
Der geschäftsführende Gesellschafter Thomas Knecht, hier im Videointerview mit unserer Redaktion, blickt trotz Eigeninsolvenz optimistisch in die Hülsta-Zukunft. © Stefan Grothues
Eigeninsolvenz: Hülsta-Chef will alles auf den Prüfstand stellen
Neustrukturierung
Hülsta geht in die Eigeninsolvenz. Darüber hat Hülsta-Chef Dr. Thomas Knecht die rund 580 Mitarbeiter der beiden Kerngesellschaften informiert. Das Unternehmen hat schwere Monate vor sich.
Ist das ein schwarzer Tag für Hülsta? Dr. Thomas Knecht schüttelt den Kopf und stellt die Gegenfrage: „Warum sollte das so sein?“ Dann gibt er die energische Antwort: „Nein, das ist kein schwarzer Tag für Hülsta! Wir richten das Unternehmen neu auf das Marktgeschehen aus, auf die Zukunft.“

Die Hülsta-Geschäftsleitung hat am Dienstag, 18. Oktober, die rund 580 betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Einleitung einer Eigeninsolvenz informiert. © Nico Ebmeier
Es ist Dienstag, der 18. Oktober, der Tag, an dem das 82 Jahre alte Traditionsunternehmen mit seinen Kerngesellschaften Eigeninsolvenz angemeldet hat. Knapp 600 Mitarbeiter sind betroffen. Wie kaum ein anderes Unternehmen hat der Möbelhersteller in Stadtlohn Wirtschaftsgeschichte geschrieben, bis 2019 als Familienunternehmen.
Thomas Knecht behält Heft des Handelns in der Hand
Seit drei Jahren lenkt Dr. Thomas Knecht die Geschicke des Konzerns mit rund 50 Einzelgesellschaften. An diesem Dienstag ist sein Kalender voller Gesprächstermine. Im Video-Interview mit unserer Redaktion räumt er ein: „Ein leichter Tag ist das heute natürlich nicht.“
Am Morgen hat der geschäftsführende Gesellschafter die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Einleitung der Eigeninsolvenz informiert. Eigeninsolvenz bedeutet, dass die Hülsta-Geschäftsführung als Insolvenzverwalter in eigener Sache agiert. Thomas Knecht behält das Heft des Handelns weiterhin in der Hand.
Kosten steigen, Absatz sinkt
Warum aber wurde dieser Schritt notwendig? Thomas Knecht führt die rechte Hand in einer steilen Kurve von unten nach oben. „Unsere Stromkosten haben sich in Jahresfrist verzwölffacht. Die Holzpreise steigen. Und die anderen Faktorkosten auch.“
Dann setzt Thomas Knechts linke Hand zu einem Sinkflug an. „Und der Absatz wegen der allgemeinen Kaufzurückhaltung, von der ja nicht nur wir betroffen sind, geht nach unten. Sie können sich selbst ausrechnen, dass diese beiden Entwicklungen zu Problemen führen“, so der Hülsta-Chef.
Unternehmen braucht mehr finanzielle Beinfreiheit
Wie kann die Eigeninsolvenz helfen? Es geht darum, dem Unternehmen wieder etwas mehr finanzielle Beinfreiheit zu verschaffen. Zum Beispiel, weil in der Eigeninsolvenz Insolvenzausfallgeld beantragt werden kann. Mit dem Insolvenzgeld aus Mitteln der Arbeitsagentur könnten Arbeitsentgelte ersetzt werden. Für die Sicherung betrieblicher Pensionen könnte der Pensions-Sicherungs-Verein eintreten.
„Wir haben die schwierige Coronazeit aus eigener Kraft überstanden und nicht wie andere nach staatlichen Töpfen gerufen“, sagt Thomas Knecht. Unter den jetzigen Krisenbedingungen sei es legitim, diese Option zu ziehen. Es gehe ja nicht darum, die Hilfe dauerhaft in Anspruch zu nehmen, sondern die Zeit der Restrukturierung und Konsolidierung zu überstehen. „Das Ziel ist es ja, Hülsta in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.“
Pläne müssen dem Gläubigerausschuss vorgelegt werden
In spätestens drei Monaten muss Hülsta dem Gläubigerausschuss seine Restrukturierungspläne vorlegen. „Wir werden das deutlich schneller schaffen“, sagt Thomas Knecht. „Wir beschäftigen uns ja nicht erst seit gestern mit diesen Fragen.“ In insgesamt sechs bis neun Monaten soll die Neuaufstellung abgeschlossen sein.
Was bedeutet das für die betroffenen 580 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Werden sie um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, weil Kosten eingespart werden sollen? Was bedeutet das für das Werk Ottenstein? Wird es schließen müssen, um am Standort Stadtlohn eine flexiblere und schlankere Produktion fahren zu können?
Produktionsstandorte und Mitarbeiterzahl auf dem Prüfstand
„Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich zu Einzelheiten der geplanten Restrukturierung heute noch nichts sagen kann“, sagt Thomas Knecht. Und er fügt hinzu: „Alle Strukturen stehen auf dem Prüfstand. Wir müssen sehr genau überlegen, wie wir gestärkt aus der Krise kommen.“ Auch die Mitarbeiterzahl könne bei sinkenden Absatzzahlen kein Tabu sein.
Der Hülsta-Chef selbst gibt sich trotz allem optimistisch. Die Herbstmesse sei ein voller Erfolg gewesen. „Die Reaktionen des Handels waren sehr positiv. Die Zahlen sind überwältigend.“ Dennoch sei die Nachfrage beim Kunden schwächer als sonst, auch international. Knecht: „Das Russlandgeschäft ist tot. Und auch das Chinageschäft ist wegen der rigiden Coronapolitik dort sehr schwierig.“
Wie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Nachricht von der Eigeninsolvenz reagiert? Thomas Knecht gibt die Frage an Unternehmenssprecherin Vanessa Vos weiter: „Sie waren doch auch dabei...“ Vanessa Vos sagt: „Die Mitarbeiter haben nach meiner Einschätzung viel Verständnis für diesen Schritt gezeigt. Jeder von ihnen weiß ja, wie die aktuelle Marktlage ist. Ich habe diese Grundstimmung wahrgenommen: ,Wir bringen ein tolles Unternehmen gemeinsam in die Zukunft‘.“