„Als Mick im Oktober 2018 geboren wurde, sind Freudentränen geflossen.“ Cordula Lensker hat den Tag der Geburt noch „vor Augen“. Nur 17 Stunden später habe es erneut Grund zum Weinen gegeben. Nun nicht vor Freude. Dass ihr Sohn mit dem Down-Syndrom geboren worden war, wurde Gewissheit. Eine völlig neue, zunächst überfordernde Situation für eine junge Familie.
Hilfe und Halt gab der Familie der Bunte Kreis Münsterland. Schnell wuchs eine Erkenntnis: „Wir hatten ein Kind mit einer Behinderung bekommen, aber kein krankes Kind.“ Die Eltern wurden immer stärker, erhielten eine neue Sicht aufs Leben, mit erweitertem Horizont. Anderen Betroffenen möchten sie heute, sechseinhalb Jahre später, Mut machen – und an den Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März erinnern.
Ausweg aus dem Gedankenkarussell
Cordula Lensker erinnert sich zurück an den Tag der Geburt ihres ersten Sohnes: „Ich war kurz allein. Ich dachte, ich atme durch und verdaue, was in den letzten Stunden alles passiert ist.“ Doch: Ein ihr unbekannter Mann betrat das Zimmer. Seinen genauen Wortlaut bekomme sie nicht mehr hin, ihr Gehirn habe vieles aus dieser Situation gelöscht: „Ich denke, es ist Selbstschutz, wie nach einem Unfall.“
Die Stadtlohnerin vernahm aber schon, was dieser ihr unbekannte Mann vor sich hin stammelte. Wörter wie „Vierfingerfurche" und „Sandalenzeh" fielen und er fragte: „Haben Sie ja bestimmt schon gesehen?" „Was spricht er hier eigentlich nicht aus?“, habe sie sich gefragt, so Cordula Lensker. Die Ungewissheit nahm der jungen Mutter die Säuglingsschwester, als diese Mick ihr übergab, sich aufs Bett dazusetzte und die junge Mutter in den Arm nahm: „Mick hat das Down-Syndrom.“ Es war raus. „Endlich!“
Gemeinsam riefen sie Cordulas Mann Thomas an. Als dieser kurz darauf kam und von der Diagnose erfuhr, nahm er Mick auf den Arm und sagte: „Er soll uns erstmal beweisen, was er nicht kann!" „Unser Leitspruch seitdem“, betont die 40-Jährige. Dennoch gebe sie zu: „Ich hatte Angst.“ Als Erstlingsmama sei sie doch eh schon ahnungslos, mit dem zusätzlichen Chromosom überfordert.
Überforderung am Anfang
Bei der Trisomie 21, oder auch Down-Syndrom genannt, ist das Chromosom 21 oder Teile davon im Erbgut dreifach statt doppelt vorhanden. Menschen mit Trisomie 21 weisen in der Regel typische körperliche Merkmale auf und sind meist in ihren kognitiven, das heißt in ihren Denkfähigkeiten beeinträchtigt. Die Beeinträchtigungen und Fehlbildungen sind unterschiedlich ausgeprägt.
Diese erste Überforderung sei auch zu Hause von Tag zu Tag offensichtlicher geworden. Die Hebamme war ihnen keine Hilfe, sie „strudelten“. „Nach zehn Tagen wurde es zu viel: Mick wurde immer schwächer und ich hatte überhaupt nichts verdaut!“ Im Krankenhaus und anschließend durch den Bunten Kreis Münsterland bekam die Familie die Hilfe, Kompetenz und Empathie, die sie brauchte.
„Vor allem aber wurden wir beruhigt und aus dem Gedankenkarussell geholt“, blickt Cordula Lensker zurück. Und es folgte eben die Erkenntnis: „Wir hatten ein Kind mit einer Behinderung bekommen, aber kein krankes Kind.“ Es brauchte keine Medikamente, keine Operation. „Unser Kind lebte!“
Selbstverständlich sei es zunächst schwer gewesen, die neue Situation zu akzeptieren. Die Zeit der Trauer und des Abschieds vom Leben, das sie eigentlich geplant hatten, sei aber auch wichtig gewesen.
Wichtig, um neu starten zu können. „Heute ist Mick sechs Jahre alt und ich kann voller Liebe sagen, dass nichts von dem, was sich in unseren dunkelsten Stunden in unsere Gedanken geschlichen hatte, eingetreten ist.“
Zeit der Trauer war wichtig
Mick sei ein glücklicher, lebensfroher, aktiver Junge, der „neugierig die Welt entdecken möchte“. „Mick hat mich zur Mutter gemacht. Er hat mich auch stärker gemacht und meinen Horizont erweitert“, betont Cordula Lensker. Weil ihr Sohn das Down-Syndrom hat, durfte sie schon Menschen kennenlernen, die sie sonst nicht getroffen hätte, Gespräche führen, die sie sonst nicht geführt hätte, und Situationen erleben, die sonst nicht entstanden wären.
„Natürlich habe ich mir kein behindertes Kind gewünscht, aber das Down-Syndrom gehört genauso zu Mick wie seine blonden Haare“, erklärt die Stadtlohnerin. Die Therapie- und Arzttermine ihres Sohnes seien ihr Alltag, seine Einschränkungen ihre Motivation. Sie freue sich immer, wenn sie erlebe, „dass er normal behandelt wird“. Denn selbstverständlich sei das leider nicht: „Behinderte Menschen werden oft unterschätzt und für dumm gehalten.“
Bunter Kreis Münsterland
- Der Bunte Kreis Münsterland unterstützt seit dem Jahr 2000 Familien mit chronisch und schwer kranken Kindern sowie früh- und risikogeborenen Kindern. Der gemeinnützige Verein bietet professionelle Hilfe durch Familiennachsorge, psychosoziale Betreuung und präventive Maßnahmen.
- Durch enge Zusammenarbeit mit Kinderkliniken im Münsterland sorgt der Verein dafür, dass betroffene Familien frühzeitig begleitet werden. Zudem setzt er sich mit Öffentlichkeitsarbeit dafür ein, mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse dieser Familien zu schaffen und ihnen unbürokratische Hilfe zu ermöglichen.
Diesen Artikel haben wir ursprünglich am 21. März 2025 veröffentlicht.