
Das Bronzerelief auf dem Markt zeigt die historische Stadt Stadtlohn. Für den neuen Stadtführer Alex Theßeling ist das Modell neben dem Figurenbrunnen der ideale Einstieg in den Stadtrundgang. © Stefan Grothues
Alex Theßeling nimmt Stadtlohner mit auf eine Reise in die Vergangenheit
Stadtführer
Der alte Stadtführer trug Hellebarde und Nachtwächtergewand. Der Neue trägt einen Panamahut. Alex Theßeling bietet Streifzüge durch Stadtlohns Geschichte an. Er tritt in große Fußstapfen.
Fast 10.000 Menschen hat Bernhard Uepping in einem Jahrzehnt als Nachtwächter durch Stadtlohn geführt. Mit langem Gewand, Signalhorn und Hellebarde wusste der frühere Schul- und Kulturamtsleiter viele Geschichten aus Stadtlohns Geschichte zu erzählen. Jetzt hat der 82-Jährige aus Altersgründen zum Bedauern vieler Stadtlohner den Nachtwächtermantel an den Nagel gehängt.
Die Rundgänge durch Stadtlohns Geschichte aber werden fortgesetzt. Alexander „Alex“ Theßeling ist der Neue. Ab sofort bietet der 62-Jährige im Auftrag des SMS-Stadtmarketings Stadtführungen an. Er trägt keine Nachtwächtermütze, sondern einen eleganten Panamahut. „Bernhard Uepping hat als Nachwächter große Fußstapfen hinterlassen. Da ist es besser, einen neuen und eigenen Weg zu gehen“, sagt Alex Theßeling.
Am 21. Juni war Premiere. Damals konnte sich der neue Stadtführer auf ein anspruchsvolles, ehrliches und spontanes Publikum freuen: Zwei Schulklassen der Gescher-Dyk-Schule spazierten mit ihm durch Stadtlohns Vergangenheit.

Nachtwächter Bernhard Uepping (82) tritt als Stadtführer kürzer. Sein Nachfolger ist Alexander Theßeling, der allerdings nicht in die Rolle des Nachtwächters schlüpft. © Stefan Grothues
War er damals aufgeregt? Alex Theßeling schüttelt den Kopf und lacht. „So ganz neu bin ich in dem Geschäft ja nicht“, sagt er. Seit sieben Jahren schon arbeitet er immer wieder als Stadtführer für ein Reiseunternehmen: in Deventer, Zwolle, Giethoorn, dem holländischen Venedig, in Aachen, Maastricht und Lüttich.
Und nun auch Stadtlohn. Das stellt Alex Theßeling vor eine ganz neue Herausforderung. „Das ist etwas komplett anderes, Menschen durch die eigene Heimatstadt zu führen. Hier bin ich ja seit 62 Jahre zuhause. Da gibt es ganz andere Bezüge, viel mehr Nähe. Ich will die Menschen nicht mit Geschichte überlasten. Es soll ein spannender Streifzug für jedermann sein.“
Heimatdichterin beurkundete Geburt des Stadtführers
Und da fließen auch persönliche Bezüge ein. Zum Beispiel beim Halt an der Gedenktafel „Löe kürt Platt“ für die Heimatdichterin Lucie Brüning (1898-1973) am Rathaus. „Lucie Brüning höchstpersönlich hat vor 62 Jahren meine Geburt beurkundet. Sie hat ja auf dem Stadtlohner Standesamt gearbeitet“, erzählt Alex Theßeling.
Er selbst arbeitete nach zwei Ausbildungen als Druckvorlagen- und Druckformhersteller viele Jahre in einer Druckerei. „Bis die Digitalisierung mich arbeitslos gemacht hat“, so sagt er. Da war Alex Theßeling Mitte 40 und musste beruflich neu durchstarten. Das tat er als Fahrlehrer. Der neue Beruf kam auch seinem kommunikativen Naturell entgegen.
„Alex, das ist doch was für dich“
Aus gesundheitlichen Gründen hat er den Fahrlehrerberuf im vergangenen Jahr aufgegeben und sich auf die Stadtführungen in Holland und Belgien konzentriert. Und dann veröffentlichte das SMS-Stadtmarketing eine Stellenanzeige: „Stadtführer auf Honorarbasis gesucht (m/w/d)“ – Begeisterung für Stadtlohn, gute Ortskenntnisse, ein Portion Humor vorausgesetzt. „Alex, das ist doch was für dich“, hörte er daraufhin mehrfach: in der Familie, im Kegelklub und in der Stadt.
Beim SMS-Stadtmarketing konnte er mit seinen Erfahrungen punkten. „Wir waren total überrascht vom Echo auf unsere Stellenanzeige“, sagt SMS-Geschäftsführer Martin Auras. Fünf Bewerberinnen und Bewerber aus Stadtlohn haben sich gemeldet. „Wir starten mit Alexander Theßeling. Aber die anderen vier Interessentinnen und Interessenten werden hoffentlich auch einsteigen, sodass wir ein flexibles Angebot machen können.“
Stadtführer hat sich auf Premiere akribisch vorbereitet
Alexander Theßeling hat sich akribisch auf die Premiere vorbereitet. „Ich habe heimatgeschichtliche Bücher gelesen, mich im Rathaus über die Mühlenrestaurierung informiert, mit dem Stadtarchivar gesprochen und mit der Historikerin Ingeborg Höting“, so der Stadtführer.
Neben dem Figurenbrunnen, dem Haus Hakenfort, den Bronzepferden des Künstlers Johannes Brus, der Berkelmühle und dem Otgerushaus gehören auch die Hagenstraße, wo einst die Synagoge stand, und die Alte Poststraße, wo eine Gedenktafel an die Deportation Stadtlohner Juden vor 81 Jahren erinnert, zu den Stationen seines Weges. „Auch das gehört zur Stadtlohner Geschichte und darf nicht verschwiegen werden“, sagt Alex Theßeling.
Besuch in der Schatzkammer ist ein Höhepunkt des Rundgangs
Für ihn selbst ist die Besichtigung der Krypta der St.-Otgerus-Kirche einer der Höhepunkte des Stadtrundgangs. „Das ist ein Ort, der für viele Stadtlohner sonst verschlossen ist. Ich kann mir den Schlüssel ausleihen, die Alarmanlage abstellen und die Tür zur Schatzkammer mit Kelchen und kostbaren Gewändern öffnen.“
Jetzt hoffen Alex Theßeling und Martin Auras vom SMS-Stadtmarketing auf viele Gruppen, Klubs, Klassen und Nachbarschaften, die sich für eine Stadtführung interessieren. Termine können direkt mit Alex Theßeling, Tel. (01578) 5682880, oder mit dem SMS-Stadtmarketing, Tel. (02563) 87866 vereinbart werden.
Für den alten „Nachtwächter“ und Stadtführer Bernhard Uepping gab es übrigens in der vergangenen Woche in Abwesenheit auf der Mitgliederversammlung des SMS-Stadtmarketing-Vereins eigens einen großen Sonderapplaus für die vielen abendlichen Stadtrundgänge in mehr als zehn Jahren.