schon gelaufen. „Das war unsere Bedingung bei diesem Projekt: Die ersten 1000 Kilometer gehören uns“, sagt Barny. „Weil es ja im Prinzip ein komplett neues Auto ist, mussten wir es ja gründlich testen.“

Der Bulli auf dem Werkstatthof
Die Lackierung in zwei Farben und fünf Schichten Klarlack orientiert sich an der Originallackierung. © Stefan Grothues

Und es galt ja einiges zu optimieren. „Bei einem normalen Bulli hört man ja vieles nicht, weil der Motor so laut ist. Hier aber hört man den Motor nicht, dafür dann aber ganz neue Fahrgeräusche aufgrund der speziellen Aerodynamik.“

Jetzt aber ist Barny rundum zufrieden. „Es rappelt nichts. Es ist fast wie auf einer Zugfahrt erster Klasse.“ Und ist er nervös vor der Übergabe des Bullis? „Nein“, sagt Barny. „Eher stolz und glücklich.“ Was der Kunde von dem Bulli hält, weiß er ja schon. „Wir haben ja in den letzten zwei Jahren eine enge Beziehung geführt“, sagt Barny lachend. Daher weiß er: „Der Kunde ist überglücklich. Seine Erwartungen sind weit übertroffen worden.“

Barny Milic am Steuer des restaurierten Bullis
Barny Milic am Steuer des restaurierten Bullis. © Stefan Grothues

Darum haben sich die Zukunftspläne auch geändert. Nicht die Tochter in Aachen allein soll das Auto nutzen. Für die Garage sei er einfach zu schade. Der Bulli soll im Münsterland bleiben. Er soll ein Familienauto sein. Und er soll vielen Menschen eine Freude machen: als „Chauffeurservice mit Stil“ wird der Bulli unter www.meet-a-classic.de/ für Feiern, Hochzeiten und Veranstaltungen angeboten.

Dafür wurde im Fond des Bullis, in dem noch die aufgearbeiteten Originalsitze aus dem Jahr 1966 zum Platz nehmen einladen, auch ein Champagnerflaschenhalter installiert – mit eigener Kühlung.

„Dieser Bulli ist einmalig“

„Am Samstag wird es dann sicher auch emotional“, sagt Barny kurz vor der Übergabe im März. Dann verlässt Bulli nach zwei Jahren die Stadtlohner Werkstatt. Das Classic-Car-Team lässt ihn gerne ziehen. Schließlich gehört ein Auto auf die Straße.

Dort wird er über kurz oder lang auch dem ID-Buzz begegnen, der nagelneuen E-Bulli-Generation von VW. Die sind für einen stolzen Preis zu haben. Der 57 Jahre alte Elektrobulli ist allerdings noch teurer. Mit Recht, sagt Barny. „Nicht nur wegen der ungezählten Arbeitsstunden, die ihm stecken. Dieser Bulli ist einfach einmalig.“

Dieser Artikel erschien zuerst im März 2023.

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