Büren: Zusammenhalt wird groß geschrieben, ohne eigenes Auto ist man aber aufgeschmissen

Büren: Zusammenhalt wird groß geschrieben, ohne eigenes Auto ist man aber aufgeschmissen

rnOrtsteil-Check

Die Bürener schätzen ihr Örtchen. Familie Exner ist mittendrin, nicht nur, weil sie direkt neben der Kirche wohnt. Sie genießt den Zusammenhalt im Dorf, die Natur und das Grün.

Stadtlohn

, 23.03.2019, 05:00 Uhr / Lesedauer: 7 min

Nicht mal einen Bäcker gibt es in Büren, keine Kita und es hält auch kein Bus. So konnten die 44 teilnehmenden Bürener ja gar nicht anders, als beim Ortsteilcheck schlechte Noten zu verteilen, was Verkehrsanbindung, Kinderbetreuung oder Nahversorgung angeht. Aber es gab auch Bestnoten: Sauberkeit, Radfahren und Grünflächen räumten die volle Punktzahl ab, knapp dahinter landete die Lebensqualität. Marianne und Bernd Exner (61 und 63), ihr Sohn Marius und dessen Frau Claudia (31 und 32) nicken zustimmend beim schnellen Blick auf die Ergebnisse. Egal, ob ganz oben und ganz unten in der Liste.

In Büren leben heißt: Kein Arzt vor Ort, kein Kindergarten, kein Lebensmittelgeschäft. „Aber wenn die Vorteile nicht überwiegen würden, würden wir hier nicht wohnen“, sagt Marius Exner. Und Vorteile zählen die vier Exners viele auf. Die Natur um einen herum, der Platz für die Kinder, die immer „einfach raus“ können. Die Exners – die jüngsten Familienmitglieder sind Paul (22 Monate) und Nora (vier Monate) – haben ein kleines Gelände mit Ponys und Hühnern. „Wenn es dahin geht, leuchten Pauls Augen“, weiß die Oma zu berichten.

Das gute Miteinander im Dorf ist ein wichtiger Faktor

Alle Familienmitglieder erzählen vom guten Miteinander im Dorf. Das ist im Ortsteil-Check nicht explizit abgefragt worden, aber ist den Bürenern wichtig zu erwähnen. Nicht nur den Exners. Auch einige Anmerkungen von Teilnehmern zielen darauf ab. „Das Zusammenleben und Zusammenhalt ist super. Jeder kennt jeden“, formuliert eine Bürenerin im Alter zwischen 25 und 35. Das Gleiche betont ein über 50-Jähriger: „Durch die Gaststätte Ritter und der guten Kirchengemeinde ist der Zusammenhalt von Jung und Alt super. Abgerundet wird es durch das Schützenfest, wo sich alle, auch die Weggezogenen, zu einem super Fest treffen und gemeinsam feiern.“ Auch Claudia Exner mag das Schützenfest: „Da hat jeder ein offenes Wort für jeden, es ist ein tolles Fest“, sagt sie.

Anton Heming (10, am Steuer), sein Cousin Jason Upgang (10) und Josefine Heming (6) genießen das Landleben in Büren: Mit dem Kettcar können sie einfach vom elterlichen Hof losfahren ins Grüne. Diese Freiheit schätzen viele Bürener.

Anton Heming (10, am Steuer), sein Cousin Jason Upgang (10) und Josefine Heming (6) genießen das Landleben in Büren: Mit dem Kettcar können sie einfach vom elterlichen Hof losfahren ins Grüne. Diese Freiheit schätzen viele Bürener. © Anne Winter-Weckenbrock

Der Ort ist klein, hat aber ein recht reges Vereinsleben über den Schützenverein hinaus. Den Kirchenchor, der die Gottesdienste in der Kirche St. Karl Borromäus musikalisch begleitet. Den Sportverein, dessen Vorsitzender Marius Exner ist. Der Verein unterhält mit Unterstützung der Stadt ein Vereinsheim und einen Fußballplatz. Der wird nicht für einen Liga-Spielbetrieb genutzt und nicht für feste Programmpunkte. Sportliches wird in Büren in Eigenregie auf die Beine gestellt, umschreibt es der Vereinsvorsitzende. Dann gibt es noch die Treckerfreunde Büren, die Frauengemeinschaft, die Seniorengemeinschaft...

„Hier im Ort ist wirklich keiner allein.“

Die Gemeinschaft lebt aber auch außerhalb von Vereinsgrenzen. Marianne Exner beschreibt das Leben in Büren so: „Hier im Ort ist wirklich keiner allein.“ Schon beim Spazierengehen würden sich viele Gespräche entwickeln. Wer solche Art von Anschluss nicht möchte, könne sich raushalten. Aber das sei eher nicht die Regel in Büren. Allein der Kontakt zu Bewohnern eines Hauses, in dem Mieter leben, die auch öfter mal wechseln, sei nicht so rege, stellen die Exners fest.

Büren liegt im Außenbereich, hat aber „schnellen Anschluss“ an die Nachbarkommunen. Wenn man denn ein Auto hat. Zum Beispiel für das Einkaufen: „Das verbindet man immer mit etwas anderem“, erzählt Marius Exner. Er arbeitet in Legden, also kauft er dort ein. Seine Frau Claudia zieht es zu Familie und Freunden nach Gescher, sie kauft oft dort ein. Stadtlohn und Ahaus sind genauso weit entfernt – in zehn Minuten ist man am nächsten Markt. Noch in den 80er-Jahren gab es zwei Lebensmittelgeschäfte, bis vor einigen Jahren noch einen Metzger in Büren. Zwischenzeitlich fuhr ein Bäckerwagen den Stadtlohner Ortsteil an, stellte das dann auch wieder ein. „Wenn das nicht angenommen wird, ist das ja verständlich“, kommentiert Marius Exner. Getränkehändler lieferten schon einmal größere Mengen bis nach Büren aus.

Keine Aussicht auf ein Baugebiet

„Das Dorf wächst eher als es schrumpft“, sagt Marius Exner. Wenn es denn weiterhin möglich ist: Die Baugrenzen sind sehr eng. Das Haus von Marianne und Bernd Exner auf dem Grundstück direkt an der Kirche ist der letzte richtige Neubau. Alle anderen müssen umbauen oder abreißen und wieder neu bauen.

„Schön wäre es wenn junge Leuten die Möglichkeit hätten, in Büren zu bauen“, merkte ein Umfrageteilnehmer (zwischen 25 und 35 Jahre alt) an, „Neubau für junge Familien nicht möglich“, kritisiert ein über 50-jähriger Bürener. Auch Bernd Exner meint, dass es in der Ortslage durchaus noch Baumöglichkeiten gebe, ohne dass der Kern zerstückelt würde. „Mehrgenerationen-Wohnobjekte anbieten“, rät ein Umfrageteilnehmer im Alter zwischen 50 und 70.

Marius Exner hat Stammtischbrüder, die gern in Büren geblieben wären. Nur wenn eine Familie drei Kinder hat und alle möchten bleiben – wer bleibt dann zuhause?

Was sagt die Stadt zum Thema Bauplätze in Büren? „Der Ortsteil Büren ist mit 360 Einwohnern sehr klein und nicht vergleichbar mit Kirchdörfern in den Nachbargemeinden Stadtlohns“, sagt der Erste Beigeordnete Günter Wewers. Grundlage für die Bebauung sei eine Außenbereichssatzung, nach der Lücken im Siedlungsbereich geschlossen werden können, aber nicht ganze Siedlungsbereiche an die vorhandene Bebauung angehängt werden können. Ein Ausdehnen des gewachsenen Siedlungsbereichs sei gesetzlich nicht gestattet, da zu sehr in die freie Natur eingegriffen würde. Lückenschlüsse habe es in jüngster Zeit durchaus gegeben“, so Günter Wewers.

Für Radwanderer sind es paradiesische Zustände in Büren. Sie können die ausgeschilderten Wege nehmen, aber es gibt zu jedem Ziel verschiedenste Pfade, betonen die Einheimischen. Radfahren hat beim Ortsteilcheck die volle Punktzahl erhalten.

Für Radwanderer sind es paradiesische Zustände in Büren. Sie können die ausgeschilderten Wege nehmen, aber es gibt zu jedem Ziel verschiedenste Pfade, betonen die Einheimischen. Radfahren hat beim Ortsteilcheck die volle Punktzahl erhalten. © Anne Winter-Weckenbrock

Das wurde positiv bewertet

Radfahren: Neben dem Auto ist das Fahrrad das Fortbewegungsmittel Nummer Eins in Büren. Aber auch für Radwanderer sind es fast paradiesische Zustände in Büren: Sie können unter vielen ausgeschilderten Wegen wählen, um nach Legden, Stadtlohn oder Ahaus zu kommen. „Aber ich kann auf zehn verschiedenen Wegen nach Stadtlohn kommen“, erzählt Marianne Exner von der Vielfalt der Möglichkeiten für Radfahrer. Es muss nie langweilig werden. „Jetzt wird auch der Radweg nach Legden gebaut, endlich!“, sagt Bernd Exner. Das Projekt, das die Radler neben der Kreisstraße 33 sicher führt, ist wohl das i-Tüpfelchen, das die Bestnote mit begründet.

Lebensqualität: Claudia und Marius Exner können nachvollziehen, warum die Lebensqualität mit einer 9 bewertet wurde. „Wir haben uns bewusst entschieden. Wir wussten, was uns erwartet“, sagt Marius Exner. Er noch mehr als seine Frau, er ist ja schließlich in Büren aufgewachsen und sie in Gescher, in der Stadt. Beide schauen durch das Wohnzimmerfenster der Eltern ins Grüne, in die unverbaute Weite. „Das ist Lebensqualität!“, sagt der 31-Jährige. „Das war für uns der Grund für die Entscheidung für Büren.“ Es geht viel raus mit den Kindern, einfach in die Natur. „Und wenn es regnet, fragen wir uns nur, welche Mütze wir den Kindern aufsetzen“, erzählt Marius Exner vom Landleben. Eine junge Bürenerin zwischen 25 und 35 Jahren drückt es als Anmerkung zum Ortsteil-Check in nur wenigen Worten aus „Büren ist ein gutes Fleckchen Erde“. Eine über 50-Jährige schreibt „Tolle Wälder. Ruhe.“

Gastronomie: Es gibt „nur“ einen Gastronomiebetrieb in Büren. Aber, „wenn wir Ritter nicht hätten....“, sinniert Marius Exner. Es wäre dann schon sehr, sehr ruhig in Büren, vollendet er den Satz. Ritter ist ein Ausflugslokal mit großem Einzugsgebiet. Aber auch die Einheimischen geben 8 Punkte für die Gastronomie in Büren. Jeden zweiten Freitag im Monat ist Stammtischabend bei Ritter, da treffen sich vier rein Bürener Stammtische und noch welche aus Legden-Beikelort, zählt Marius Exner auf. „Wir gehen da auch spontan zum Kaffee hin“, erzählt Claudia Exner, und ihre Schwiegermutter Marianne nickt bestätigend. Es ist ein lockerer Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft.

Das wurde negativ bewertet:

Verkehrsanbindung: „Ohne Auto biste aufgeschmissen“, schreibt ein Bürener im Alter von über 50 Jahren. Weil kein einziger Bus in Büren hält, ist diese Bewertung nicht verwunderlich. „Leider gibt es über die Schülerbeförderung hinaus keine öffentliche Buslinie (mehr), eine solche ist nach der aktuellen Fortschreibung des Nahverkehrsplanes des Kreises Borken in nächster Zeit auch nicht zu erwarten“, teilt Günter Wewers von der Stadt Stadtlohn den aktuellen Stand der Dinge mit.

In Südlohn und in Vreden fährt eine Bürgerbuslinie dank ehrenamtlicher Fahrer, in Stadtlohn bislang nicht. „Die Stadt würde die Gründung eines Bürgerbusses unterstützen ähnlich wie die Bürgerbusverbindung von Südlohn-Stadtlohn, wenn sich dafür interessierte Bürger in ihrer Freizeit einsetzen würden“, so Günter Wewers auf Anfrage.

Die Familie Exner nimmt die Situation gelassen. „Die Infrastruktur stellt hier jeder Haushalt selbst“, umschreibt es Marius Exner. Die vier Erwachsenen haben vier Autos. Aber wenn das nicht so wäre, würde man auf die Bürener bauen. „Man fragt einfach“, sagt Marianne Exner. Ihre Schwiegertochter erinnert sich an die netten Angebote der Nachbarn, als sie mit Nora schwanger war. „Wenn es soweit ist und es kann Dich keiner fahren, dann ruf an!“

Eine ganze Familie passt zwischen Schild und Wartehäuschen: Die Mitfahrerbank, das meinen auch die Exners, wird nicht gesehen und nicht wahrgenommen. Sie sei zu versteckt.

Eine ganze Familie passt zwischen Schild und Wartehäuschen: Die Mitfahrerbank, das meinen auch die Exners, wird nicht gesehen und nicht wahrgenommen. Sie sei zu versteckt. © Anne Winter-Weckenbrock

Die Mitfahrerbank – im Juli 2018 aufgestellt – bekommt vernichtende Urteile. „Die Mitfahrerbank ist ein Witz, sie ist so versteckt, dass sie keiner findet beziehungsweise die Fahrer die Mitfahrer nicht sehen“, schreibt ein Teilnehmer der Umfrage (über 50 Jahre alt). Ein anderer Bürener in der gleichen Altersklasse sieht aber so wenigstens eine Mitfahrgelegenheit gegeben. Aus Sicht der Stadtverwaltung müsste überlegt werden, das Buswartehäuschen näher an die Straße zu bringen oder eine separate Bank näher an der Straße aufzustellen.

„Es gibt zurzeit aber keine Erkenntnisse darüber, ob es Fälle gibt, dass jemand nicht mitgenommen wurde, weil er nicht gesehen worden ist“, so der Erste Beigeordnete Günter Wewers. Hat Familie Exner da Erkenntnisse? Die Vier zucken mit den Schultern. Von ihnen hat noch niemand jemanden mitgenommen. „Es gibt sicher eine Scheu, sich dahin zu setzen“, meint Bernd Exner. Claudia Exner achtet schon nicht mehr drauf, wenn sie nach Stadtlohn fährt, räumt sie ein. Ob jemand im Wartehäuschen sitzt, sei ja im Auto von der Straße aus gar nicht zu sehen. „Da kann man besser per Anhalter fahren“, sagt sie schmunzelnd.

Kinderbetreuung: Paul ist 22 Monate alt, Nora vier Monate: Bald wird Claudia Exner „Mama-Taxi“ spielen und ihren Sohn zum Nikolaus-Kindergarten nach Stadtlohn bringen. Da gehen die Bürener Kinder hin, so soll auch Paul hingehen, damit er seine Freunde in der Nähe hat. Dass es in Büren keine Möglichkeit zur Kinderbetreuung, weder eine Kita noch eine Tagesmutter, gibt und geben wird, wusste das junge Ehepaar, als es sich entschloss, von Gescher nach Büren zu ziehen. „Ab August werden wir wohl Fahrgemeinschaften bilden“, blickt Claudia Exner voraus. Denn es gibt wieder einige Kinder in Büren, bei vier bis fünf Familien ist die nächste Generation zurückgekommen und hat sich in Büren niedergelassen. So bewusst, wie es auch Claudia und Marius Exner getan haben.

Für die jungen Familien könnte sich ja eine Gelegenheit ergeben, wenn sich ein Elternteil aus Büren dazu entschließen würde, als Tagespflegeperson eine Form der Kinderbetreuung anzubieten. Laut Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF), der die Kindertagespflege organisiert, gibt es in Büren keine Tagesmutter oder Tagespflegestelle, aber zwei Angebote, die von der Kilometeranzahl noch näher sind als der vier Kilometer entfernte Nikolaus-Kindergarten.

Büren: Zusammenhalt wird groß geschrieben, ohne eigenes Auto ist man aber aufgeschmissen

© Verena Hasken

Senioren: Angebote für Senioren – da gab es die gleich schlechte Bewertung wie für die Kinderbetreuung. Allerdings: Es gibt eine Seniorengemeinschaft, und die macht auch Angebote. So wird Karneval gefeiert, auch werden regelmäßig Gottesdienste gefeiert und beim anschließenden Kaffeetrinken können sich die älteren Bewohner Bürens austauschen.

Aber wann fängt das Alter für die Seniorengemeinschaft an? Bernd Exner (63) muss schmunzeln. Er ist frisch in Rente und hat auch deswegen mit anderen eine Idee für neue Angebote für die Älteren entwickelt: „Wir überlegen, dass die jüngeren Senioren, die Jungrentner, alle 14 Tage oder einmal im Monat Fahrradtouren zusammen unternehmen.“ Die Touren könne immer jemand anders auswählen, „und vielleicht ergeben sich auf den Radtouren ja noch Ideen für mehr“, ist Bernd Exner zuversichtlich. Seine Frau Marianne ergänzt, dass es auch viele Verabredungen im privaten Bereich gebe vom Kartenspielen bis zum Radfahren.

Ein Blick in die Geschichte

Die Schule Almsick II mit Kapellenabnau und Glockenstuhl auf einer Ansichtskarte. Am 12. September 1905 wurden Schule und Kapelle feierlich eingeweiht.

Die Schule Almsick II mit Kapellenabnau und Glockenstuhl auf einer Ansichtskarte. Am 12. September 1905 wurden Schule und Kapelle feierlich eingeweiht. © Stadtarchiv Stadtlohn

1905 wurde an der Grenze der Gemeinden Almsick und Estern-Büren eine einklassige Schule errichtet, die mit einem angebauten Chor auch für Gottesdienste genutzt werden konnte. 1914 wurde die provisorische Kapelle durch einen Kirchenneubau ersetzt, Teile des abgebrochenen bischöflichen Priesterseminars „Collegium Borromaeum“ aus Münster wurden dafür wiederverwendet. Rund um die Kirche St. Karl Borromäus entwickelte sich ein kleiner Siedlungsschwerpunkt, der unter der Bezeichnung „Büren“ als Stadtlohner Ortsteil eine eigene Identität gewann. Aber schon in der Jungsteinzeit vor etwa 5500 Jahren lebten Ackerbauern in Büren. Das beweist der Fund eines so genannten Walzenbeils aus quarzitischem Sandstein. Das Beil wurde 1956 beim Umbrechen einer Wiese am Liesner Wald gefunden. (Quelle: Buch „Geschichte der Kapellengemeinde Stadtlohn-Büren von Ulrich Söbbing)