Die Zeltstadt Bork steht schon wieder im Fokus einer deutschlandweiten Berichterstattung in den Medien. Das neue Nachrichtenportal Nius befragt in dem Beitrag unter dem Titel „Wir können nicht mehr! So leiden unsere Gemeinden unter der neuen Flüchtlingskrise“ Bürgerinnen und Bürger vor Ort zur aktuellen Lage und spricht auch mit Bürgermeistern zu diesem Thema. Gemeinsam mit Dierk Borstel, Politologe an der FH Dortmund, ordnet die Redaktion diesen Beitrag ein.
Was ist in dem Beitrag zu sehen?
Der Beitrag beginnt mit Monika Meyer. Sie ist eine von drei Menschen, die eine Petition ins Leben gerufen haben. Darin bemängeln sie die Sicherheitslage und wollen, dass Bürgerinnen und Bürger aus Bork gehört werden. „Es gibt keine junge Frau mehr, die hier hergeht. Viele fühlen sich bedrängt und belästigt“, sagt sie in dem knapp 19-minütigen Video.
Zur Einordnung: In einer Notunterkunft für geflüchtete Menschen sind momentan rund 700 Männer aus verschiedenen Ländern wie Syrien oder Afghanistan untergebracht. Ursprünglich sollten Hilfsbedürftige aus der Ukraine dort leben. Über den Zustand in der Unterkunft berichtete zuletzt ein Geflüchteter. Er sprach von verdreckten Toiletten und Duschen, einem Müllproblem und Drogenkonsum.
Wieder zurück zum Nius-Beitrag: Dort ist eine Umfrage auf einem Supermarkt-Parkplatz in Bork zu sehen. „Wie ist die Lage hier vor Ort?“, will die Reporterin mit Blick auf die Geflüchteten wissen. „Ich finde, sie ist so beschissen - für Familien mit Kindern sowas von derbe. Die Flüchtlinge sind alles nur Männer. Meine Meinung ist: Alle ins Flugzeug und übers Land wieder weg.“
Eine andere Frau sagt: „Ich finde das nicht in Ordnung. Das nimmt total Überhand, das mit den Flüchtlingen.“ Ein Mann berichtet, dass sich fast niemand mehr im Park blicken lässt, „weil die anderen Leute da sitzen“.
Wer verbirgt sich hinter dem Nachrichtenportal Nius?
Bei Nius handelt es sich um ein Nachrichtenportal. Als Selbstbezeichnung hat sich das Medium den Titel „Die Stimme der Mehrheit“ gegeben. Politisch ist das Portal konservativ bis rechtspopulistisch einzuordnen.
Einer der Initiatoren des Projekts ist Julian Reichelt, Ex-Bild-Chefredakteur. Im Herbst 2021 wurde Reichelt entlassen. Dabei ging es unter anderem um Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen gegenüber jungen Mitarbeiterinnen.
Zusammen mit Jan Fleischhauer, früherer Journalist des Spiegels und aktuell für den Focus tätig, bietet Reichelt nun mit dem Portal einen bunten Mix aus Text- und Video-Beiträgen.
Der Medieninsider, ein Informationsangebot für Medienschaffende, schreibt: „Die Zielgruppe ist klar: Nius will die Leser abholen, die politisch rechts von Bild stehen. Mit anderen Worten: Nius soll dort Fuß fassen, wo Reichelt seinerzeit den Boulevardtitel positioniert hatte. Auch für Nius gilt: Der Grat zum Rechtspopulismus ist schmal.“
Zuvor hatte bereits der österreichische TV-Sender Servus TV unter dem Titel „Ein Dorf ist in Sorge“ über die Zeltstadt Bork berichtet. Auch dieser Kanal gilt als rechtspopulistisch.

Dient Bork hier einer Art „Musterbeispiel“ für die Rhetorik von konservativen Medien? Warum wird sich in den Beiträgen auf Bork bezogen?
„In Bork zeigen sich exemplarisch und brennpunktartig besondere Herausforderungen für die Kommunen durch die aktuelle Geflüchtetenpolitik“, sagt Dierk Borstel, Politologe der FH Dortmund, „diese Problematiken aufzugreifen und kritisch zu thematisieren, ist an sich Aufgabe journalistischer Formate. Bei den genannten Medien wird den vorhandenen Ängsten sehr viel Raum gegeben und den Gegenargumenten eher weniger. Dadurch wird ein Bild der Bedrohung im Gewand seriös erscheinender Berichterstattung geschaffen.“
Er würde sich eine Berichterstattung wünschen, die die Konflikte und konkreten Herausforderungen klar benennt, dabei aber auf eine direkte oder indirekte Stimmungsmache - egal ob pro oder contra - verzichtet und so den Menschen die Möglichkeit gebe, sich eine eigene Meinung zu bilden, meint der Forscher.
Wie benutzen Rechtspopulisten und Rechtsextremisten Diskussionen um Geflüchtete und deren Unterbringung? Welche Strategie steckt dahinter?
In der jüngsten Vergangenheit verteilte der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich einen Brief in Bork. Er fordert darin die Schließung der Zeltstadt. „Kriminalität, Vermüllung und Unsicherheit gehören seitdem zum Alltag in der Stadt“, behauptet er darin. Und auch der III. Weg, eine rechtsextreme und neonazistische deutsche Kleinpartei, verteilte zuletzt Flyer und patrouillierte nach eigenen Angaben durch den Ort.
„Rechtspopulisten und -extremisten leben von Krisen, ungelösten Konflikten und Untergangsstimmungen. Destruktivität ist ihr Lebenselixier und ihre Kraftquelle, um das verhasste gesellschaftliche und politische System als unfähig dastehen zu lassen“, ordnet Borstel ein.
Populisten würden für diese Fundamentalkritik aber gerne reale Konflikte nutzen. „Es muss daher Aufgabe der Demokraten und seriöser Medien sein, diese Konflikte auch zu benennen, um sie so lösen zu können. Geschieht dies nicht, haben die Hetzer, die niemals nach einer pragmatischen Lösung suchen, die Meinungsführerschaft“, sagt der Wissenschaftler.

Wie schätzt der Experte die allgemein Lage zum Thema Geflüchtete ein?
Dierk Borstel verweist hierbei auf die Studie „Das pragmatische Einwanderungsland - Was die Deutschen über Migration denken“ von der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2019.
Dort heißt es unter anderem: „Anders, als die öffentliche Debatte suggeriert, zeigt diese Studie deutlich: Die Gesellschaft ist keineswegs gespalten in zwei unversöhnliche Gruppen von vehementen Befürwortern und Gegnern von Einwanderung. Diese Pole machen jeweils nur ein Viertel der Befragten aus. Etwa die Hälfte der Deutschen aber gehört zu einer breiten ‚beweglichen Mitte‘ und zeigt differenzierte Einstellungen. So ist sie mehrheitlich offen für die Aufnahme von Geflüchteten, sieht aber auch die Herausforderungen, die der Zuzug dieser Menschen mit sich bringt.“
„Um diese Menschen muss aktiv gekämpft werden. Dazu gehört es, Probleme nicht zu leugnen und in Bork gibt es welche. Nur wenn wir sie benennen, können wir Lösungen suchen und das überzeugt die Mitte noch immer am meisten“, sagt Borstel.
Wie eine vielschichtige Diskussion funktionieren kann, zeigte sich zuletzt bei der Bürgerversammlung in Bork. Meinungen von Bürgern waren differenziert und Politiker und Polizei bezogen Stellung zur aktuellen Lage. Im August soll es nun ein Begegnungsfest geben. „Der Kontakt ist das, was wir wollen“, sagte Selms Bürgermeister Thomas Orlowski.
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